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  • Landestheater Linz
  • #27 | April-Juni 2023, Gemeinsam feiern!
  • S. 4-9

10 Jahre Musiktheater

„Unglaublich, dass es schon wieder zehn Jahre her ist, oder?“

Interview: Thomas Königstorfer

In: Foyer5, #27 | April-Juni 2023, Gemeinsam feiern!, Landestheater Linz, S. 4-9 [Publikumszeitschrift]

Im April 2006 hat eine international besetzte Architekten-Jury eine weitreichende Entscheidung getroffen: Unter dem Vorsitz des Vorarlberger Architekten Karl Baumschlager hat sie sich mit 10:1 Stimmen für das „Theater am Park“ von Terry Pawson entschieden. Der britische Architekt erarbeitete in weiterer Folge das Design und die Entwurfsplanung des heutigen Musiktheaters und gab ihm sein unverwechselbares Aussehen. 2022 wurde Terry Pawson 65 Jahre alt, hat mittlerweile sein Architekturbüro in London geschlossen und lebt mit seiner Frau in Málaga in Spanien.

Thomas Königstorfer hat sich, aus Anlass des 10. Geburtstages des Musiktheaters, mit dem Architekten per Video zu einem Gespräch getroffen.


Terry, Sie haben ein Buch zusammengestellt mit all Ihren Arbeiten von 1976 bis 2022. Das Musiktheater nimmt darin einen prominenten Stellenwert ein. Was hat dieses Projekt für Sie bedeutet?

Architektur ist immer ein langsamer und komplexer Prozess, die meisten Projekte brauchen Jahre, bis eine Idee zu Plänen gedeiht, politische Entscheidungen getroffen und technische Herausforderungen gemeistert werden, und am Ende tatsächlich ein Gebäude errichtet wird. Viele Vorhaben werden nie realisiert. Das Musiktheater war und ist da eine glückliche und lobenswerte Ausnahme. Ich kann dem Land und der Stadt nur gratulieren, dass man das Projekt letztlich nach den jahrzehntelangen Diskussionen durchgezogen hat. In vielen anderen Ländern und Städten hatte die Politik nicht solch langen Atem wie in Oberösterreich – nicht einmal in London.

Im Rückblick der zehn Jahre seit der Eröffnung: Was zeichnet aus der Sicht des Architekten das Projekt am Volksgarten aus?

Unglaublich, dass es schon wieder zehn Jahre her ist, oder? Es kommt mir viel kürzer vor! Die wahrscheinlich stärkste Idee meines Entwurfs war damals, das Theater von der Eisenbahn weg an den Volksgarten heranzurücken und die Blumauerstraße hinter das Theater zu verlegen. Das war in der Ausschreibung eigentlich gar nicht vorgesehen, ich war vielleicht sogar der einzige, der eine solche Idee gewagt hat. Die Frontansicht aus dem Park finde ich auch heute immer noch überzeugend. Zweitens glaube ich, dass uns die interne Organisation des Theaterbetriebs sehr gut gelungen ist, die Lichthöfe mit den Künstlerräumen, die verbindende „Straße“ dazwischen. Und drittens war der Design-Prozess vorbildhaft … der Austausch des Architekten-Teams mit den Menschen am Theater, um vom Siegesprojekt im Wettbewerb ausgehend gemeinsam eine für den Nutzer geeignete Planung zu entwickeln. Wir haben uns in den Jahren von 2006 bis 2009 so viele andere Theater und Konzerthäuser in Europa angesehen und letztlich 2013 so etwas wie ein „Best-Of“ eröffnet. Auch nach einem gewonnenen Wettbewerb ist die gemeinsame Diskussion zwischen Architekt und Bauherr etwas, das zu einem besseren Endergebnis führt.

Übrigens bin ich kürzlich auf einen Artikel im Internet gestoßen, in dem behauptet wurde, ich sei mit der Steinfassade des Musiktheaters nicht zufrieden. Während der Entwicklung des Entwurfs standen die vertikale Betonung der Fassade und ihr Material im Mittelpunkt vieler Diskussionen. Anfangs sahen wir Stahl als das richtige Material an, weil es auf die Bedeutung des Materials in der jüngeren Geschichte von Linz verweist, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich mit dem Wechsel zu Stein zufrieden war, und ich finde, dass das Gebäude neben dem Volksgarten sehr angenehm und natürlich aussieht.

Wie sehr verfolgen Sie das Geschehen in „Ihrem“ Musiktheater?

