Editorial Bernd Loebe
Die Oper Frankfurt erfreut sich regen Zuspruchs
Text: Bernd Loebe
In: Magazin, März/April 2020, Oper Frankfurt, S. 5 [Publikumszeitschrift]
Die Oper Frankfurt erfreut sich regen Zuspruchs –
bei ihrem Stammpublikum, bei Vertreter*innen der Medien und bei Kolleg*innen. Sie erleben Vorstellungen auf höchstem künstlerischen Niveau, die Ergebnis eines komplexen Entstehungsprozesses sind, der alle Beteiligten oft an ihre Grenzen bringt. Der Spruch »Augen auf bei der Berufswahl«, den alle, die für die Kunst arbeiten, oft zu hören bekommen, formuliert die Erwartungshaltung, dass man am Theater hinnehmen müsse, rundum verfügbar zu sein, sonn- wie feiertags zu arbeiten, gewisse Toleranzen bei Überstunden an den Tag zu legen, intensive Probenarbeiten zu leisten und vieles mehr. Gelten für die Arbeit am Theater besondere Maßstäbe?
Es gibt bereits viele Bestrebungen, das Arbeitsumfeld am Musiktheater zu verbessern: Ein Verhaltenskodex wurde erarbeitet und gibt Richtlinien vor. Reglementierungen bei den Arbeitszeiten sollen verhindern, dass Kolleg*innen über Gebühr strapaziert werden. Das Besondere am Theater ist und bleibt dabei stets, die richtige Mitte zwischen dem Schutz der Mitarbeiter*innen und der sogenannten »Freiheit der Kunst« zu finden – diese Suche ist gegenwärtig Thema von Gesprächen und Verhandlungen. Wo ist die Kunst frei, um vielleicht neue Maßstäbe setzen und um Außerordentliches produzieren zu können? Wie kreativ kann ein Produktionsteam sein, wenn es zu viele Absprachen gibt und einer manchmal wichtigen Spontaneität, Flexibilität, einem Neugewichten Grenzen auferlegt werden? Lauert die Gefahr, dass unsere Theater mehr verwaltet werden als ein Nährboden von einmaligen künstlerischen Vorgängen zu sein, ohne die das hohe Niveau nicht denkbar wäre?
Der Fachkräftemangel macht sich auch an den Opernhäusern bemerkbar. Bei der letzten deutschsprachigen Opernkonferenz wurde festgestellt, dass nahezu in allen großen Häusern viele Fachberufe in den Werkstätten – Kolleg*innen für die Abteilungen Maske, Kostüm etc. – nur noch schwerlich anzuwerben sind und es nicht eindeutig ist, woran dies liegt. Schlechte Arbeitsbedingungen? Schlechte Bezahlung? Desinteresse junger Menschen an einem Theaterberuf? In Frankfurt sind die steigenden Wohn- und Mietkosten sowie das Gagenniveau eine zusätzliche Herausforderung im Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte.
Als Geschäftsführer und Opernintendant muss ich in dieser schwierigen Gemengelage ein bestimmtes Einnahmesoll erreichen, um den Spielplan zu ermöglichen, die Personalstruktur zu erhalten und gemäß neuer Anforderungen auszuweiten und nicht zuletzt auch ein verlässlicher Partner für die Verantwortlichen der Stadt Frankfurt zu sein.
Unsere tagtäglichen Berührungen im Konflikt zwischen der Freiheit der Kunst und genau geregelten und strukturierten Arbeitsabläufen, zwischen attraktiven Konditionen für Fachkräfte und einer finanziell gesicherten Basis für das ganze Haus sind also komplex. Von all dem sollen Sie, verehrtes Publikum, bei Ihrem Aufenthalt in unserem Haus nichts bemerken und, wenn der Vorhang hochgeht, in eine ganz andere Welt eintauchen, von Alltagslasten befreit werden, Denkanstöße erhalten, die dem Opernbesuch nicht nur emotionales, sondern auch intellektuelles Gewicht geben.
Wir, die Theaterpraktiker*innen, sowie das Publikum und die Stadtpolitik müssen aber im Konsens vereint sein, dass wir die Oper auch in Zukunft auf hohem Niveau brauchen, als hochemotionales Korrektiv, ohne das unser Leben arm wäre. Am besten machen Sie das deutlich, indem Sie oft in die Oper gehen!
Ihr Bernd Loebe