- Foyer5
- Landestheater Linz
- # 19 | Frühjahr 2021 - Stream a dream. Netzbühne-Online
- S. 10-11
Wie gefährlich ist Covid-19 für Theater- und Konzertbesucher wirklich?
Warum die Wissenschaft das Infektionsrisiko sehr gering einschätzt
Text: Thomas Königstorfer
In: Foyer5, # 19 | Frühjahr 2021 - Stream a dream. Netzbühne-Online, Landestheater Linz, S. 10-11 [Publikumszeitschrift]
10 Daten und Fakten aus wissenschaftlichen Studien der letzten Monate
Veranstaltungen zählen zu jenen Bereichen, die nun am längsten geschlossen und verboten bleiben. Das Problem ist, dass alle Formen von Veranstaltungen undifferenziert in einen Topf geworfen werden. Das Verbot soll sowohl den Theaterbesucher, den singenden Fußball-Fan wie auch den tanzenden Ball-Besucher schützen. Dabei ist sich die Wissenschaft sehr einig: Theater- und Konzertbesucher*innen brauchen kein überdurchschnittliches Infektionsrisiko zu fürchten, wenn bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Die österreichischen Theater und Konzerthäuser haben bewiesen, dass sie für einen Corona-sicheren Kulturgenuss sorgen. Neue Studien, etwa vom deutschen Fraunhofer-Institut oder der Technischen Universität Berlin, bestätigen das.
Nachfolgend daher zehn Daten und Fakten, warum Theater sicher ist:
01
Im Sommer und Herbst 2020 haben hunderttausende Menschen in Österreich Theatervorstellungen und Konzerte besucht – von den
Salzburger Festspielen über die Wiener Staatsoper bis hin zum Landestheater Linz. Nirgendwo in Österreich wären Ansteckungen oder
gar Cluster unter Besuchern bekannt geworden.
02
Die Theater- und Konzerthäuser haben gemeinsam und im Austausch mit Gesundheitsbehörden sowie Wissenschaftern Präventionskonzepte entwickelt, um die Ansteckungsgefahr
unter Besucher*innen bestmöglich zu minimieren. Diese Präventionskonzepte wurden – von
den Behörden überprüft – professionell umgesetzt. Ziel der Präventionskonzepte ist, sowohl
eine direkte Ansteckung durch Tröpfchen als
auch durch Aerosole bestmöglich zu vermeiden.
03
Kern der Präventionskonzepte ist der Abstand
zwischen Besucher*innen, vor allem im Zuschauerraum. Neben jedem Platz wird seitlich
mindestens ein Meter freigehalten, nur Besucher*innengruppen (v. a. Personen aus einem
Haushalt) sitzen unmittelbar beisammen.
04
Ein zentraler Punkt ist das Tragen von Maske
(Mund-Nasen-Schutz). Eine Studie des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts im Konzerthaus
Dortmund hat das Tragen von Masken im
Zuschauerraum wissenschaftlich untersucht.
Ergebnis: wenn der Versuchsdummy „Oleg“
Maske trägt, kann bei keinem Platznachbarn
(vorne/hinten/seitlich/diagonal) ein durch
„Oleg“ erhöhter Aerosolwert gemessen werden.
05
Sowohl das neue Musiktheater als auch das generalsanierte Schauspielhaus an der Promenade
verfügen über modernste Lüftungs-Anlagen.
Das Fraunhofer-Institut geht bei seinen Untersuchungen im Konzerthaus Dortmund von
einem kompletten Luftaustausch alle 20 Minuten bei 100 % Lüftungsleistung aus – im Großen
Saal des Musiktheaters und im Schauspielhaus
ist die Leistung der Lüftungsanlagen sogar
mehr als doppelt so stark. Das Ergebnis der
Wissenschafter in Dortmund: Mit Mund-Nasen-Schutz sowie Lüftung ist „praktisch keine Beeinflussung durch Prüfaerosole auf allen Nachbarplätzen eines emittierenden Probanden
(Versuche Nr. 4, 6, 9)“ zu messen. Fazit des
Fraunhofer-Instituts: „Die Gefahr von Infektionen durch Aerosolübertragung im Saal [ist]
nahezu ausgeschlossen“.
