Die Zielstrebige
Magdalena Anna Hofmann: Seit die Sopranistin das Fach gewechselt hat, braucht sie sich um Engagements keine Sorgen zu machen
Text: Stephan Burianek
In: Orpheus, Sep/Okt 2016 (Auszug), MuP Verlag, S. 96-98 [Magazin]
Mancher Triumph wirkt lange nach. Wie jener von Magdalena Anna Hofmann vor zwei Jahren, als sie am Opernhaus von Lyon in einer Produktion von Richard Wagners »Der fliegende Holländer« ihr Debüt als Senta gab. Àlex Ollé inszenierte damals im Namen der bildgewaltigen Künstlerkompanie La Fura dels Baus, das Regiekonzept war dementsprechend außergewöhnlich. »Die Bühne war voll mit Luftpölstern und Sand, das war körperlich wahnsinnig anstrengend. Außerdem ist die Senta ja auch stimmlich keine leichte Partie«, so Hofmann heute über den Druck vor der Premiere. Schon mehrmals hatte sie in Lyon gesungen und wollte das Haus, das ihr eine derart prominente Rolle geschenkt hatte, nicht enttäuschen.
Aus heutiger Sicht war Hofmann für die Lyoner eine sichere Bank, denn sie gilt als Vollblutkünstlerin, die im Spiel auf der Bühne gerne an ihre Grenzen geht. Außerdem ist ihre Stimme kräftig, ideal für Wagner also, und verfügt über ein warmes, goldenes Timbre. »Wenn ich auf der Bühne stehe, dann vergesse ich mich selbst. Trotzdem ist es mir wichtig, dass stets ein Teil von mir in die Verkörperung der Figuren einfließt, so böse diese auch sein mögen.«
Seit ihren Erfolgen in Lyon, wo sie zudem unter anderem die Frau in Schönbergs »Erwartung« und die Mutter in Dallapiccolas »Il prigioniero« gesungen hatte, muss sich Hofmann um Engagements keine großen Sorgen mehr machen. Das war freilich nicht immer so. »Früher habe ich mir gewünscht, in einem festen Ensemble unterzukommen, um mir in gesicherter Position ein Repertoire aufbauen zu können. Dazu kam es aber nicht.«
Früher, das war quasi in einem anderen Leben, denn da war Hofmann noch ein Mezzosopran. Bis sie mit Angela Denoke für die Wiener Festwochen an Bergs »Wozzeck« probte. Denoke war die Marie, Hofmann die Margret. »Du bist doch ein Sopran!« rief Denoke, nahm sie an die Hand und führte sie in einen Proberaum. »Da hat es dann Klick gemacht.« – Das war vor sechs Jahren.
Wunschrolle in Minden
Wir sprechen mit der Sopranistin zu einem Zeitpunkt, als sie gerade in Minden probt. Minden? Wagnerianern braucht man die Kleinstadt nahe Hannover nicht vorstellen, anderen Opernfans vielleicht schon: Seit sich dort nämlich eine engagierte Rechtsanwältin in den Kopf gesetzt hat, in dem charmanten Stadttheater die Opern von Richard Wagner aufzuführen, findet an ebendiesem Ort alljährlich ein kleines aber feines Wagner-Festival statt. Ob als Erweiterung zu Bayreuth (wie am Grünen Hügel hisst man in Minden die Wagner-Fahne) oder gar als Alternative (Besucher schwärmen von der hohen Qualität) – das muss jeder Wagnerfan selbst entscheiden.
In Minden wird Hofmann erstmals die Sieglinde (»Die Walküre«) singen. »Es ist schier unglaublich, welchen Aufwand man hier betreibt, um diese Wagner-Spiele möglich zu machen«, schwärmt uns Hofmann am Telefon vor. »Das Niveau ist wirklich sehr hoch, man hat Wagner an führenden Häusern definitiv schon schlechter gehört.« Das klingt nach einem idealen Ort für ein Debüt. Die Rahmenbedingungen sind freilich sehr speziell: »Es ist ein kleines Theater, in dem man im Normalfall nie Wagner spielen würde. Das Orchester befindet sich hinter der Szene auf der Bühne, was anfangs gewöhnungsbedürftig ist, da der Kontakt zum Dirigenten ausschließlich über Monitore möglich ist. Andererseits erlaubt das ein viel intimeres und detaillierteres Spiel als an meisten anderen Häusern. Man kann bei der Dynamik viel mehr zurückgehen. Bei Wagner hat man als Sänger ja sonst immer das Gefühl, man müsse noch mehr geben und noch lauter sein. In Minden ist das anders, dadurch ergeben sich ganz andere Klangfarben.«
Bei der Frage nach ihren Hobbys erwähnt Hofmann eher nebenbei, dass sie erst vor vier Monaten Mutter eines Sohnes geworden ist. Wir sind baff. Und der Schlaf? Ja, der komme aktuell zu kurz, aber da müsse man halt durch. Spätestens jetzt ist klar, dass ihr der Erfolg nicht zugeflogen ist, sondern vielmehr als Ergebnis ihrer disziplinierten Zielstrebigkeit zu werten ist.
Eine Kundry des 21. Jahrhunderts
Was wird die berufliche Zukunft bringen? Schwer zu sagen, aber in jedem Fall neue Rollen. Derzeit studiert Hofmann die Titelrolle von Leoš Janáčeks »Kát’a Kabanová« ein. Auf Verdacht, weil ihr diese Rolle gut liegen müsste und zudem sehnsüchtig, weil sie diese so gerne auf der Bühne interpretieren würde. Wie auch die Jenufa, ebenfalls von Janáček, eine großartige Rolle wäre, oder diverse Partien in den Opern von Richard Strauss. Mozart wäre außerdem gut für die Stimmhygiene. »Es gibt noch so viel, was ich singen möchte, bevor ich mich an eine Isolde oder eine Färberin herantraue.«
Einige spannende Projekte sind freilich schon fixiert. In Kopenhagen wird Hofmann erneut die Senta singen, was übrigens ihr drittes Senta-Engagement in diesem Jahr nach Essen und Bonn ist. Ein Highlight wird bestimmt auch die Uraufführung des neuen »Parsifals« von Bernhard Lang bei den Wiener Festwochen im kommenden Jahr, bei der Hofmann die Kundry singen wird. Vor der Arbeit mit dem als schwierig geltenden Jonathan Meese, einer Art Enfant terrible aus der Performanceszene, hat sie keine Angst. Im Gegenteil: »Ich habe ihn bereits getroffen und als sehr angenehmen, kooperativen Menschen kennengerlernt. Und sollte die Produktion an manchen Stellen anecken, dann wäre mir das sogar sehr Recht. Ich mache gerne Unkonventionelles.«
Hat sie Wunschhäuser? Klar. München etwa, oder die Pariser Oper. Und wenn ihr die Wiener Staatsoper eine Rolle anböte, dann würde für die Wahlwienerin ein Traum in Erfüllung gehen. Wir wünschen ihr, dass Direktor Dominique Meyer den »Orpheus« liest.