Mehr als Sie vielleicht denken! Ich werde hier in Málaga fast täglich an Linz erinnert. Hier ist in den letzten Jahren aus der baulichen Hülle eines alten Kinos ein neues Theater entstanden, das „Teatro del Soho“. Antonio Banderas steht als Schauspieler, Regisseur, Produzent und Präsident hinter diesem Haus – und es hat sich ebenso wie Linz als Musiktheater, unter anderem insbesondere mit Musicals, einen Namen in ganz Spanien gemacht. Und so schaue ich auch immer wieder einmal nach, was in Linz gespielt wird.

Konnten Sie Erfahrungen aus Oberösterreich in spätere Projekte mitnehmen?

Absolut. Das London Symphony Orchestra, eines der Top-5-Orchester der Welt, hat mich 2015 als Teil des Teams für das Projekt eines neuen Konzerthauses in London engagiert. Ich war federführend für die architektonischen Aspekte bei der Suche nach dem neuen Standort. Unsere strikte Vorgabe war, einen Standort in der Londoner Innenstadt zu finden. Wir hatten damals ziemlich schnell mit sehr komplexen Themenstellungen zu tun, bei deren Bewältigung mir sowohl die städtebaulichen Erfahrungen aus Linz wie auch mein Wissen über die Anforderungen des Bruckner Orchesters an den Proben- und Konzertbetrieb sehr geholfen haben. Nach langer Suche hat sich das LSO für das Gelände des damaligen Museum Of London entschieden, es gab begeisterte Unterstützung dafür, ein Architekturwettbewerb wurde ausgelobt, ein Budget von 288 Mio. Pfund in Aussicht gestellt, Sir Simon Rattle konnte als Chefdirigent für das LSO gewonnen werden. Bedauerlicherweise wurde das Projekt jedoch aufgrund der jüngsten erheblichen Veränderungen des Finanzklimas in Großbritannien gestrichen.

Noch eine architekturtheoretische Frage: Sehen Sie die Architektur in einer Phase der Veränderung, die etwa durch das Thema Home Office forciert wird? Also mehr Arbeitsplatz zu Hause, dafür weniger Office Space in Bürotürmen?

Tatsächlich habe ich letzte Woche einen Kunden in London besucht, in dessen Büroräumen 95 von 100 Computerarbeitsplätzen an dem Tag, an dem ich dort war, leer waren. Aber ich glaube nicht, dass dieser Effekt von Dauer sein wird. Die Menschen sehnen sich nach Gesprächen, nach dem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Im Vereinigten Königreich gab es 2020 mit COVID-19 so etwas wie eine Flucht aus der Stadt aufs Land. Dieser Trend kehrt sich gerade um. Vielleicht wird es einige langfristige Veränderungen geben, die von der Pandemie übrig bleiben, aber ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen die Vorteile der täglichen Interaktion sowohl in ihrem Alltag als auch bei der gemeinsamen Arbeit in einem gemeinsamen Raum erkennen wird.

Sie leben mit Ihrer Frau Gilly nunmehr in Spanien. Haben Sie sich zur Ruhe gesetzt?

(Lacht) Nein! Aber ich habe mein Leben durchaus neu geordnet, nachdem auch ein schwerer Fahrradunfall meine Perspektiven etwas verändert hat. Wenn ich heute architektonisch arbeite, fokussiere ich mich auf die Design-Phase. Die ersten Schritte zu einem neuen Gebäude, das Entwickeln von Konzepten, das ist die kreative Arbeit, die mir Spaß macht und die ich – glaube ich – gut kann. Die Umsetzung des Gebäudes vor Ort erfordert ein großes, engagiertes Team, das über mehrere Jahre hinweg arbeitet, daher bin ich froh, klein zu bleiben und die gesamte Infrastruktur, die dies erfordert, zu vermeiden. So halte ich meine Augen immer noch offen, wo es faszinierende neue Projekte geben könnte.

Gibt es so etwas wie ein Wunschprojekt, das Sie gerne als Architekt in Angriff nehmen möchten?

Von meinem Fenster aus blicke ich auf einen großen Platz in Málaga, wo ein Gebäude abgerissen wurde, um eine freie Fläche für ein neues öffentliches Gebäude zu schaffen, in dem ein neuer Konzertsaal für das Orchester Málaga Filarmónica entstehen soll. Nun wurde festgestellt, dass sich unter dem abgerissenen Gebäude bedeutende archäologische Funde aus der Zeit der Römer und Phönizier befinden. Diese archäologischen Funde haben das Projekt verzögert. Es würde mir großen Spaß machen, ein neues Aufführungsgebäude für diesen Konzertsaal zu entwerfen – sicherlich mit all den Erfahrungen und Kenntnissen, die ich in Oberösterreich mit dem Bruckner Orchester gesammelt habe.
 



Thomas Königstorfer ist Geschäftsführer der Musiktheater-Errichtungsgesellschaft und der OÖ Theater und Orchester Gmbh, Landestheater Linz und Bruckner Orchester Linz

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