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- Styriarte
- Fux.Opernfest Vol. 1: Julo Ascanio, Re d’Alba | Juni 2018
- S. 14-23
Ad notam
Text: Karl Böhmer
In: Programmheft, Fux.Opernfest Vol. 1: Julo Ascanio, Re d’Alba | Juni 2018, Styriarte, S. 14-23 [Programmheft]
Johann Joseph Fux komponierte seine Serenata „Julo Ascanio, Re d’Alba“ zum Namenstag Kaiser Josephs I. Am 19. März 1708 wurde sie in der Wiener Hofburg aufgeführt, als Höhepunkt eines „Hofgalatags“ von typisch barockem Gepränge. Unser Fux.OPERNFEST holt den Glanz dieses Tages in die Gegenwart.
Zeitungsmeldung vom Kaiserhof
Im März 1708 konnten die Wiener in der Nummer 483 des „Wiennerischen Diariums“ folgende Meldung vom Josephstag am Kaiserhof lesen:
„Montag / den 19. Mertz. Heute / als auff dem Fest des H. Josephs / ist bey dem Kayserl. Hoff der Nahmens-Tag Ihrer Regierenden Kayserl. Majestät in kostbahrer Galla begangen / und die gewöhnliche Glückwünschungen abgelegt ... worden; selbigen Tag haben die gesamdte Regierende Kayserl. Majestäten / in prächtigster Begleitung derer Kayserl. Ministern und Cavallieren / zu Pferd / zu denen Closter-Frauen des Ordens derer Carmeliter-Barfüßerinnen / zu Sankt Joseph genandt / ... sich erhoben / und allda dem Vor- und Nachmittagigen Gottes-Dienst ... beygewohnet / auch das Mittagsmahl daselbsten eingenommen / sodann wieder in die Kayserl. Burg zuruck gekehret; alldorten des Abends allerhöchst besagter Kayserl. Majestät zu Ehren / Ihre Majestät / die regierende Kayserin / eine fürtreffliche Serenada, bey welcher alle Hohe Herrschafften ebenfalls / ausser Ihro verwittibten Kayserl. Majestät / erschienen / halten lassen.“
Dem Bericht ist zu entnehmen, dass Kaiserin Amalie Wilhelmine die Auftraggeberin der Serenata war. Dies war am Kaiserhof Brauch: Der Kaiser beschenkte seine Gemahlin mit je einer Serenata oder Oper zum Geburts- und Namenstag. Die Kaiserin revanchierte sich mit Opernaufträgen zu den beiden Galatagen ihres Mannes. Hinter der Handlung des „Julo Ascanio“ steht aber eindeutig der Machtanspruch Kaiser Josephs I. auf Italien.
Joseph, der Siegreiche
Seit seiner Thronbesteigung 1705 hatte sich Joseph als der „Siegreiche“ feiern lassen. „Della vita, e del regno di Josefo il vittorioso”, so nannte Gottfried Philipp von Spannagel seine Vita des jungen Kaisers. Konsequent dehnte Joseph seine kriegerischen Ambitionen auf Italien aus. Nach der Eroberung Mailands und Neapels spitzte sich Anfang 1708 der Konflikt mit Papst Clemens XI. aus der Familie Albani zu, da sich der Pontifex im Spanischen Erbfolgekrieg auf die Seite Frankreichs gestellt hatte. Zwei Monate nach der Aufführung der Fux-Serenata besetzten kaiserliche Truppen mehrere Ortschaften im nördlichen Kirchenstaat, vor allem die Hafenstadt Comacchio. Papst Clemens XI. blieb nichts anderes übrig, als dem Kaiser den Krieg zu erklären, den er natürlich verlor.
