• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • Saison 2014/2015, März-April
  • S. 36

Louise Adler

Volle Kraft voraus!

Text: Mareike Wink

In: Magazin, Saison 2014/2015, März-April, Oper Frankfurt, S. 36 [Publikumszeitschrift]

Puccinis Musetta, Humperdincks Gretel, Bellinis Lisa und Cestis Silandra – vier vollkommen unterschiedliche Partien, vier ganz verschiedene Identitäten. Louise Alder hat sie in kürzester Zeit, in ihren ersten sechs Monaten als Ensemblemitglied an der Oper Frankfurt, gesungen – mit großem Erfolg. Die junge Sopranistin liebt es, in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Jede einzelne Partie und jede zugehörige Produktion habe sie genossen. Dennoch gibt es für Louise eine klare Favoritin in der Reihe: »Gretel! Der zentrale Aspekt des Erwachsenwerdens in der Inszenierung von Keith Warner hat es mir leicht gemacht, mich in diese Figur hineinzudenken und mich mit ihr zu identifizieren. Ja, ich glaube, ich kann sagen: Ich war Gretel.«

Ihre absolute Lieblingspartie ist jedoch die Sophie in Strauss’ Rosenkavalier: »Die junge Sophie blickt ihrer Heirat recht unbekümmert, geradezu naiv entgegen, und kann gleichzeitig durch ihre Reife eine sehr unmittelbare und tiefe Beziehung zu Octavian eingehen. Die Vereinigung dieser beiden Pole gefällt mir. Außerdem mag ich Sophies Musik unglaublich gerne.« Umso mehr freut sich Louise auf die anstehende Frankfurter Neuproduktion. Sie selbst wird daran zwar nicht beteiligt sein, nach Auftritten in Wagners Parsifal und Strauss’ Ägyptischer Helena ist Louise allerdings ganz froh, dass sich ihr Kalender zumindest ein wenig lichtet, denn im Sommer steht auch schon ihr Debüt als Lucia in Brittens The Rape of Lucretia beim Glyndebourne Festival an, worauf sie sich besonders freut. Damit wird sie in der Spielzeit 2014/15 einen Repertoire-Bogen vom Barock bis zur Neuen Musik schlagen. 

Dass es mit einem Festengagement und einem derart vollen Kalender so schnell geht, hätte die gebürtige Londonerin selbst nicht gedacht. Sie habe einfach großes Glück gehabt, sagt sie, zuerst mit ihren Gesangslehrern und dann damit, ziemlich schnell von Menschen wie Bernd Loebe entdeckt worden zu sein: »Er hat mich bei einem Wettbewerb in London gehört, den ich nicht gewonnen habe. Danach kam er trotzdem zu mir und sagte, ich solle in Frankfurt vorsingen. Ich habe mir das zu dem Zeitpunkt noch nicht zugetraut und erst einmal mein Studium beendet. Aber dann bin ich direkt zum Vorsingen nach Frankfurt gekommen und jetzt bin ich hier. Wahnsinn!«

Dass es an der Oper Frankfurt geklappt hat, freut Louise Alder auch deshalb, weil sie das deutsche Publikum und dessen – bisweilen lautstarke – Beteiligung am Operngeschehen sehr schätzt: »Hier habe ich zum ersten Mal in meinem Leben echte, laute Buh-Rufe im Opernsaal gehört. Auch wenn das für uns auf der Bühne nicht immer einfach ist, zeigt es doch, wie die Menschen teilnehmen an dem, was sie da erleben, und eine Meinung dazu entwickeln. Obwohl die klassische Musik in England und Deutschland einen ähnlich hohen Stellenwert hat, gibt es noch einen weiteren großen Unterschied: In Deutschland ist die Oper weniger elitär. Das Publikum ist gemischter. Das finde ich super.«

