- Pimpinone / Herzog Blaubarts Burg
- Staatstheater Nürnberg
- Lustiges Zwischenspiel von Georg Philipp Telemann / Oper von Béla Bartók, Saison 2020/21 (Auszug)
- S. 19-21
Barockes Zwischenspiel
Text: Wiebke Hetmanek
In: Pimpinone / Herzog Blaubarts Burg, Lustiges Zwischenspiel von Georg Philipp Telemann / Oper von Béla Bartók, Saison 2020/21 (Auszug), Staatstheater Nürnberg, S. 19-21 [Programmheft]
Es wirkt heute doch etwas befremdlich: Da guckt man sich eine zu Herzen gehende Tragödie an und unverhofft tauchen zwischendurch immer wieder komische Szenen auf, die mit der staatstragenden Haupthandlung gar nichts zu tun haben. Klingt absurd, war aber im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts gängige Opernpraxis – auch in Hamburg, wo Georg Philipp Telemann 1725 seinen „Pimpinone“ zwischen den Akten von Georg Friedrich Händels „Tamerlano“ einschob und zur Uraufführung brachte.
Gänsemarktoper
Die Hamburger Oper am Gänsemarkt, eröffnet 1678, war die erste Bürgeroper im deutschsprachigen Raum. Viele namhafte Komponisten hatten hier bereits Station gemacht, Reinhard Keiser etwa, Johann Matheson, Johann Adolph Hasse und Georg Friedrich Händel. 1722 übernahm Georg Philipp Telemann die Leitung der Gänsemarktoper. Wie seine Vorgänger musste auch er den Spagat zwischen Kunstanspruch und Publikumsgeschmack leisten, schließlich war der Fortbestand des Unternehmens von einem zahlenden Publikum abhängig. Einen nicht unerheblichen Beitrag zur Finanzierung der Bürgeroper lieferten festliche Großveranstaltungen, bei denen die Oper zu repräsentativen Zwecken genutzt wurde. In der Hansestadt wimmelte es von internationalen Kaufleuten und Diplomaten, Politik wurde auch in der Oper gemacht: Die Uraufführung von „Pimpinone“ war im Rahmen einer Festaufführung anlässlich der Hochzeit von Ludwig XV. geplant.
Italienische Vorbilder
Der Internationalität des Publikums entsprach das Repertoire der Hamburger Oper: Einflüsse aus dem italienischen oder französischen Musiktheater vermischten sich hier selbstverständlich mit deutscher Musiktradition. Das Libretto von „Pimpinone“ wurde ursprünglich von Pietro Pariati für Tomaso Albinoni verfasst. Telemann und sein Hausdichter Johann Philipp Praetorius bearbeiteten es für die Hamburger Aufführung, in dem sie die Rezitative ins Deutsche übersetzten, aber die gesungenen Texte im italienischen Original beließen. Lediglich zwei Duette wurden gegen Arien ausgetauscht – und blieben in ihrer ursprünglichen Sprache Deutsch. Mehrsprachige Opernaufführungen waren in Hamburg nichts Ungewöhnliches.
Die Idee des Intermezzos, des komischen Zwischenspiels in einer ernsten Oper, hatte sich Telemann aus Italien abgeguckt. Ende des 17. Jahrhunderts bürgerte sich dort ein, dass jeweils zum Ende eines Aktes ein komisches Paar auftrat und sich eine lustige Szene lieferte. Die Figuren waren aus dem Personal der Oper gegriffen, zwei Diener etwa, und die komischen Szenen zumindest pro forma an die Haupthandlung angelehnt. Doch allmählich erfreuten sich diese Buffoszenen immer größerer Beliebtheit beim Publikum und verselbständigten sich zunehmend: Die Handlungen hatten bald nichts mehr mit der eigentlichen Haupthandlung zu tun, und die Sänger*innen wurden immer öfter extra für diese Einlage besetzt. Bevorzugt griff man dabei übrigens auf Bässe zurück; denn die hatten in der sopranlastigen Opera seria wenig zu tun. Schließlich wurden die komischen Szenen ganz aus der Opera seria gelöst und als eigenständige Stücke, als Intermezzi, zwischen die Akte der Hauptoper geschoben.
Besetzungstechnisch ging es anfangs eher bescheiden zu: Selten gab es für Zwischenspiele mehr als zwei oder drei Sänger*innen. Das Orchester bestand oftmals nur aus Streichern, und da war es abhängig von der Größe des Hauses, ob diese einfach besetzt waren oder ob ein ganzes Kammerorchester vor der Bühne saß. Die Handlungen waren nicht besonders abwechslungsreich, sondern folgten zumeist einem bewährten Muster aus der Commedia dell’arte: Alter Hagestolz verguckt sich in eine junge Frau, der es um sozialen Aufstieg geht und die die blinde Selbstverliebtheit des Alten nutzt, um per Heirat an sein Geld zu kommen.
Pim-Pim-Pimpinina
Die Oper reiht sich also ein in die Reihe der typischen Intermezzi des 18. Jahrhunderts. Dass „Pimpinone“ – neben dem anderen berühmten Beispiel, Pergolesis „La serva padrona“ – zu den wenigen Zwischenspielen gehört, die sich bis heute im Repertoire halten konnten, liegt nicht zuletzt an Telemanns abwechslungsreicher und witziger Vertonung. An der Schwelle zwischen Barock und Vorklassik bereitet Telemann den Boden für die Opera buffa, die komische Oper, in Deutschland und damit nicht zuletzt auch für das deutsche Singspiel.
Obwohl es nur zwei Protagonist*innen gibt, überrascht Telemanns Musik immer wieder mit neuen Wendungen und buffonesken Elementen: Pimpinones Fassungslosigkeit spiegelt sich wider in dem unregelmäßigen, von Pausen durchsetzten Gestammel seiner Arie „Wie sie mich verwirren kann“, gefolgt wenig später von dem freudigen Geplapper über seine „Pim-Pim-Pimpinina“. Vespetta, doppelzüngig, überzeugt mit einer Parodie auf die Opera seria, wenn sie schluchzend und mollgetrübt befürchtet, im Haushalt versagt zu haben. Und nach Pimpinones Wutarie über tratschende Frauen, die der Sänger im Falsett parodieren muss, kulminiert der Konflikt in einem herrlichen, temporeichen Streitduett: Überhaupt waren es vor allem die Duette, die die neuartige komische Oper ausmachten, und die später – man denke etwa an die Opern von Wolfgang Amadeus Mozart – in die Ensembles münden, die in ihrer Beweglichkeit und gleichzeitigen Komplexität den Kern der Opera buffa in sich fassen werden. Die Anfänge dazu findet man bei Telemann.
Zweifellos, die Musik hat bis heute nichts an Lebendigkeit eingebüßt. In der Inszenierung von Ilaria Lanzino ist zudem bewiesen, dass auch der jahrhundertealte Komödienstoff noch heute eine Relevanz besitzen kann.
- Quelle:
- Pimpinone / Herzog Blaubarts Burg
- Staatstheater Nürnberg
- Lustiges Zwischenspiel von Georg Philipp Telemann / Oper von Béla Bartók, Saison 2020/21 (Auszug)
- S. 19-21
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