In diesem Zusammenhang war bereits die Serenata von Fux eine deutliche Warnung an den Albani-Papst. Der antike Ort der Handlung ist die Stadt Alba Longa am Lago di Albano. Dort residierte der Papst aus der Familie Albani im Sommerpalast von Castelgandolfo, nebenan in Albano hatten die Kardinäle ihre Villen. Nun drohte der Kaiser im fernen Wien damit, diese päpstliche Idylle zu zerstören. Die Fux-Serenata erinnerte schon im Titel daran, dass Julus Ascanius, der Sohn des Aeneas, der Gründer und erste Herrscher über Alba Longa war. Von dort aus hat er zu Beginn der Handlung seinen Feind Evandro besiegt, laut Partitur ein Prinz aus dem griechischen Arkadien, „der in Italien auf dem Berg Palatin Aufnahme gefunden hat“. Evandro steht also in der Handlung für das spätere Rom, Ascanio dagegen für Alba Longa. Im ersten Rezitativ sagt Teucro zu seinem Herrn sehr deutlich:
Heute fängt durch dich das schöne Reich von Alba an,
Und heute soll es endlich
Auf den Ruinen deiner Feinde
Die Auspizien seiner Größe begründen.
Deutlicher als mit dem Begriff „il bel Regno Albano“ hätte der junge Kaiser dem Albani-Papst nicht drohen können. Er erhob Anspruch auf Albano und damit auf Rom selbst, und zwar im vollen Bewusstsein des Habsburgers, der sich als später Nachfahre des Julus Ascanius verstand. Konsequent propagierten die Habsburger den Sohn des Aeneas als den mythischen Stammvater ihres Hauses. Hinter dem siegreichen Ascanius verbirgt sich also niemand anderer als „Josefo il vittorioso“ selbst. Julo und Josefo sind identisch. Deshalb preist Teucro seinen Herrn in der ersten Arie zum Glanz der Trompete mit folgenden Worten:
Schon fliegt von Ufer zu Ufer
Der helle Ruf deines Arms und Deines Herzens.
Und die Fama, die ihn verkündet,
Hält dich schon für größer
Als deinen großen Vater.
„Es liegt auf der Hand, Ascanio mit Joseph und Enea mit dessen Vater Leopold I. zu identifizieren.“ So hat es schon 2004 Herbert Seifert formuliert. Unter dieser Voraussetzung wird die gesamte Handlung erzählt. Auch der Name der weiblichen Hauptfigur Emilia ist kein Zufall: Der Kaiser wusste im März 1708 bereits, dass sich die militärischen Aktionen im Kirchenstaat an der Via Emilia abspielen würden, der alten Römerstraße zwischen Rimini und Bologna.
Die Gattung „Serenata“
Der konkret politische Bezug ist typisch für die Form der „Serenata“, die zwischen 1680 und 1730 zur bedeutendsten Gattung höfischer Repräsentation im Musiktheater aufstieg. Für einen einzigen höfischen Galaabend wurde zu Ehren des regierenden Fürsten oder seiner Ehefrau eine Kurzoper gedichtet, komponiert und inszeniert, kürzer und kompakter als die ausufernden Opern zum Karneval. In der Serenata ging es letztlich nur um ein geschicktes Herrscherlob, das an einer antiken oder allegorischen Geschichte festgemacht wurde. Dennoch war fast jede Serenata inszeniert. Es gab meistens ein Einheitsbühnenbild, oft mit Wolken-Maschinen und ähnlichen Effekten. Es gab Kostüme und szenisches Agieren, die Sänger sangen auswendig wie in der Oper. Das Bühnenbild war dem Anlass entsprechend besonders prächtig und das Orchester besonders reichhaltig besetzt.
Alle großen Komponisten der Zeit haben Serenate komponiert: Scarlatti, Vivaldi, Händel und Hasse auf Italienisch, Bach und Telemann auf Deutsch. Am Wiener Hof war Fux der Spezialist für Serenate. Von seinen wenigen dreiaktigen Opern abgesehen, fallen praktisch alle seine Opernwerke in diese Kategorie, wobei sich die Bezeichnungen in den Quellen oft widersprechen. Der Textdichter Pietro Antonio Bernardoni hat seine knappe Geschichte über Julo Ascanio als „Poemetto drammatico“ bezeichnet, als „kleines dramatisches Gedicht“. Auf dem Rücktitel der Wiener Partitur von 1708 steht „Servizio di camera“, was lediglich bedeutet, dass die Aufführung in den Privatgemächern des Kaisers stattfand und nicht an einem öffentlichen Ort.
