- Magazin Klassik
- Radio Klassik Stephansdom
- # 29 | Sommer 2023
- S. 28-29
Parkplatz statt Serenadenklänge
Der ehemalige Garten der Familie Haffner in Salzburg
Text: Otto Biba
In: Magazin Klassik, # 29 | Sommer 2023, Radio Klassik Stephansdom, S. 28-29 [Hörermagazin]
Ein typisches Phänomen der Aufklärung ist ein bemühter Rollentausch zwischen Adel und Bürgertum. Der Begriff von der Verbürgerlichung des Adels erklärt das Interesse des Adels an bürgerlicher Kleidung, ja überhaupt an der Übernahme von Details bürgerlichen Lebensstils, während das Bürgertum einigen bisher als typisch geltenden Charakteristika des adeligen Lebensstils nacheiferte. So war es in Salzburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in wohlhabenden bürgerlichen Familien üblich geworden, besondere Ereignisse im Kreis geladener Gäste mit eigens dafür komponierter Musik in Form einer Serenade festlich zu feiern, nicht in ihrer Stadtwohnung, sondern im Garten ihres in der Regel nicht weit vom Stadtzentrum entfernten Garten- oder Sommerhauses. Wer konnte, schuf sich überhaupt außerhalb des eng verbauten Stadtzentrums ein Haus mit Garten (oder einen Garten mit Haus), strebte also eine Wohnadresse an, vergleichbar einem adeligen Garten-Palais. Das lässt sich auch an der Salzburger Großhändler-Familie Haffner beobachten, für die Mozart zwei Serenaden komponiert hat.
Sie hatte ihr Stadthaus in der heutigen Sigmund Haffner-Gasse; es steht noch und trägt die Hausnummer 6. Ihren Garten hatte die Familie am Beginn des sogenannten Loretograbens (heute Paris Lodronstraße); dieser führte vom alten Lodronbogen, der in der Höhe der heutigen Lodronstraße die heutige Franz Joseph-Straße überspannte, zum Loretokloster, das an den Haffnerschen Garten anschloss und als Bauwerk noch heute existiert. In diesem damals längst in Familienbesitz befindlichen Garten hat Sigmund Haffner d.J., seit dem Tod seines gleichnamigen Vaters im Jahr 1772 Principal der Familie wie des Handelshauses, ein „mit einigen Bequemlichkeiten“ ausgestattetes Haus errichtet, sich also zum Stadthaus auch noch ein Sommerhaus gegönnt, ganz vergleichbar dem Stadt- oder Winter- und dem Sommerpalais des Adels.
Als sich die drei Jahre ältere Schwester von Sigmund Haffner d.J., Maria Elisabeth, 1776 mit dem Salzburger Kaufmann Franz Xaver Späth vermählte, gab der Bruder bei Mozart eine Serenade in Auftrag, die am 21. Juli 1776, dem Vorabend der Hochzeitsfeier, der Braut zu Ehren im Haffnerschen Garten produziert wurde. Der mit den Mozarts befreundete Hochfürstlich-Salzburgische Hofrat Joachim Ferdinand von Schidenhofen notierte dazu in sein Tagebuch: „Nach dem essen gienge ich zur Braut-Musick, die der junge Hr. Hafner seiner Schwester Liserl machen ließe. Sie war von Mozart, und wurde im Garten Haus bey Loreto gemacht.“ Gemeint war von Schidenhofen wohl das Areal des Gartenhauses, also der Garten, nicht nur, weil Serenaden Freiluftmusiken waren, sondern auch weil das eigentliche Haus für ein solches musikalisches Fest und die Gästeschar zu klein war. Um uns eine Vorstellung von diesem Sommersitz der Familie Haffner zu machen, blättern wir doch einmal in Lorenz Hübners 1794 erschienenen „Beschreibung der hochfürstlich-erzbischöflichen Haupt- und Residenzstadt Salzburg“. Dort erfahren wir, dass das Haus mit „einem schönen Zier- und Küchengarten, einem Neben- und einem anderen rückwärts stehenden, […] hinzugekauften Gebäude, einem Glashause, und dergleichen versehen“ war. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass die ausgiebigen Violinsoli in dieser sogenannten „Haffner-Serenade“ von Mozart für sich selbst geschrieben wurden, und dass zwischen dem Auftraggeber und dem gleichaltrigen Komponisten mindestens eine gute Bekanntschaft bestand.
Als die am 29. Juli 1782 erfolgte Nobilitierung Sigmund Haffners d.J. (mit dem Prädikat „Edler von Innbachhausen“) zu einem uns unbekannten Datum im August 1782 gefeiert wurde, war zuvor bereits der damals schon in Wien lebende Wolfgang Amadeus Mozart gebeten worden, für diesen Anlass eine Serenade zu schreiben. Das fertige Werk schickte Mozart von Wien nach Salzburg. Leider haben wir keine weiteren Nachrichten zu der Feier, aber es steht außer Frage, dass sie den Usancen der Salzburger Gesellschaft dieser Zeit entsprechend im Garten und im Ambiente des Gartenhauses der Familie Haffner – nunmehr von Innbachhausen – stattgefunden hat. Für seine Wiener Bedürfnisse hat Mozart diese seine zweite „Haffner-Serenade“ auf vier Sätze gekürzt und uminstrumentiert zu einer Symphonie gemacht, der „Haffner-Symphonie“.
Nachdem der jüngere Sigmund Haffner 1787 plötzlich verstorben war, blieb das Gartenhaus unbewohnt. Es waren wohl die wirtschaftlichen Folgen des Türkenkriegs und der bald danach einsetzenden Koalitionskriege mit Frankreich, die die nunmehr wirklich (klein-)adelige Familie auf ihre Sommerresidenz verzichten ließen. (Wieder in Paranthese: Auch der Adel von Stand hat sich damals eingeschränkt.)
Das Haffnersche Gartenhaus ist beim Stadtbrand des Jahres 1818 vernichtet worden. Wie lange der Zier- und Küchen-Garten als solcher bestand, war für den Verfasser dieser Zeilen nicht oder zumindest nicht widerspruchslos zu eruieren. Das Areal des Gartens kann man allerdings noch finden, wenn auch in anderer Funktion. Unter der Adresse Paris-Lodron-Straße 2A findet man eine Einfahrt zu einem etwas höher liegenden Parkplatz, der sich an der Stelle des einstigen Gartens des Familie Haffner befindet. Die zwei Gartenmauern zur Paris-Lodron-Straße (früher Loretograben) und zum Areal des Loretoklosters hin, bestehen noch. In der Begrenzungsmauer zum Kloster befindet sich eine Grotte mit einer Statue der Lourdes-Madonna, also eine sogenannte Lourdes-Grotte, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beliebt geworden ist. Dem Stil nach ist sie aber eine Wasser-Grotte des 18. Jahrhunderts, wie sie in Salzburg so beliebt waren. Die dort einmal gestandene wohl mythologische Figur ist verschwunden, aber als volkstümliche Andachtsstätte hat die ehemalige Wassergrotte des Haffnerschen Gartens bis heute überlebt, freilich nunmehr an einem Parkplatz.
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