• Alles bleibt anders
  • Deutsche Oper am Rhein
  • Rückschaujournal März 2020 - Mai 2021
  • S. 18-21

Auf zu neuen Ufern!

Die Junge Oper am Rhein belebt die Schulhöfe - und erobert den digitalen Raum

Text: Heili Schwarz-Schütte

In: Alles bleibt anders, Rückschaujournal März 2020 - Mai 2021, Deutsche Oper am Rhein, S. 18-21 [Publikumszeitschrift]

Was für die „große“ Oper zählt, gilt auch für die Junge Oper am Rhein: Gerade in Zeiten, in denen so viele unserer Gewissheiten über den Haufen geworfen und Routinen durcheinandergewirbelt werden, lohnt es sich, zu neuen Ufern aufzubrechen. Wenn das junge Publikum nicht in die Oper kommen kann, dann heißt es eben, den Kompass neu auszurichten, das Musiktheater einzupacken und dorthin zu gehen, wo die Kinder und Jugendlichen sind: Zuhause! Auf ins Digitale, rein ins Abenteuer. Denn im digitalen Raum ist das möglich, was im abständigen Jetzt nicht ging: einander zu begegnen, miteinander zu musizieren und zu singen. Sich im Kreis anderer junger Menschen auf die Suche machen nach einer Geschichte, nach Musik, nach einem Ton… Die Junge Oper hat daher während beider Lockdowns eine Vielzahl von Projekten entwickelt, die Kinder und Jugendliche im digitalen Raum ansprechen. Zwei von diesen Projekten seien hier schlaglichtartig vorgestellt.

Völlig von der Rolle

Mit dem Kurzfilm „Völlig von der Rolle“ ging es los: In den Osterferien 2020 bündelten die „Opernmacher 2.0“ alle Kräfte, um einen gewitzten Opernfilm auszutüfteln. Es sollte die Geschichte der beiden Freunde Carolin und Horst erzählt werden, die gemeinsam mit ihrem Hund Waldo-Ayla Klopapier kaufen wollten. Und das war alles andere als einfach.

Um diese Geschichte zum Leben zu erwecken, war Teamarbeit gefragt: Über 70 Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 12 Jahren, darunter eine Klasse der Deutschen Schule in der venezolanischen Hauptstadt Caracas sowie viele Kinder aus Düsseldorf, Duisburg und Umgebung, dachten sich in verschiedenen digitalen Werkstätten die einzelnen Puzzleteile dieses modernen Märchens aus. Unter der Leitung von Sascha Pranschke verwandelte sich der Hund zwischenzeitlich im Libretto-Workshop zu einem Hamster, in der Kompositionswerkstatt von David Graham wurde überlegt, wie eine Topfpflanze klingt und dann Musik für einen Kinderchor geschrieben. In der Kreativwerkstatt von Elisa Kuzio entstanden eine Menge fröhlicher Zeichnungen, die dem Film später seine fantasievolle und lustige Ästhetik verliehen.

Im nächsten Schritt hieß es nun, alle Puzzleteile zu einem Opernfilm zusammenfügen: Mit Elan ging das Einsingen der Chorpartie via Zoom voran, wobei im Zusammenklang transatlantische Grenzen überwunden wurden; von Caracas nach Düsseldorf und wieder zurück reiste die Musik. Dann wurden Bild- und Tonspur zusammengeschnitten und der Pate der Jungen Oper, der Schauspieler Malte Arkona lieh dem Film seine Erzählerstimme. Natürlich durfte in diesen Zeiten auch die Online-Premiere des Films nicht fehlen und so trafen sich alle Mitwirkenden und ihre Freund*innen via Zoom, um die Abenteuer von Carolin, Horst und Waldo-Ayla zu verfolgen.

Die kreative Pause

Nach den Sommerferien, umgeben von neuen Routinen und irgendwo zwischen Familienalltag und Homeschooling, entwickelten die Junge Oper am Rhein und die Vermittlungsabteilung des Balletts gemeinsam ein neues Projekt, die „Kreative Pause“.

Ein mobiles Team, bestehend aus einer Sängerin, einem Orchestermusiker und einer Tänzerin, besuchte verschiedene Grund- und Förderschulen in Düsseldorf und Duisburg und lud die Kinder in ihren Pausen ein, mitzutanzen: Zu der Musik des Komponisten Thierry Tidrow ging es auch hier auf Entdeckungsreise, und zwar mit einem kleinen Ton im Gepäck, der etwas schüchtern ist und sich nur mithilfe des jungen Publikums zu klingen traut: Er hüpft von Finger zu Finger, von Hand zu Hand, von Arm zu Arm. Er wird stetig größer und kleiner, lauter und leiser. Nur fallen lassen darf man ihn nicht, sonst zerplatzt er wie eine Seifenblase.

Unter dem Namen „Kreative Pause für Zuhause“ wurde die Performance nach Beginn des zweiten Lockdowns für einen ca. 25-minütigen Livestream adaptiert, um ein wenig Schwung ins Homeschooling zu bringen. Eine dritte Wandlung durch - lief das Projekt unter dem Titel „Kreative Pause #foryou“, die sich – ebenfalls als digitales Angebot – an Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen richtet.

Diese Projekte zeigen, dass in der Welt des Musiktheaters glücklicherweise eigene Gesetze gelten und so lange genügend Wagemut an Bord ist, es forschen Schrittes vorangehen kann, wenn es darum geht, dem Zauber des Musiktheaters zu folgen. Denn gleichviel welche Bühne die Junge Oper nun bespielt – ob das Opernhaus, ein Klassenzimmer oder den Laptop zu Hause –es geht immer darum, mit den Kindern und Jugendlichen im Austausch zu bleiben und zu schauen, was man im Zusammenspiel mit allen Anderen aus den glanzvoll-andersartigen Welten der Oper schöpfen kann. //