- Magazin
- Oper Frankfurt
- Saison 2013/2014, Mai-August
- S. 15-16
Das vergessene „Richard Strauss-Finale“ oder „von echtem griechischem Geist erfüllt“
Text: Mareike Wink
In: Magazin, Saison 2013/2014, Mai-August, Oper Frankfurt, S. 15-16 [Publikumszeitschrift]
»Es war der letzte, unvergessliche, schönste Abschluss meines künstlerischen Lebens«, schreibt Richard Strauss 1944 unter dem Eindruck der Generalprobe zu Die Liebe der Danae und scheint das aufführungsgeschichtliche Schicksal seiner vorletzten Oper vorauszuahnen. Denn für acht Jahre wird es über die Generalprobe nicht hinausgehen – ein einzigartiges Faktum in der Operngeschichte, das vor allem dem politisch-historischem Kontext geschuldet ist. Die Aufführungsgeschichte dieser Oper zeigt geradezu exemplarisch, wie eng Kunst und Zeitgeschichte miteinander verknüpft sind.
Die Komposition der »Heiteren Mythologie in drei Akten« war bereits 1940, nach einem Arbeitsprozess von rund zwei Jahren, innerhalb derer der Zweite Weltkrieg ausbrach, abgeschlossen. Ursprünglich wollte Strauss seine Oper erst nach dem Krieg uraufgeführt sehen. Schließlich sollte sie anlässlich des 80. Geburtstages des Komponisten bei den Salzburger Festspielen 1944 uraufgeführt werden, zu deren Mitbegründern er selbst ebenso wie sein langjähriger Librettist Hugo von Hofmannsthal zählte. Eine enge künstlerische Zusammenarbeit verband Richard Strauss auch mit dem Dirigenten Clemens Krauss, der nach Intendanzen in Frankfurt, Berlin, Wien und München 1941 mit der künstlerischen Leitung der Salzburger Festspiele betraut worden war.
Krauss, der später vor allem beim Libretto zu Capriccio, ein entscheidendes Wort mitreden soll, hatte bereits beim Danae-Textbuch seine Finger im Spiel. Stefan Zweig hatte Richard Strauss für Die Liebe der Danae Joseph Gregor als Librettisten vorgeschlagen. Derselbe Stoff war bereits 1920 von Hugo von Hofmannsthal zu einer Libretto-Skizze verarbeitet worden, für die sich Strauss damals nicht begeistern konnte. Joseph Gregor hatte rund 20 Jahre später kein leichtes Spiel in der Zusammenarbeit mit Richard Strauss – er sah sich mit einem ganzen Katalog an Änderungswünschen konfrontiert.
In die Zeit der letzten Premierenvorbereitungen fiel das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944, woraufhin sämtliche Festspiele abgesagt und Theater geschlossen wurden, »eine totale Maßnahme, die keine Kompromisse und Einschränkungen duldet« (Joseph Goebbels). Überdies war Richard Strauss, von 1933 bis 1935 »Präsident der Reichsmusikkammer«, bei den Nationalsozialisten im Ansehen gefallen, nachdem er für die Uraufführung von Die schweigsame Frau auf der Nennung seines jüdischen Librettisten Stefan Zweig bestanden hatte. Somit war auch von der einstigen Gönner-Seite, die sowohl Richard Strauss als auch Clemens Krauss auf ihre sogenannte »Gottbegnadeten-Liste« der Künstler gesetzt hatte, für die Uraufführung von Die Liebe der Danae nicht allzu viel Interesse und Unterstützung zu erwarten. Krauss und der Salzburger Gauleiter Gustav Scheel konnten bei Goebbels schließlich eine halb-öffentliche General probe aushandeln.
