Namenstag am Kaiserhof
Text: Josef Beheimb
In: Magazin, Lust - 2/2021, Styriarte, S. 8-9 [Publikumszeitschrift]
Im Wien des Jahres 1720 feierte Kaiserin Elisabeth Christine ihren Namenstag mit der Fuxoper „Psiche“ – Balsam für die Seele einer Herrscherin im Hofkorsett
Ein Zuckerschlecken war es wahrlich nicht, als Kaiserin im barocken
Wien Namenstag zu feiern. Während
jede Liesl aus bürgerlichem Stand den
Festtag der Hl. Elisabeth im trauten
Kreis der Familie begehen konnte,
stand er für die höchste Herrscherin
ganz im Zeichen der Repräsentation:
„Dienstag, den 19. November. Heut
war dahier Ihrer Majestät der Regierend-Römischen Kaiserin Namenstag mit prächtigster Haupt-Gala und
gewöhnlichen Glückwünschungen
begangen worden; und hatten sich
vormittags Ihre Majestäten in Dero
Kaiserliche Hof-Capellen erhoben und
daselbsten dem Gottes-Dienst abgewartet, sodann öffentlich gespeiset.
Nachdem aber einer Serenada beygewohnet, folglich des Abends zusammen gespeiset.“ So fasste die Wiener
Tageszeitung jener Epoche den Ablauf
des Tages zusammen.
Hofgalatag
Schon lange vor der Frühmesse musste sich Elisabeth Christine einer wahren Prozedur unterziehen: dem Ankleiden und Frisieren. Als römisch-deutsche Kaiserin und Königin von Ungarn und Böhmen musste sie natürlich in großer Robe erscheinen, in „prächtigster Haupt-Gala“. Hunderte von erlauchten Mündern wurden zum Handkuss zugelassen, vom venezianischen Botschafter über die kaiserlichen Geheimräte bis zu den „Cammerern, Cavalieren und Hofdamen“ – nur eine kleine Auswahl aus den Namenstag am Kaiserhof mehr als zweitausend Höflingen, die ihrer Herrscherin allesamt das Allerbeste wünschten. Auch beim Mittagsmahl keine Spur von Entspannung: Es wurde öffentlich getafelt – jeder der vielen Gänge ein Schauspiel vor den Augen des Hofes. Erst am Nachmittag ging es in die „Camera“, in jenen Teil der kaiserlichen Gemächer, wo nur noch der engere Kreis zugelassen war. Hier endlich wandten sich die Blicke von der Kaiserin ab und einer festlich beleuchteten Bühne zu. Für zwei Stunden durfte sich Elisabeth Christine fast unbeobachtet der geliebten Musik hingeben. „Una bellissima Serenata di Camera“, eine wunderschöne Kammerserenade wurde ihr zu Ehren aufgeführt: die „Psiche“ von Fux.
Serenata di Camera
Dabei handelte es sich keineswegs um eine intime Kammeroper, sondern um die kostbarste Form barocken Musiktheaters: ein Zweistundenstück, nur für diesen Abend gedichtet, komponiert, inszeniert und ausgestattet. Das Libretto des Hofdichters Apostolo Zeno, die hinreißende Musik des Johann Joseph Fux, die erlesenen Stimmen der Kastraten und Primadonnen, die Bühnenbilder von Galli-Bibbiena – sie alle waren nicht für das neugierige Wiener Publikum da, sondern nur für die Kaiserin. So kostbar war das Geschenk ihres Gatten, dass die Oper danach in der Versenkung verschwand – wie ein Diamantcollier, das man nur für einen Abend trug. „Psiche“ aber gefiel allen Anwesenden so gut, dass sie Kaiser Karl VI. zwei Jahre später noch einmal aufführen ließ, an seinem Geburtstag. „In Italien kann man solche Opern nicht hören, weil es dort keinen Zeno gibt“, sprach der Kaiser, um die edlen Verse seines Hofdichters zu preisen. Seine Gemahlin hätte entgegnen können: „In Italien gibt es auch keinen Fux.“
Ein zäher Steirer
Anno 1720 zählte der Steirer aus Hirtenfeld schon 60 Jahre und hatte doch
an Spannkraft und Einfallsreichtum
noch nicht nachgelassen. Wenn da
nur nicht die Gicht gewesen wäre, die
große Plage seines Alters. Sie hatte
verhindert, dass er die „Psiche“ zu
Ende komponieren konnte. Sein Stellvertreter Caldara musste einspringen
und die letzten Nummern vertonen –
ausgerechnet das große Lob der Kaiserin. Zwei Jahre später wetzte Fux
diese Scharte aus und komponierte
das Werk zu Ende. Auch für ihn war
der Namenstag der Kaiserin alljährlich ein Marathon: Morgens im Gottesdienst dirigierte er eine seiner
Messen, zu Mittag eine kaiserliche
Tafelmusik, nachmittags die Serenata
und zum Abendessen erlesene Notturni. Beim „Diner“ blieb die kaiserliche Familie unter sich, auch an jenem
19. November 1720. Zu reden gab es
wahrlich genug – über die schöne
Psyche und ihre Liebe zum Liebesgott
Amor.