Unterwegs ins Glück!
Text: Katharina John
In: Foyer5, #26 | Jänner-März 2023, Landestheater Linz, S. 30-31 [Publikumszeitschrift]
Es ist ein begehrtes, umworbenes Gut und doch gebärdet es sich oft wie eine launische Geliebte oder ein kapriziöser Galan. Alle sind wir ihm auf der Spur und kaum meinen wir, es erhascht zu haben, entzieht es sich wieder mit schallendem Gelächter. Dann sitzt es plötzlich neben einem wie ein alter Freund, als wäre nichts gewesen, bestellt einen Drink nach dem nächsten und schaut nicht auf die Zeit. Tricks und Tipps seiner habhaft zu werden, gibt es viele. Die Rede ist vom Glück. Die Ratgeberliteratur hat es mittlerweile umzingelt, die Glücksökonomie boomt, kein Rezept bleibt unerprobt.
Die zeitgenössischen Karikaturen zeigen Jacques Offenbach, den Jungen aus Köln-Deutz und Mozart der Champs Élysées als spindeldürres, hochaufgeschossenes Männchen mit großem Kopf; freundlich blickend, immer in Bewegung, mit tausend Dingen gleichzeitig beschäftigt, ein Getriebener. Sein reiches Künstlerleben im opernprallen Paris des 19. Jahrhunderts hatte er zunächst dem Cello, dann der Bühne gewidmet. Sein Glück fand er in der leichten Muse. Ohne seine Buffo-Opern und kleinen Einakter, die er für seine eigene Bühne, die Bouffes-Parisiens komponierte, wäre die Wiener Operette nicht möglich gewesen, hätte es die englische Savoy Opera Gilberts & Sullivans und das amerikanische Musical nie gegeben. Doch auch der so Erfolgsverwöhnte verfolgte eine unerfüllte Sehnsucht. „Etwas Höheres“, ein bleibendes Werk der Opernliteratur wollte er hinterlassen und verfehlte mit dem posthumen Erfolg von Hoffmanns Erzählungen, die er nicht mehr abschließen konnte, sein großes Glück um Haaresbreite.
Offenbachs satirisches Musiktheater, in dem er sich frech und leichtfüßig über Staat, Militär, Finanzwelt und Kirche lustig machte, ist noch immer quicklebendig. Ein Format, das leider kaum noch den Raum für Aufführungen findet, sind seine über 50 kurzen, einaktigen Mini-Operetten. Unterwegs soll diese Lücke schließen.
Eine Glückssuche so einfach wie überraschend, so alltäglich wie absurd ist es, die Regisseur Gregor Horres zum verbindenden Element seiner mobilen Produktion gemacht hat, indem er zwei dieser Operettenminiaturen, Die elektromagnetische Gesangsstunde und Nr. 66 zu einem leichtfüßigen Theaterschmankerl verbindet: Drei Menschen mit unterschiedlichen Biografien und Tragödien, auf unterschiedlichen (Lebens)Wegen treffen bei einer Rast zufällig aufeinander. Der findige Toccato verkauft Schnick-Schnack und vor allem Träume. François wartet vergeblich auf eine Bekannte und lässt sich von Toccato zu einem Experiment mit seiner Stimme überreden. Suzon, verlassen und versetzt, weiß gerade auch nicht, wie es weiter geht. Die Musik und ein Glaserl Wein bringen sie einander näher. Ein vermeintlicher Lottogewinn nährt Fantasien auf ein besseres Leben in der Zukunft. Drei Biografien verbinden sich für einen kurzen Moment zu einem turbulent-hoffnungsvollen Knoten, explodieren in Zukunftslust und trennen sich wieder. Und das Glück? Wo drei sich ... gefunden haben, gesellt es sich gerne dazu.
Seit einigen Spielzeiten verlässt das Linzer Landestheater lustvoll die angestammten Räumlichkeiten und bespielt oberösterreichische Theater und Gaststätten. Unterwegs wird im Restaurant Das Anton im Linzer Musiktheater in Kombination mit einem Menü serviert. Das Essen ist (exklusive Getränke) im Ticketpreis inkludiert. Tickets erhalten Sie im Webshop oder beim Kartenservice des Landestheaters Linz.
UNTERWEGS
OPERETTE IN EINEM AKT VON JACQUES OFFENBACH NACH DER OPÉRETTE „NUMMER 66“ UND DER BOUFFONNERIE-MUSICALE „DIE ELEKTROMAGNETISCHE GESANGSSTUNDE"
Libretti von Philippe Auguste Pittaud Deforges, Laurencin und Ernest Bourget
Neue Textfassung für das Landestheater Linz von Gregor Horres
Neuorchestrierung von Jean-Baptiste Marchand, Fabio Buccafusco, Giorgio Musolesi, Christiaan Willemse
Studierende und Ehemalige der Kompositionsklasse von Johannes Maria Staud an der Universität Mozarteum
In deutscher Sprache
Eine Produktion des Oberösterreichischen Opernstudios
Voraufführung 8. Februar 2023
Premiere 19. Februar 2023
Aufführungsort: Restaurant Das Anton im Musiktheater
Musikalische Supervision Eunjung Lee Inszenierung Gregor Horres Bühne und Kostüme Bianca Sarah Stummer Dramaturgie Katharina John
Mit Tina Josephine Jaeger (Suzon), Conor Prendiville (François), Navid Taheri (Pacifico Toccato), Roland Kramer (Kontrabass), Manuela Kloibmüller (Akkordeon), Manfred Grillnberger (Klarinette)
Raffinierte musiktheatralische Canapés waren die mittlerweile selten gespielten Operetteneinakter eines gewissen Jacques Offenbach. Nicht die Qualität seiner leichtfüßigen Miniaturen, sondern die mangelnden Aufführungsorte und -gelegenheiten für dieses Format ließen seine legendären Einakter beinahe in Vergessenheit geraten. Regisseur Gregor Horres kombiniert zwei dieser Mini-Operetten Offenbachs, Nummer 66 und Die elektromagnetische Gesangsstunde, zu einer skurril-absurden menschlichen Jagd nach dem Glück. Ob mit Hilfe einer Lotterie oder über den Erwerb außergewöhnlicher Fähigkeiten wie dem Operngesang, Rezepte gibt es genug, um Fortuna auf seine Seite zu ziehen. Und wie verhält sich das Glück dazu? Es macht sowieso, was es will.
Weitere Vorstellungen: 1. März, 30. Mai, 22. und 28. Juni 2023
- Quelle:
- Foyer5
- Landestheater Linz
- #26 | Jänner-März 2023
- S. 30-31
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