Ort und Bühnenbild der Uraufführung
In welchem Saal der Hofburg „Julo Ascanio“ aufgeführt wurde, ist nicht bekannt. Nur einen Monat nach der Fux-Serenata weihte der Kaiser das neu eingerichtete Hoftheater zwischen Hofbibliothek und Reitschule ein, also an der Stelle des heutigen großen Redoutensaals. Dies geschah am 21.4.1708, dem Geburtstag seiner Gemahlin, mit einer Serenata von Bononcini („Il natale di Giunone“). Da der Namenstag des Kaisers in die Fastenzeit fiel, wäre eine solche Vorstellung im Theater nicht in Frage gekommen. Wohl aber war eine halbszenische Aufführung auf einer ephemeren Bühne in einem Saal der Hofburg möglich.
Da das Libretto zum „Julo Ascanio“ nicht erhalten ist, wissen wir nichts über das Bühnenbild und wer es gestaltet hat. Da aber der Bologneser Antonio Beduzzi seit 1707 der neue Theaterarchitekt des Kaisers war, da er für mindestens eine spätere Serenata von Fux das Bühnenbild entworfen hat („Gli ossequi della notte“) und da er gerade 1708 mit dem Neubau der Hofoper beschäftigt war, kann nur er der Bühnenbildner des „Julo Ascanio“ gewesen sein. Unter Beduzzis Bühnenbildentwürfen in der Mährischen Galerie findet sich ein Szenenbild zu einer unbekannten Oper oder Serenata, das gut zum „Julo Ascanio“ passen würde. Es zeigt einen antiken Triumphbogen, der zugleich eine dreischiffige Säulen halle mit nach vorne abknickenden Seitenrisaliten ist. Im Mittelrisalit über dem eigentlichen Triumphbogen sieht man eine Sitzstatue des Kaisers umgeben von vier Allegorien unter einem Baldachin, bekrönt von der geflügelten Fama oder Nike. Rechts ist eine Wolke mit Sternen zu sehen, wohl die Andeutung der einzigen Verwandlung, die im Stück vorgesehen war: für die abschließende Licenza mit Apotheose des Kaisers.
Die Sänger der Uraufführung
Der unbestrittene Star der Uraufführung war der Altkastrat Gaetano Orsini, den Johann Joachim Quantz zu den größten Sängern der Epoche rechnete: „Gaetano Orsini war einer der größten Sänger, die jemals gelebt haben. Er hatte eine schöne, egale und rührende Contraltstimme, von einem nicht geringen Umfange; eine reine Intonation, schönen Trillo, und ungemein reizenden Vortrag. Im Allegro artikulirte er die Passagien, besonders die Triolen, mit der Brust sehr schön, und im Adagio wußte er, auf eine meisterhafte Art, das Schmeichelnde und Rührende so anzuwenden, daß er sich dadurch der Herzen seiner Zuhörer im höchsten Grade bemeisterte. Seine Action war leidlich, und seine Figur hatte nichts Widriges. Er ist lange Zeit in kaiserlichen Diensten gewesen, und hat, bis in ein hohes Alter, seine Stimme gut erhalten.“ Bei der Uraufführung des „Julo Ascanio“ war Orsini bereits 40 Jahre alt, was aber seinen Gesang in keiner Weise beeinträchtigte.
