• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 32 | Frühling 2024
  • S. 46-47

Tenorale Legatokultur

Zum 125. Geburtsjahr von Kammersänger Franz Völker

Text: Wolfram Huber

In: Magazin Klassik, # 32 | Frühling 2024, Radio Klassik Stephansdom, S. 46-47 [Hörermagazin]

„Es steht außer Frage, dass dieser Sänger in den 30er-Jahren Maßstäbe gesetzt hat, die bis heute nicht übertroffen wurden.“ (Jens Malte Fischer)

„Als Walther und Lohengrin dürfte er wenige seinesgleichen haben, und als Siegmund kommt er dem Ideal womöglich noch näher als der große Lauritz Melchior.“ (Jürgen Kesting)
 

Kühne Aussagen, die aber überprüfbar sind, und zwar anhand der am 30. März 2023 beginnenden Sendereihe. Völkers Tätigkeit auf vor allem deutschsprachigen Bühnen erfolgte in einer ökonomisch wie politisch schweren Zeit. Nachdem er, Mitglied mehrerer Gesangvereine in und rund um seine Geburtsstadt Neu-Isenburg, bei einem Wettbewerb den 1. Preis gewonnen hatte, fiel es ihm dennoch schwer, seine sichere Stelle in einer Bank zugunsten eines Fünf-Jahres-Vertrages in Frankfurt aufzugeben. Doch Clemens Krauss, der sein Förderer wurde, überzeugte ihn schließlich. Sein Debüt war immerhin der Florestan in Beethovens „Fidelio“.

Ein gewagter Beginn, doch Völker erinnert sich: „Was kann dir schon passieren, dachte ich, singen kannst du, weglaufen kannst du nicht, weil du ja angekettet bist, und wenn es doch wider Erwarten schiefgehen sollte, so bleibt immer noch die Bank.“ Diese Äußerung zeugt sowohl von einem gesunden Selbstbewusstsein als auch von Humor. Die Bank musste allerdings im Weiteren auf ihren Kassier verzichten, und den Florestan sollte er in seiner Karriere am öftesten singen, 107 Mal. Und nun folgten zweieinhalb Jahrzehnte fast durchgehender Erfolge mit den Schwerpunkten Wien, Berlin, Salzburg und Bayreuth, wobei Völkers Repertoire vom Tamino bis zum Othello reichte.

Seine Wandlungsfähigkeit möge ein Beispiel verdeutlichen: 1932 sang er bei den Salzburger Festspielen, wo er fünf Sommer tätig war, den Ferrando in Mozarts „Cosi fan tutte“, den Florestan und den Kaiser in „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss. In Bayreuth feierte er zwischen 1932 und 1942 enorme Erfolge. Und dazwischen deckte er ein breites Spektrum ab: vom Alfred in der „Fledermaus“, dem Sou-Chong in Lehár „Das Land des Lächelns“, über den Don José, den Pedro in „Tiefland“, den Max, Canio, Turiddu und Bajazzo bis zum Manrico, Radames (mit dem er 1931 in Wien debutierte) und Othello. Dergestalt brachte er es auf 1.106 Vorstellungen, ohne Berücksichtigung seiner Konzerte und Liederabende. Nach dem Ende seiner Bühnenlaufbahn 1952 unterrichtete Völker vor allem in Stuttgart, genoss sein Familienleben und kämpfte zunehmend mit seinem Diabetes. Am 5. Dezember 1965 verstarb Franz Völker in Darmstadt. Sein Sohn Georg Völker setzte die Sangestradition als beliebter Bariton vor allem in Mannheim (1961 bis 1988) fort. Sein Repertoire umfasste 116 Rollen.


Details zur sechsteiligen Sendereihe von Wolfram Huber finden Sie auf Seite 30.