• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • November/Dezember 2009
  • S. 14

Romantisch und begeisterungsfähig

Julian Prégardien, Tenor

Text: Andreas Skipis

In: Magazin, November/Dezember 2009, Oper Frankfurt, S. 14 [Publikumszeitschrift]

»Meine Traumpartie war eigentlich immer Don Giovanni, der ist aber Bariton, und ich bin nun einmal Tenor«, sagt Julian Prégardien lachend. Die Mozartfigur spielte allerdings für den jungen Sänger in frühen Jahren eine wichtige Rolle, denn sie war mitverantwortlich für den Wunsch, einmal selbst auf der Opernbühne zu stehen. Als Sohn des weltberühmten Tenors Christoph Prégardien erlebte Julian von Kindesbeinen an Musik als etwas, das einfach zum alltäglichen Leben dazugehört. »Es gibt ein Video, auf dem ich als kleiner Junge im Kreise der Familie eine Szene aus Don Giovanni nachspiele – ich war natürlich Don Giovanni –, solche Späße waren für mich etwas ganz Selbstverständliches.« Julian Prégardien – Jahrgang 1984 – wurde in Frankfurt geboren, wuchs aber in Limburg auf. Mit sieben Jahren kam er zu den Limburger Domsingknaben und trat in den Folgejahren häufig als Erster Knabe in Mozarts Zauberflöte auf. Mit neun Jahren stand er in der Alten Oper unter Sylvain Cambreling zum ersten Mal mit einer kleinen Solistenpartie bei einem Konzert auf der Bühne. Als einige Jahre später jedoch während einer Probenphase an der Wiesbadener Oper buchstäblich über Nacht der Stimmbruch erfolgte, war erst einmal Schluss mit seinen künstlerischen Ambitionen. »Ich pubertierte ziemlich heftig, schloss mich einer Jungens-Clique an, spielte Basketball, und statt Mozart hörte ich Musik der Kultband Nirvana.« Damals hätte er sich auch vorstellen können, Medizin zu studieren. Doch mit 18 kehrte schließlich die alte Leidenschaft zurück. Er trat in den Limburger (Erwachsenen-)Domchor ein und verfolgte konsequent seine Gesangsausbildung. Noch während des Studiums erhielt er erste Engagements, vorwiegend auf dem Gebiet der Alten Musik – so wurde er etwa zu Produktionen unter René Jacobs eingeladen.

Die intensive Zusammenarbeit mit einem Regisseur, die Möglichkeit, gemeinsam den Facetten einer Figur bis auf den Grund nachzuspüren, empfindet er als ganz große Bereicherung. »Man macht da plötzlich Erfahrungen, spürt Regungen in sich, die einem eigentlich völlig fremd sind.« Das sei eine gute Schulung, um seine Mitmenschen besser zu verstehen.

Wie sieht er sich selbst als lyrischer Tenor? »Ein bisschen wie ein deutscher, romantischer Jüngling – schwärmerisch, etwas leidend, begeisterungsfähig.« Ja, die Figur des Tamino in Mozarts Zauberflöte sei in dieser Hinsicht gleichsam eine Art Prototyp – ihn zu singen sei natürlich ein Wunschtraum. Auch der empfindsamen Tonsprache Schuberts fühlt er sich verbunden: »Beim Liedsingen ist man Dirigent, Regisseur und Sänger in einer Person.« Mit seinem Klavierpartner Götz Payer gab er in Zürich und beim Festival Mecklenburg-Vorpommern bereits erste Liederabende. Doch Julian Prégardien möchte kein Spezialist sein, dafür fühlt er sich noch viel zu jung. Sehr gelegen kommt es ihm, dass er in Frankfurt während dieser Spielzeit hauptsächlich in Opern des 20. Jahrhunderts mitwirkt und so ein neues Repertoire kennenlernen kann.

Auf den großen Namen seines Vaters angesprochen, meint er: »Der Name öffnet mir vielleicht so manche Tür, aber wenn ich dann nicht die entsprechende Leistung erbringe, kann sich diese Tür auch wieder sehr schnell schließen.«


JULIAN PRÉGARDIEN singt 2009/10 als neues Ensemblemitglied der Oper Frankfurt Victorin in Korngolds Die tote Stadt, Lechmere in Brittens Owen Wingrave, Holofernes in de Almeidas La Giuditta und The Novice in Brittens Billy Budd. Bereits seine ersten Opernauftritte führten ihn an Häuser wie das Prinzregententheater München, das Theater an der Wien und mit Haydns L´infedelta delusa auf eine Europa-Tournee des Festival d´Aix-en-Provence bis hin nach Bilbao. Auch als Konzertsänger erregt der Tenor regelmäßig Aufmerksamkeit, diesen Sommer z. B. mit Bachs Magnificat unter René Jacobs bei den Innsbrucker Festwochen. Für 2010 ist eine CD-Einspielung der Matthäuspassion geplant.