Bereits 50 Jahre zählte der Bassist Raineri Borrini, der Sänger des besiegten Königs Evandro, den man sich also nicht als jugendlichen Herrscher vorstellen muss. Umso zauberhafter müssen die beiden Protagonistinnen der Oper gewirkt haben: „Die Hofsängerinnen Anna Maria Badia und Cunigunde Suterin waren die ersten Frauen der Wiener Oper seit ca. 60 Jahren.“ So hat der große Opernforscher Reinhard Strohm die besondere Bedeutung dieser beiden Sängerinnen zusammengefasst, nachdem Wien für mehr als ein halbes Jahrhundert auf Primadonnen hatte verzichten müssen. Daraus erklärt sich auch das besondere Gewicht ihrer Partien im „Julo Ascanio“. Obwohl der Tenor Silvio Garghetti nur die Rolle des Beraters Teucro zu singen hatte, schrieb ihm Fux zwei besonders schöne Arien auf den Leib. Der Schwiegersohn des Hofkapellmeisters Ziani sollte sich in den Folgejahren zu einer Stütze der Wiener Hofoper entwickeln. Nach seinem Tod 1729 bescheinigte ihm Fux nachträglich: „was vir virtuose Dienst“ er „sonderlich in Teatro etlich dreysig jahr praestiret habe, ist dem ganzen Kay. Hof zu genügen bekandt“.
Das Orchester
Was die Partitur des „Julo Ascanio“ grundsätzlich von den abendfüllenden Wiener Opern jener Epoche unterscheidet, ist ihr Reichtum an obligaten Instrumenten. Alle Protagonisten haben im Orchester ihre Gesprächspartner: Ascanio die beiden Gamben in seiner ersten Arie und die Solo-Violine in seiner letzten, Emilia die Streicher in ihrer zweiten sowie in ihrer dritten Arie, ein paar Fagotte in ihrer letzten Arie, Carmenta die Chalumeaux in ihrer letzten Arie und Teucro die Trompete gleich am Anfang. Vergleicht man diesen Reichtum an Orchesterfarben mit der Karnevalsoper des Jahres 1708 in Wien („Mario fuggitivo“ von Bononcini), so erscheint deren Klang geradezu stereotyp. Fux dagegen schuf einen farbenreichen, orchestralen Klangraum um jede seiner Figuren.
Inhalt und Musik
Die Serenata beginnt mit dem Triumphzug des Siegers. Darauf deuten die militärischen Klänge der Ouvertüre hin: In der langsamen Einleitung spielen Oboen und Violinen ein typisches Fanfarenmotiv, das die übrigen Stimmen imitieren. In der Allegro-Fuge folgen jubelnde Läufe, danach ein pathetisches Adagio, schließlich ein jubilierendes Presto. Damit ist der Boden für den Einzug des Siegers bereitet. Teucro preist den jungen Helden in der ersten Arie im Glanz der Trompete. Erst danach offenbart Ascanio seine Empfindungen für Emilia: Er hat sich in die gefangene Schwester seines besiegten Feindes verliebt und ist nun selbst Amors Gefangener. Zwei Sologamben malen in eng umschlungenen Linien in d-Moll aus, wie sich Amor in sein Herz geschlichen hat und ihn nun in Ketten führt. Im folgenden Dialog beschließt Ascanio, den geschlagenen Feinden gegenüber Milde zu zeigen. In triumphalem D-Dur singt er seine zweite Arie: Sich selbst zu besiegen, ist der größte Sieg!
