Die Florestan-Initiative reicht Verfassungsklage ein

• 12. März 2021

von: Florestan-Initiative (Österreich)

Die von der Florestan-Initiative aufgeworfene Fragestellung, ob die undifferenzierten Schließungen der Kulturstätten verfassungskonform waren und sind, bleibt heute so aktuell wie zum Start der Initiative im November vergangenen Jahres. Deswegen wurden die angekündigten Individualanträge beim Verfassungsgerichtshof am Dienstag, 9. März 2021 eingereicht.

Unter den Individualantragsteller*innen finden sich Nina Proll, Angelika Kirchschlager, Alfred Dorfer, Georg Breinschmid, Gernot Plass, Dr. Otto Brusatti, Harald Stampfer, Eduard Angeli sowie die Politikwissenschaftlerin Univ.-Prof. Dr. Ulrike Guérot.

Der politische Diskurs hat in den vergangenen Wochen und Monaten keine Öffnungsszenarien für die Kultur befördert, obwohl mittlerweile eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien die Wirksamkeit der Präventionskonzepte von Kultureinrichtungen untermauern und damit eine Öffnung nahelegen (z.B. Aerosolstudie Dortmund/Fraunhofer Institut, TU Berlin, Bayrische Staatsoper). Auch praktische Beispiele wie aus dem Teatro Real Madrid zeigen auf, dass sich ein ernstzunehmender gesundheitspolitischer Umgang hinsichtlich der Corona-Pandemie mit Öffnungsszenarien für die Kultur durchaus vereinbaren lässt.

Mitinitiator Florian Krumpöck: „Ich halte es für wesentlich, unser reiches kulturelles Erbe als zentralen Teil einer humanistisch geprägten Allgemeinbildung auf Basis der bestehenden Grundrechte für künftige Generationen abzusichern. Ein politisches System, das zentrale Kulturstätten als bloße „Freizeiteinrichtungen“ klassifiziert, ist bereits selbst das erste und offenkundigste Produkt eben dieses Systems der Halb- und Unbildung. Gebetsmühlenartig wird uns die angebliche Alternativlosigkeit des Kultur-Lockdowns vorgehalten. Das hilflose, mutlose und schließlich erfolglose Rasenmäher-Prinzip sollte nun endlich interdisziplinär erarbeiteten Individual-Lösungen weichen. So viel Zeit muss sein. So viel Kompetenz muss sein. Und so viel Wertschätzung muss sein.“

„Grund- und Menschenrechte sind unteilbar, interdependent und nicht konditionierbar.“

Die erlassenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie tangieren eine Vielzahl von Grund- und Freiheitsrechten, und bei weitem nicht nur die Eigentums- und Erwerbsfreiheit der Kunst- und Kulturschaffenden, sondern insbesondere eben die verfassungsrechtlich verankerte Freiheit der Kunst, die Gedanken- und Gewissensfreiheit, die Meinungsfreiheit, das Recht auf Bildung, das allgemeine Diskriminierungsverbot und auch die Reisefreiheit in der Europäischen Union. Auch die völlige Ungleichstellung mit der ebenfalls grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit bedarf genauerer Überprüfung, zumal eine Hierarchie der einzelnen Grundrechte nicht vorgesehen ist.

Grund- und Menschenrechte sind unteilbar, interdependent und nicht konditionierbar. Nicht nur in Österreich fehlt soweit ersichtlich ein über epidemiologische und virologische Erkenntnisse der Pandemiebekämpfung hinausgehender umfassender grund- und menschenrechtlicher Diskurs dazu, in welchem Ausmaß die Gewährleistung des Rechtes auf Schutz des Lebens die Einschränkung einer Vielzahl von Grund- und Freiheitsrechten anderer rechtfertigen kann.

Planungssicherheit mittels erprobter Präventionskonzepte

Erprobte Präventionskonzepte und die von der Initiative angestrebte rechtliche Einschätzung sind daher weiterhin wichtige Parameter für eine lebendige Kulturszene vor, auf und hinter der Bühne. Nicht zuletzt rechnen die Experten der WHO heuer nicht mit einem Ende der Corona-Pandemie und warnen davor, sich allein auf Impfungen zu verlassen. Grundsätzliche Hygieneregeln seien weiterhin Fundament der Pandemie-Bekämpfung.

Aktuell besteht für die Kultur noch immer keine Planungssicherheit, weder für die laufende Saison, noch für den Sommer, und nicht einmal für den darauffolgenden Herbst, obwohl eine solche unter Berufung auf die vorliegenden Studien und die genannten Präventionskonzepte längst möglich wäre.

Auch das wiederholte Ankündigen zum Schnüren von zusätzlichen sogenannten „Hilfspaketen“ für die Kultur fernab eines fairen und unbürokratischen Umsatzersatzes darf über den grundrechtlichen Schutz und die Notwendigkeit der längst überfälligen Öffnung nicht hinwegtäuschen.

Es mangelt also nicht an Alternativen zu undifferenzierten Schließungsszenarien und einer umsetzungsstarken Kulturszene, es mangelt an politischem Willen.


Florestan-Initiative: www.florestan.at

Link zu Individualantrag gem Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG samt Beilagen