In diesem Rahmen kam die Oper am 16. August 1944 unter der musikalischen Leitung von Clemens Krauss, in der Regie von Rudolf Hartmann und ausgestattet von Emil Preetorius zur Uraufführung; einstudiert aus dem Manuskript, da das Notenmaterial nicht gedruckt vorlag. Das vollbesetzte Haus nahm die hochkarätige Vorstellung begeistert auf. Berichte dieses letzten großen musikalischen Ereignisses vor der Endphase des Krieges in Deutschland klingen euphorisch, ergreifend. Überliefert sind aus diesen Salzburger Tagen, die Strauss’ Abschied von Publikum und Bühne bedeuten werden, seine prophezeienden Worte: »Vielleicht sehen wir uns in einer besseren Welt wieder!« Auch nach dem Krieg will Strauss Die Liebe der Danae am liebsten von Clemens Krauss und Rudolf Hartmann bei den Salzburger Festspielen aufgeführt sehen. Krauss ist allerdings aufgrund seiner führenden Position im NS-Regime von 1945 an mit einem Berufsverbot belegt und der Krieg hat natürlich auch an Operngebäuden und -ensembles seine Spuren hinterlassen. Aufführungsangebote aus Stockholm, Zürich und London ausschlagend, schreibt Strauss an den Dirigenten: »Im Ganzen bin ich dafür, mit all dem zuzuwarten, bis Sie wieder in Amt und Würden sind.« Das Berufsverbot wird zwar 1947 aufgehoben, doch realisierbar ist Strauss’ Wunsch erst 1952, drei Jahre nach dem Tod des Komponisten. Diese »ordentliche« Premiere wird über Rundfunk in ganz Westeuropa ausgestrahlt.
Dass die kaum gespielte Oper des vor 150 Jahren geborenen Richard Strauss tatsächlich einem »Abschluss seines künstlerischen Lebens« gleichkommt, lässt sich mit einem Blick auf die musikalischen und inhaltlichen Strukturen des Werkes durchaus bekräftigen. Die Zeit schreibt in ihrer Uraufführungskritik am 21. August 1952: »Bemerkenswert ist die Danae ledig lich als ein neues Steinchen im Schaffensmosaik einer historischen Persönlichkeit, die Geschichte gemacht hat mit anderen, wesentlicheren Schöpfungen. Wer von diesen nichts wüsste, bekäme sie hier gleichsam als klingenden Querschnitt vorgeführt. Denn es ist alles drin, was den Komponisten Strauss vom romantischen Ethos der Wagner-Nachfolge bis zur burlesken Ironie seiner persönlichsten Werke je bewegt hat.« Weitere wesentliche Aspekte der künstlerischen Entwicklung Strauss’, des selbsternannten »germanischen Griechen«, wie das Mythologische, komplizierte polyphone Chorpassagen, Volksliedhaftes und ätherische Gesänge lassen sich an diesem Werk ablesen. Aber auch bereits umgesetzte Motive wie das Thema der Verwandlung (vergleichbar mit der Versteinerung des Kaisers in Die Frau ohne Schatten oder Ariadnes Überwinden ihres Liebesschmerzes in Ariadne auf Naxos), die Begegnung mit einem Gott (wie in Daphne und Ariadne auf Naxos), das Nebeneinander von Mythos und Komö die oder auch das pflanzenförmige Edelmetall (der goldene Zweig entspricht der silbernen Rose im Rosenkavalier). Vor allem die Anklänge an Richard Wagner sind unverkennbar; angefangen vom Thema des korrumpierenden Goldes über Figurenähnlichkeiten (Jupiter – Wotan, die vier Göttinnen – die drei Rheintöchter, Merkur – Loge) bis hin zum musikalischen Durchschimmern des Rings. So gibt Walter Keller dem Werk den Untertitel »Wagner-Oper aus Garmisch« und Willi Schuh nennt es gar die »griechische Götterdämmerung«. Und wieder ist es der zeitgeschichtliche Kontext der »Generalproben-Uraufführung«, der dem letztgenannten Ausdruck einen unheilschwangeren Beigeschmack verleiht.
Die Besetzung wartet mit zwei Strauss-Experten auf: Sebastian Weigle gab 2002/03 mit Strauss’ Salome, die er jüngst auch an der Hamburgischen Staatsoper leitete, sein Debüt an der Oper Frankfurt. Für Die Frau ohne Schatten, die er im Sommer auch bei den Münchner Opernfestspielen dirigiert, wurde er 2003 zum »Dirigenten des Jahres« gewählt. Die Liebe der Danae dirigiert er zum ersten Mal. Anne Schwanewilms – »Sängerin des Jahres« 2002 – zählt zu den wichtigsten Strauss-Interpretinnen unserer Zeit. Die Partie der Danae sang sie bereits an der Semperoper Dresden und konzertant in Amsterdam unter der Leitung von Edo de Waart.
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