Szenenwechsel: Das Verlies der Besiegten. Emilia schmachtet alleine im Gefängnis. Zwar hat sie gerade erfahren, dass Ascanio ihre Mutter, ihren Bruder und sie selbst begnadigen möchte. Doch sie wünscht sich ihre Fesseln zurück, da sie sich vor ihrer Liebe zu Ascanio fürchtet. Ihr großes Lamento besteht aus zwei Arien und einem Rezitativ. Erst wird ihre Klage von einem Solo-Cello in h-Moll begleitet, dann wendet sie sich im Rezitativ vorwurfsvoll an den (nicht anwesenden) Ascanio. Schließlich singt sie ein großes Siciliano in c-Moll zur Begleitung des Streichorchesters: Trotz der glücklichen Wendung der Ereignisse fühlt sie sich noch unglücklicher als zuvor. Ihre Mutter Carmenta tritt auf. Sie hat genug von den ewigen Klagen der Tochter, denn sie sieht einen Schimmer der Hoffnung am Horizont. Freudiges G-Dur und beschwingte Fiorituren des Cellos prägen ihre Arie. Emilia aber bleibt unversöhnlich: Sie kann dem Sieger die Demütigung und das Blutvergießen nicht verzeihen: Sie will Rache. Im Prestissimo singt sie zum wutschnaubenden Tremolo der Streicher: „Sì, vendetta io voglio far“. Doch im Mittelteil offenbart sie ihren Schmerz und ihre unterdrückte Liebe zu Ascanio.
Nach Emilias Abgang tritt ihr Bruder Evandro auf, der besiegte Fürst vom Palatin. Er fragt seine Mutter, welchem Gott er den plötzlichen Sinneswandel des Ascanio zu verdanken habe, denn der Sieger habe ihm nicht nur die Freiheit, sondern auch die Herrschaft über seine Stadt versprochen. Wieder begleitet ein Solo cello den Gesang Evandros, der an sein neues Glück noch nicht recht glauben kann. Seine Mutter klärt ihn auf: Natürlich ist es Amor, der Ascanio umgestimmt hat. Der Sieger seufzt für Emilia, doch sie widersetzt sich. Mutter und Bruder beschließen, die Widerspenstige zu zähmen und mit Amors Hilfe auch den Hochzeitsgott Hymen (Imeneo) günstig zu stimmen. In einer fröhlichen Menuett-Arie in A-Dur erinnert sich Carmenta daran, wie eben noch die Blitze über ihrem Haupt einschlugen. Nun aber seien die dunklen Wolken verflogen. Evandro singt eine kämpferische g-Moll-Arie über den Streit zwischen Krieg und Liebe: „Was Mars mir raubte, gibt mir Amor heut zurück!“
Szenenwechsel. Im Palast des Siegers: Ungeduldig erwartet Ascanio seinen Vertrauten Teucro, der ihm die dankbaren Reaktionen Evandros schildert. Der Vertraute rät Ascanio, nun offen seine Liebe zu Emilia zu gestehen, denn sie nähere sich dem Palast. In seiner a-Moll-Arie wendet er sich direkt an die schönen Damen des Wiener Hofs: „Wer die Gefühle eines verliebten Königs missachtet, hat kein Herz in der Brust oder ein Herz von Stein.“ Wer weiß, welcher neuen Favoritin des Kaisers diese Botschaft zugedacht war? Die Melodie des Cellos und des Tenors ist eine der schönsten der Oper.
Ascanio und Emilia treffen aufeinander. Er versucht, sie milde zu stimmen, doch sie hält ihm das vergossene Blut ihrer Landsleute vor. Mithilfe zweier Solofagotte malt sie deutlich aus, wie sehr sie ihn verabscheut („T’aborrisco“). Heimlich zu sich selbst aber sagt sie immer wieder: „Ah, non è vero“ („Ach, es ist nicht wahr!“). Entsprechend werden die rasend schnellen Läufe der Fagotte immer wieder durch ruhige Einwürfe der Streicher „ausgebremst“. Ascanio versucht sich zu rechtfertigen und stimmt eine Klagearie im Rhythmus einer Sarabande an, begleitet von Solo-Violine und Streichern: „Io svenai, lo sò, più vite“: „Ich habe viele Leben hingeschlachtet, ich weiß es, doch grausam war ich nicht, Schöne. Ich habe es der Ehre wegen getan!“ Zwischen die erste und die zweite Strophe dieser schmachtenden e-Moll-Arie hat Fux ein Presto eingefügt, eine Art Konzertallegro für virtuose Solo-Violine und Streicher von 40 Takten. Der Sänger setzt hier aus! Ob Fux damit auf das Abschlachten der Bewohner von Albano anspielte oder auf den inneren Konflikt Emilias?