Außerdem genießt Louise die Atmosphäre hinter den Frankfurter Kulissen: »Jeder, der mir bisher an diesem Haus begegnet ist, hat mich sehr herzlich willkommen geheißen, und mit einigen Kollegen habe ich mich sogar recht schnell angefreundet.« Einen Ausgleich findet sie unter anderem in handwerklicher Betätigung. So verbringt Louise einen Teil ihrer Freizeit gerne mit dem Umund Aufarbeiten von Möbeln für ihre neue Wohnung in Bornheim. Sie hat sich recht schnell eingelebt in dieser Stadt, die sie an das Finanz-Zentrum von London erinnert, wo die Wochenenden so ruhig seien wie hier, weil die Büros ebenso leer sind. Sogar der Apfelwein schmeckt ihr. »Frankfurt als Stadt war eine angenehme Überraschung! Wenn die Leute in London von meinem Engagement in Deutschland hörten, sagten sie: »Yeah«. Wenn sie hörten, in welche Stadt ich gehe, sagten sie: »Schade«. Aber Frankfurt wird unterschätzt. Die Stadt hat Charakter, sehr nette Viertel wie Bornheim und Sachsenhausen, dann eine gute Größe und Lage, und die öffentlichen Verkehrsmittel sind der Hammer. Außerdem soll die Umgebung schön sein – der Rhein, die Weinberge ... Das will ich alles auch bald entdecken.«

Auf die Frage nach einer etwaigen Alternative zur Musik als Lebensunterhalt antwortet Louise wie aus der Pistole geschossen: »Nein! Es kam nie etwas anderes in Frage. Die Musik war immer meine größte Leidenschaft.« Das verwundert nicht. Ihre Mutter ist Violinistin, der Vater Sänger. »Ich bin mit Musik aufgewachsen. Genauer gesagt mit klassischer Musik, ausschließlich mit klassischer Musik. Sehr lange habe ich überhaupt keine PopMusik gehört. Das hat sich inzwischen geändert. Beyoncé oder Caro Emerald zum Beispiel höre ich total gerne.« Schon als Kind hat Louise ihre Eltern zu Proben begleitet, auch zum Glyndebourne Festival und an das Royal Opera House Covent Garden London. »Es war für mich also ganz natürlich, selbst mit Musik zu arbeiten. Auch wenn mir ausgerechnet meine Eltern bei jedem Schritt in diese Richtung ins Gewissen geredet haben.« Allzu weit hat sich auch ihr Bruder nicht von den familiären Wurzeln entfernt. Er arbeitet als Schauspielregisseur und -produzent in England.

Ziemlich spät hat Louise Alder mit ihrer Gesangsausbildung angefangen. Da war sie schon 19 Jahre alt. Nach der ersten Studienetappe an der Edinburgh University ging sie mit 23 an das Royal College of Music. »In Edinburgh habe ich mich in das Singen und Spielen verliebt. Ich habe herausgefunden, dass ich lieber auf der Bühne stehe als davor sitze«, erzählt sie. Denn eigentlich wollte Louise Geigerin werden wie ihre Mutter. Irgendwann sei ihr jedoch klar geworden, dass sie sich ein Leben als Orchestermusikerin nicht vorstellen konnte. »Und für eine Solo-Karriere war ich auf der Violine einfach nicht gut genug.« Die besondere Liebe zur Kammermusik sei ihr allerdings geblieben: »Daher rührt wahrscheinlich meine große Affinität zum Liedgesang. Ich mag dieses intime Arbeiten mit einem Pianisten oder auch mit anderen Sängern sehr.«

Auch davon konnte sich das Frankfurter Publikum bereits überzeugen. Im Oktober 2014 sprang Louise Alder, gemeinsam mit dem Ensemblemitglied Björn Bürger und von Helmut Deutsch am Klavier begleitet, kurzfristig für die erkrankte Julia Kleiter ein. Und das mal eben so zwischen Hänsel und Gretel-Vorstellungen und Sonnambula-Proben. Louise Alders Fazit nach gut gefüllten ersten sechs Monaten im Frankfurter Ensemble: »Fantastisch, Augen öffnend!« 

Nur an eine Sache kann sie sich noch nicht gewöhnen: Dass hier am Sonntag alles geschlossen ist. »Auch wenn das für uns Sänger einen Segen bedeutet, weil der Sonntag dann wirklich zum Ruhetag wird.«