• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • Januar / Februar 2023
  • S. 34-35

Oper Frankfurt, the place to be

Erik van Heyningen, Bariton

Text: Konrad Kuhn

In: Magazin, Januar / Februar 2023, Oper Frankfurt, S. 34-35 [Publikumszeitschrift]

Es gibt Opernhäuser, an denen man sich entwickeln kann; und es gibt Häuser, an denen man als Künstler schon relativ »fertig« sein muss, wenn man nicht untergehen will. An einem Theater wie der Wiener Staatsoper sei der Druck einfach riesengroß. So beschreibt es der US-amerikanische Bariton Erik van Heyningen; und er weiß, wovon er spricht: Nach der Ausbildung in Boston sowie an der New Yorker Juilliard School und ersten Engagements u.a. an der Michigan Opera, der Pacific Opera, in St. Louis und Santa Fe wurde er eingeladen, in das neu gegründete Opernstudio der Wiener Staatsoper zu kommen. Und stand gleich als erstes in Hans Werner Henzes Oper Das verratene Meer mit ihrer vertrackt schwer zu lernenden Zwölftonmusik auf der Bühne. Und das unter der musikalischen Leitung der stets fordernden Simone Young (mit der ihn inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis verbindet). Eine Feuerprobe, die er bestand – ebenso wie andere Aufgaben, die er in den zwei Jahren in Wien übernahm: etwa den Donner im Rheingold sowie kleinere Partien in Benjamin Brittens Peter Grimes, Richard Wagners Parsifal, Giuseppe Verdis La traviata und Claudio Monteverdis L’incoronazione di Poppea.

Es sei eine wertvolle Erfahrung, mit den großen Sängern auf der Bühne zu stehen. Zum Beispiel mit Bryn Terfel: »Als ich ihn einmal in der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles gehört habe, entstand mein Wunsch, Sänger zu werden.« An der Wiener Staatsoper begegnete er ihm wieder. Aber als junger Kollege braucht man eben auch einen Raum, um selbst mit der Zeit groß zu werden; was sich auf diese Formel bringen lässt: »stability and opportunity«, also Stabilität und Möglichkeiten. Einen Raum, der beides bietet, schafft Bernd Loebe immer wieder für die jungen Talente, die er nach Frankfurt holt. Und das weiß man auch an der Juilliard School; abgesehen davon, dass Erik mit befreundeten Sängerkollegen wie Michael Porter und Anthony Robin Schneider im Kontakt stand, die schon länger zum Ensemble der Oper Frankfurt gehören: »Alle jungen amerikanischen Sänger*innen wollen nach Frankfurt; if you are looking for an artistic home, this is the place to be!«

Entweder – oder

Die Mentalitätsunterschiede zwischen Deutschland und Österreich seien schon wahrnehmbar, sagt er. Aber in der Mainmetropole ist er schnell heimisch geworden. Eine Wohnung hat er unweit des Goetheturms gefunden. Viel Grün in der Nähe, das ist wichtig; denn Erik teilt das Leben mit Hund Max, und der braucht viel Auslauf! Geselligkeit muss sein: Kochen, eigenes Brot backen und Leute einladen ist ein regelmäßiges Bedürfnis. Genauso wichtig ist es ihm aber auch, sich zeitweise ganz zurückzuziehen: »Mittelmaß gibt es bei mir nicht; entweder – oder!«

Grundsätzlich fühlt er sich in Europa zu Hause. Vielleicht auch, weil die Vorfahren seines Vaters Holländer waren. Das einzige, was er ein wenig vermisst: »Christmas on the Beach« – im kalifornischen San Diego, wo er lange gelebt hat, eine liebgewonnene Tradition. In der Jugend hat er sich für den Jazz interessiert, hat Kontrabass gelernt und in verschiedenen Bands gespielt. Sein Lehrer folgte der Maxime: Man kann nichts spielen, was man nicht auch singen kann. So entdeckte er die Freude am Singen; und, dass er eine Stimme hat. Das war bei seinen ersten Auftritten in Frankfurt als Cesare Angelotti (Tosca) und Sprecher (Die Zauberflöte) bereits deutlich zu hören.

Kein Mysterium Über das Singen sagt der Bariton: »Eine Stimme ist kein Mysterium – oder sollte es zumindest nicht sein. Eine große Rolle spielt es, wenn man weiß, wie man richtig übt.« Ebenso wichtig wie die Gesangstechnik ist ihm der Text. Und wenn dann noch das Theater hinzukommt, fühlt er sich am wohlsten: »Ich habe nie Angst gehabt vor der Bühne. Vielleicht bin ich auch deshalb ein guter Einspringer!« Was nicht bei allen Sänger*innen der Fall ist. Dabei lässt sich der junge Sänger auch nicht von großen Partien abschrecken; so sprang er an der Wiener Staatsoper in einer von unserem designierten Generalmusikdirektor Thomas Guggeis dirigierten Salome-Vorstellung als Jochanaan ein; eine Rolle, die er zuvor allerdings schon beim Spoleto Festival gesungen hatte.

Zu den Aufgaben in Frankfurt gehören in dieser Spielzeit Guido in Saverio Mercadantes Oper Francesca da Rimini, nach seinem Auftritt bei den Tiroler Festspielen in Erl, sowie Masetto in Mozarts Don Giovanni. Obwohl Erik van Heyningen eine Neigung zum deutschen Fach hat – der Amerikaner mit den holländischen Wurzeln spricht sehr gut Deutsch –, möchte er das italienische Fach nicht vernachlässigen. Wir freuen uns darauf, die weitere Entwicklung des vielversprechenden jungen Sängers zu verfolgen!