Nach der Arie des Ascanio bleibt Emilia noch immer in Zweifeln zurück. Gerade rechtzeitig treten ihr Bruder und ihre Mutter auf, die ein Machtwort sprechen. Am Ende reicht Emilia zögernd dem Sieger ihre Hand. Das folgende Duett wird von Ascanio und Evandro gesungen, also von Altist und Bassist zusammen – in der Barockoper normalerweise ein Unding, hier aber eine Notwendigkeit: Bruder und Geliebter versuchen mit vereinten Kräften, Emilia davon zu überzeugen, dass ihrer Hand auch das Herz folgen müsse. In der Mitte des Duetts antwortet sie, bleibt aber reserviert: „Mein Herz geht, wohin es die Pflicht führt!“
Die Mutter Carmenta versucht, die Tochter dadurch aufzuheitern, dass sie ihr die lange Reihe an Helden aufzählt, die sie einstmals zur Welt bringen werde. In ihrer Arie prophezeit sie Emilia, dass sich ihre Söhne als milde Sieger auszeichnen werden: „Die Hochmütigen zu besiegen und den Besiegten zu vergeben, wird die einzigartige Leistung deiner Söhne sein!“ Damit spielt Carmenta auf die „Clemenza“ der römischen Kaiser an, die Milde der Herrscher aus der julisch-claudischen Dynastie. Über Julius Cäsar beriefen sich Augustus und seine Nachkommen auf Julus Ascanius als ihren Stammvater. Fux hat diese Arie besonders raffiniert instrumentiert und schon im Orchestervorspiel ständig zwischen Allegro und Adagio abgewechselt, zwischen dem Triumph der Sieger in den Streichern und der Milde im Klang der Chalumeaux. Ascanio bemerkt, dass jene Prophezeiung von den siegreichen, aber milden Helden schon seinem Vater Aeneas gemacht worden sei. Carmenta schreibt die Geschichte der römischen Kaiser nun weiter bis zum Geschlecht der Habsburger, bis zu „Joseph an den Ufern der Donau“. Ihre letzte Arie ist die „Licenza“ der Serenata, das Loblied auf den Herrscher. Fux hat sie mit einem Cembalosolo begonnen, das er bei der Uraufführung sicher selbst gespielt hat. Darauf folgt Carmentas Arie, die sich zum Schlusschor weitet, alles im Tanzrhythmus einer Bourée.
Zur Rahmenhandlung im Garten
Der Prolog im Garten zeigt den kaiserlichen Hofkapellmeister Johann Joseph Fux in Nöten. Erst möchte eine Geliebte des Kaisers bei der Oper mitsingen, wofür ihre Majestät eigens eine Arie komponiert hat. Dann tauchen Hirtenmusikanten aus Hirtenfeld auf, die dem großen Sohn ihres Ortes ein Ständchen bringen möchten und dem Kaiser gleich mit dazu. Fux vertröstet beide Parteien auf das Fest nach der Oper. Er erklärt, worum es sich dabei handelt: um eine „Wirtschaft“, also um ein höfisches Fest in Gestalt einer ländlichen Vergnügung mit Bauernmahlzeit und Bauernmusik. Am Wiener Kaiserhof schätzte man dergleichen Verkleidungen im Stil des „einfachen Volkes“ außerordentlich. Dies können die Besucherinnen und Besucher beim Maria-Theresia-Fest der styriarte demnächst noch genauer erfahren.
Im Epilog taucht unweigerlich das G’spusi des Kaisers wieder auf,
doch muss die Dame bald feststellen, dass sich die Primadonna der
Oper die kaiserliche Arie unter den Nagel gerissen hat. Während
die erlauchten Gäste die „Wirtschaft“ genießen, platzieren sich
Musiker und Sängerin am Teich, um die Aria aus der Feder Josephs I.
vorzutragen.
- Quelle:
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