• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • Saison 2015/2016, November-Dezember
  • S. 28

„Eine Sache des Vertrauens“

Daniel Behle im Gespräch mit Mareike Wink

Text: Mareike Wink

In: Magazin, Saison 2015/2016, November-Dezember, Oper Frankfurt, S. 28 [Publikumszeitschrift]

Von Hamburg nach Basel – da führt an Frankfurt kein Weg vorbei. Und so macht das gebürtige Nordlicht, das mittlerweile in südlicheren Gefilden wohnt, hier immer wieder Zwischenstation. Aktuell gibt er Erik (Der fliegende Holländer) und René (Der Graf von Luxemburg). Nicht ohne Grund: »In Frankfurt habe ich viele wichtige Rollen singen dürfen und das Vertrauen in meine stimmliche Entwicklung genossen. Intendanten entscheiden, was man singen darf und was nicht. Bernd Loebe hat mir bereits sehr viel geholfen«, sagt Daniel Behle heute. »Auch der Erik im Holländer ist wieder ein großes Vertrauen in meine Person.« Die Oper Frankfurt, der er von 2007/08 bis 2009/10 als Ensemblemitglied verbunden war, sei »sehr professionell, von hoher Qualität, loyal und freundlich – ein Stück Heimat«. 

Beheimatet zudem in einer musikalischen Familie, als Sohn der Sopranistin Renate Behle, erscheint es beinahe als eine logische Konsequenz, dass für Daniel Behle auch an der Musik kein Weg vorbeigeführt hat. Gerade deshalb weiß er auch um die Schwierigkeiten bei der Berufswahl des Sängers und um die Bedeutung des richtigen Lehrer-Schüler-Verhältnisses: »Am Beginn einer Sängerlaufbahn ist das Vertrauen in ein Vorbild, in seinen Lehrer, besonders wichtig. Singen lernen ist eine ständige Übersetzung in die eigene Sprache. Die Person zu finden, die man versteht, ist manchmal schwierig. Auch wieder eine Sache des Vertrauens.«

Inzwischen gilt der Tenor als einer der vielseitigsten und wandlungsfähigsten seiner Generation. Unter seinen jüngsten Engagements, die ihm großen Beifall bescherten: die Titelpartie in Mozarts La clemenza di Tito an der Bayerischen Staatsoper in München, Strauss’ Matteo (Arabella) an der Semperoper in Dresden, Händels Oronte (Alcina) in Amsterdam und Brüssel und Schönbergs Berufener (Die Jakobsleiter) beim Musikfest Berlin. In den nächsten Monaten stehen Strauss’ Flamand (Capriccio), sein Rollendebüt als Loge (Das Rheingold) mit dem NDR Sinfonieorchester unter Thomas Hengelbrock und Webers Max (Der Freischütz) an der Hamburgischen Staatsoper in seinem Kalender.

Für diesen ausgesprochen flexiblen Spagat zwischen Barock und Wagner bzw. noch späteren Meistern hat Daniel Behle ein Rezept: »Ich versuche jede Musik mit meiner eigenen Stimme zu singen. Ich imitiere also keinen Klang, um vielleicht einem Ideal zu entsprechen. Ich achte dabei immer kritisch darauf, ob es mir selber gefällt, was und wie ich die entsprechende Partie musikalisch anlege.« Dabei habe er großen Respekt vor jeder Partie, die er zum ersten Mal singt – egal aus welcher musikgeschichtlichen Epoche.

Auch wenn sich der Tenor ebenso souverän und regelmäßig in den Bereichen Liedgesang, Oratorium und Operette bewegt, behauptet er eindeutig: »Die Oper ist mein Zuhause.« Und dennoch ist Daniel Behle mehr als »nur« ein Opernsänger. Er ist auch studierter Posaunist, Schulmusiker und Komponist. Ob das die Ausübung seines Sängerberufes beeinflusst? »Vielleicht gehe ich mit etwas weniger Ehrfurcht an zu lernende Partien. Wenn man selber schreibt, kann man das Gefühl erahnen, welches einen Komponisten beim Schaffen erfüllt und dazu den Unterschied von Schreiben und Ausführen erkennen. Manches funktioniert im Kopf perfekt, bleibt in der Ausführung aber sperrig und schwierig. Wenn man das akzeptiert, fühlt man sich als Sänger weniger benutzt und mehr gebraucht. Mir hilft das beim Lernen.«

Aus dieser Ehrfurcht heraus entwickelt der mehrfach ausgezeichnete Sänger seine zahlreichen differenzierten und begeisternden Interpretationen. Wieviel Zeit bleibt da für den »unmusikalischen«, den privaten Daniel Behle? »Ein freier Tag mit meiner Familie ist das Schönste. Aber an dem geht es auch nie ganz unmusikalisch zu. Es summt und klingt immer irgendetwas.«


»Erik sehe ich in einem ähnlichen Verhältnis zu Senta wie Don Ottavio zu Donna Anna. Sie sehnt sich nach dem Geheimnisvollen, einem Mann, der ihr nicht schon von Jugend an erlegen ist. Erik bleibt, wie Ottavio, nur das Jammern: Das gibt Anlass zu schönen Kantilenen, auf die ich mich sehr freue – meine erste, wichtige Wagnerrolle!«

»René ist ein Operettentenor – große Gefühle, große Worte, »bigger than life«, aber irgendwie gutherzig und liebenswertnaiv in seiner Art. Er lebt im Moment und schaut, was das Leben ihm bringt. Er sieht es geradezu als seine Pflicht an, seinem Stammbaum gemäß derart zu handeln. Zwischen dem ganzen Gefeiere bleibt aber auch Zeit für die wahre Liebe, die ihn praktisch überrumpelt. Ein geläuterter Partyhengst! Schöne Melodien und heile Welt – heute wichtiger denn je.«

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