Lust an hohen Tönen
Text: Josef Beheimb
In: Magazin, Lust - 2/2021, Styriarte, S. 28-29 [Publikumszeitschrift]
Countertenor – so nennt man heutzutage Sänger, die ihren gestandenen Bariton mittels stimmlicher Kunstgriffe in einen Alt oder Mezzosopran verwandeln können. Doch es geht noch höher hinauf – bis in die Spitzentöne des Soprans.
Ausgerechnet Julius Cäsar
hat sich Raffaele Pe für sein
Debüt-Album herausgesucht:
die schönsten Arien aus den größten Cäsar-Opern von Händel bis
zum Mozartzeitgenossen Francesco
Bianchi. Der verschlagene Cäsar, der
Machtmensch und Bezwinger der
Gallier, ein Mezzosopran? Den Spott
von Asterix und Obelix kann man
sich leicht ausmalen, aber für Raffaele
Pe ist das kein Widerspruch: „Gerade
Cäsar, der unbezwingbare Feldherr,
muss ein Alt sein. Barockgesang ist
für mich der Gesang der Helden, der
übermenschlichen Gestalten, aber mit
einer zutiefst menschlichen Seite.“
Cäsar aus der Lombardei
Seit er als Sängerknabe in der Kathedrale von Lodi aufwuchs, liebt Pe die hohen Töne. Nach dem Stimmbruch baute er seine Countertenor-Stimme konsequent bis ins Mezzo-Register aus. Diese hohe Lage klingt bei ihm so rund, voll und natürlich wie nur bei ganz wenigen Sängern. Konsequent praktiziert er besten italienischen Belcanto: das Tragen der Töne, das Sostenuto. Dabei ist die schöne Höhe nur ein Mittel, um den Figuren Tiefe zu verleihen. In Cäsars Arien offenbart er die Eitelkeit des Diktators über den dunklen Machenschaften, das Strahlende des Siegers über finsteren Plännen.
Er kam, sang und siegte
Das alles ist so perfekt gesungen, dass der Countertenor aus Lodi damit höchstes Lob erntet – auch für seine Cäsar-Konzerte und für seine Opernauftritte. „Er kam, sang und siegte“ – so darf man in Abwandlung eines Cäsar-Wortes sagen. Wie der Julier seinerzeit den Rubikon überschritt, so hat auch Raffaele Pe längst den Schritt ins moderne Medienreich der Töne getan: mit einer eigenen Musikstiftung, mit Online-Konzerten und Interviews in der RAI.
Nach Graz kam er vor zwei Jahren als eitler Apollo, der die arme Dafne in die Flucht treibt. Heuer kehrt er zurück, um den Liebesgott Amor zu singen – sicher nicht nur zur Freude der schönen Psyche.
Kleopatra aus Venezuela
Es war, als sei Händels Primadonna wieder auferstanden, um noch einmal ihre Glanzrolle als Kleopatra zu singen: 2017 verzauberte der junge Samuel Mariño aus Venezuela beim Wettbewerb „Neue Stimmen“ die Jury der Bertelsmann-Stiftung und das Publikum. Mit glockenreinem Sopran und federleichten Koloraturen stimmte er die Händel-Arie „Da tempeste“ an, einst in London von der großen Cuzzoni in der Rolle der Kleopatra gesungen. „Solche Spitzentöne – wie geht das?“ fragten sich die Kenner sofort.
Bei Samuel Mariño ist die Erklärung einfach: Sein Stimmbruch ist ausgeblieben, so dass er mit hoher Stimme spricht und singt. Letzteres tut er mit Vorliebe in der hohen Sopranlage – je höher, desto lieber. Da Barockkomponisten ihre Heldenpartien meist für Altkastraten komponiert haben, geht er lieber ins hohe Fach der Primadonnen, auch weil er dort seine weichen, schmelzenden Töne und die flinken Koloraturen besonders gut zur Geltung bringen kann.
Michael Hofstetter als Mentor
Es war der Dirigent Michael Hofstetter, der Mariños Begabung sofort erkannte. Er übernahm auch die Leitung beim Debüt-Album des jungen Sängers, „Care pupille“. Zuvor holten sich der Maestro und sein junger Star Rat bei der Gluck-Gesamtausgabe. Neben raren Händelarien wollten sie auch Raritäten aus den frühen italienischen Opern von Gluck aufnehmen. Die Ausgrabung hat sich gelohnt. Mariño in der Rolle der verzweifelten ägyptischen Prinzessin Berenice – das hat Kleopatra-Format und rührt sicher auch das styriarte-Publikum zu Tränen.
Fr, 25., Sa, 26. & Mo, 28. Juni,
18 & 20 Uhr
Schloss Eggenberg (Park & Hof)
Amor und Psyche
Fux: Psiche, K 313 (Barockoper)
Carlotta Colombo, Monica Piccinini,
Raffaele Pe, Helena Rasker &
Giacomo Nanni
Arnold Schoenberg Chor
Zefiro Barockorchester
Dirigent: Alfredo Bernardini
Inszenierung: Adrian Schvarzstein
Ausstattung: Lilli Hartmann
Vorspiel auf der Picknickwiese: Spafudla
Sa, 3. Juli, 18 & 20 Uhr
Helmut List Halle
Il Castrato
Händel: Ouvertüre zur Oper „Xerxes“,
Arien aus „Atalanta“, „Arminio“ &
Concerti grossi
Gluck: Sinfonia zu „Antigono“,
Arien aus „Antigono“ und „Il Tigrane“
Samuel Mariño, Sopran
styriarte Festspiel-Orchester
Dirigent: Michael Hofstetter