06
Dazu kommt das riesige Raumvolumen von
Theater- und Konzertsälen. Das Fraunhofer-Institut dazu: „Großes Raumvolumen sorgt für
starke Verdünnung von Aerosolen, durch Zu- und Abluftbetrieb ohne Umluftfunktion werden
Aerosole effektiv abtransportiert und können
sich nicht anreichern (Versuche Nr. 2 & 10)“.
07
Weiters arbeiten thermische Effekte für die
Gesundheit des Publikums. „Eine Besetzung
des Konzerthauses mit vielen Personen stört
nicht den Luftaustausch nach oben, sondern
fördert diesen durch zusätzliche thermische
Effekte,“ konstatiert das Fraunhofer-Institut.
08
Auch die Technische Universität Berlin hat
eine allfällige Ansteckungsgefahr durch Aerosol-Partikel untersucht. Die Berliner Wissenschafter haben dabei die Atemaktivität der Besucher*innen in einem Raum als relevanten
Einflussfaktor identifiziert. Wenig überraschend das Ergebnis: im Theater sitzen Menschen, sie sprechen während der Vorstellung
wenig … im Gegensatz etwa zum Einkauf oder
zum Restaurant, wo Menschen gehen oder sich
laut unterhalten. Damit gibt es in der Studie der TU Berlin keine Aktivität, für welche eine
geringere Atemaktivität ausgewiesen wäre, als
für einen Theaterbesuch.
09
Die Österreichischen Bundesländer haben in den
letzten Wochen die Möglichkeit für kostenlose
COVID-19-Testungen massiv ausgebaut, Ende
Februar wurden in Österreich in einer Woche
2,5 Mio. Menschen einem Corona-Test unterzogen. Damit zählt Österreich zu den
„Test-Weltmeistern“. Egal, ob in Theatern, in
Wirtshäusern oder beim Friseur … überall, wo
sich viele Menschen aufhalten, sollen „Eintritts-Testungen“ für zusätzliche Sicherheit
sorgen. 20 deutsche Wissenschafter schreiben
dazu Ende Februar, dass es für sie bei Vorstellungen in Theatern sogar möglich erschiene,
zur vollen Auslastung des Veranstaltungsraumes zurückzukehren, wenn es für die Besucher
Eintritts-Testungen gibt. Diese schaffen also
zusätzliche Sicherheit.
10
Die TU Berlin hat schließlich rund 20 Aktivitäten einer Risiko-Bewertung unterzogen – vom
Theaterbesuch über die Benutzung Öffentlicher
Verkehrsmittel, den Termin beim Friseur,
einem Einkauf, einem Essen im Restaurant bis
zum Unterricht in Schulklassen. Das Ergebnis:
Die Freizeitaktivitäten mit dem geringsten Ansteckungsrisiko sind „Theater, Opern, Museen
mit Maske“. Einkaufen im Supermarkt birgt
bereits ein doppelt so hohes Infektionsrisiko.
Es ist uns bewusst, dass es nie eine 100%ige Sicherheit geben können wird. Aber wir nehmen uns seitens des Landestheaters und des Bruckner Orchesters der Herausforderungen, die COVID-19 für unsere Aufführungen mit sich bringt, mit größter Verantwortung an.
Quellen
Martin KRIEGEL, Anne HARTMANN, TU Berlin / Hermann Rietschel Institut: COVID-19-Ansteckung über Aerosolpartikel, vergleichende Bewertung von Innenräumen hinsichtlich des situationsbedingten R-Wertes, 10. Februar 2021
Marcel ALTENBURG, et. al: Schrittweise Rückkehr von Zuschauern und Gästen: ein integrierter Ansatz für Kultur und Sport, 21. Februar 2021
Studie des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts im Konzerthaus
Dortmund, Aerosol- und CO2-Messungen: Auszüge der Ergebnisse,
20. November 2020
- Quelle:
- Foyer5
- Landestheater Linz
- # 19 | Frühjahr 2021 - Stream a dream. Netzbühne-Online
- S. 10-11
PDF-Download
Artikelliste dieser Ausgabe