Alles eine Frage der Vorstellungskraft
Text: Martin Schönbauer
In: Foyer5, #26 | Jänner-März 2023, Landestheater Linz, S. 35-37 [Publikumszeitschrift]
Können Sie sich noch an Ihren Schwimmunterricht erinnern? Sind das schöne Erinnerungen? Wenn ja, dann gehören Sie zu den wenigen Glücklichen. Eine nicht repräsentative Umfrage hat nämlich ergeben, dass der Schwimmunterricht generell kein Quell schöner Erinnerungen ist. Als jemand, der den „Freischwimmer“ gerade mal so geschafft hat, kann ich dem vollumfänglich zustimmen. Schwimmunterricht und Spaß sind für mich ein Gegensatzpaar (aber da schreibt auch einer, der in den 90ern schwimmen lernen musste).
So ähnlich geht es auch der kleinen Wanda. Die Gründe für ihren Verdruss sind schwerwiegend: Die Kinder in ihrem Kurs machen sich über sie und ihre Körperfülle lustig. Das Bilderbuch Wanda Walfisch erzählt die Geschichte eines Mädchens, das sich seiner selbst erst bewusst werden muss, um damit die Umwelt zum Positiven beeinflussen zu können. Dieses Bilderbuch ist auch die Grundlage für die gleichnamige Kinderoper, die Anna Wenzel zusammengestellt hat und die vom Landestheater Linz erstmalig in Österreich aufgeführt wird.
Diese Oper für Jung und Alt zeigt uns, dass sich viele Probleme mit einer Prise Fantasie lösen lassen. Und damit ist eigentlich auch die Arbeit in einem Theater auf den Punkt gebracht. Für jede Produktion braucht es Menschen mit einer gehörigen Portion Fantasie, die Welten erschaffen und Geschichten erzählen können. Aber wie erschafft man Welten? Wie entstehen Bühnenbilder, Kostüme und Masken? Elisabeth Pedross hat sich beispielsweise für das Bühnenbild etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Hallenbäder sind ja im Allgemeinen nicht sonderlich lauschige Plätzchen. Es hallt von allen Ecken, es riecht immer unangenehm nach Chlor und irgendwie ist ständig alles nass und feucht – na klar, sonst wäre es kein Schwimmbad. Da wir aber die BlackBox im Landestheater nicht unter Wasser setzen können (da würde der Intendant sehr mit uns schimpfen), musste man sich eben überlegen, was man anstelle eines Wasserbeckens verwenden kann. Und da kam Elisabeth die Idee: ein Bällebad! Denn jeder mag Bällebäder. Da haben alle Spaß – auch die Erwachsenen (allein das Funkeln in den Augen des Dramaturgen hätte man sehen müssen, als er von der Idee hörte). Damit ist natürlich noch nicht alles fertig. Da muss geplant und überlegt werden, wie es aussehen muss und so weiter und so fort. Dazu kommt noch, dass wir sehr nachhaltig arbeiten müssen, um die Ressourcen zu schonen. Doch auch hier hatten Elisabeth und der Regisseur Gregor Horres einen Geistesblitz, indem sie Teilen des Bühnenbilds von Parsifal aus der letzten Saison ein neues Leben geben. Das passt dann noch besonders gut, weil nämlich die Produktion Melusina in einem Pool spielt, und da braucht man für Wanda Walfisch kaum mehr große Veränderungen am Bühnenbild vorzunehmen. Manche würden jetzt sagen, dass das nur praktikables Denken ist, aber um aus quasi einem Bühnenbild drei Produktionen zu machen, braucht es schon eine Menge an Fantasie.
Mit Ressourcen schonend umzugehen und nachhaltig zu arbeiten, braucht Innovationsgeist. Sie entsprechend zu gestalten, braucht Vorstellungskraft. Die Kostüm- und Maskenbildnerin Mariangela Mazzeo hat von beidem unglaublich viel. Wandas Badeanzug wird beispielsweise gänzlich aus recycelten Jeans bestehen (nicht unbedingt zum Schwimmen geeignet, aber unser Wasser besteht ja auch nur aus Bällen). Die Masken, die Mariangela gestaltet hat, sind aus Karton und sehen wunderschön aus – sie ist eine wahre Künstlerin mit diesem Material. Der Weg von ihren Skizzen hin zur Maske ist erstaunlich. Und weil das so toll ist, kam Chiara Calcagnini, unsere Musiktheatervermittlerin, auf die Idee, das FOYER 5 nicht nur als Magazin zu sehen, sondern als Bastelheft zu verwenden. So kommt es, dass dieses FOYER5 dazu einlädt, auseinandergenommen zu werden. Die Schablone für die Hasenmaske, die auf dieser Doppelseite zu sehen ist, hat Mariangela gezeichnet, damit Sie und Ihre Kinder sich auf den Besuch dieser poetischen Kinderoper vorbereiten können und – wenn sie wollen – sind alle Kinder bei der Vorstellung eingeladen, die eigenen Masken mitzunehmen!
WANDA WALFISCH
KINDEROPER VON ANNA WENZEL | 5+
Übersetzung von Claudia Steiner und Bearbeitung von Anna Wenzel nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Davide Calì und Sonja Bougaeva | Eine Produktion des Oberösterreichischen Opernstudios
Österreichische Erstaufführung: 22. Jänner 2023 | BlackBox Musiktheater
Inszenierung Gregor Horres Bühne Elisabeth Pedross Kostüme Mariangela Mazzeo Dramaturgie Martin Schönbauer
Mit Hanyi Jang (Betty), Maxim Jurik (Arthur), Sophie Kidwell (Wanda) und Changhyun Yun (Schwimmlehrer) Musiker:innen: Elisabeth Tomani, Mathias Roller, Thomas Adam
Wanda mag den Schwimmunterricht nicht, weil die Kinder dort sie verspotten. Ihr Schwimmlehrer weiß allerdings, dass weder die Kinder noch ihr Körper das Problem sind – es ist ihre Einstellung zu sich selbst. Mit etwas Fantasie, rät er, lassen sich all ihre Probleme lösen. So beginnt Wandas Reise zu einem selbstbewussten Mädchen, das die anderen Kinder noch in Staunen versetzen wird.
Vormittagsvorstellungen | 11.00 Uhr 25. Jänner, 1., 2., 9., 10., 16. Februar 2023
Nachmittagsvorstellungen | 15.00 Uhr 22., 28., 29. Jänner, 5., 19., 25., 26. Februar 2023 Weitere Termine auf landestheater-linz.at
Workshop für Kinder: 20. Jänner 2023, 15.30 – 17.00 Uhr Preis: € 5,00 | Anmeldung unter calcagnini@landestheater-linz.at
- Quelle:
- Foyer5
- Landestheater Linz
- #26 | Jänner-März 2023
- S. 35-37
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