• Parsifal
  • Staatstheater Nürnberg
  • Oper von Richard Wagner, Saison 2023/24
  • S. 26-27

Die zwei Leben des Nürnberger Opernhauses

In: Parsifal, Oper von Richard Wagner, Saison 2023/24, Staatstheater Nürnberg, S. 26-27 [Programmheft]

Nach langen Diskussionen und viel Streit wurde 1905 das Nürnberger Opernhaus eröffnet. Architekt des „Stadttheaters am Ring“ war der Berliner Heinrich Seeling, der zwar schon einige Theater gebaut hatte – die Jahrzehnte zwischen 1880 und 1910 haben vielen deutschen Städten repräsentative neue Theaterbauten beschert –, für den ein Riesenprojekt wie das in Nürnberg aber Neuland war. Denn die Nürnberger wünschten sich ein wirklich großes, prachtvolles und Aufsehen erregendes Theater.

Das bekamen sie, allerdings zu einem hohen Preis. Die Baukosten liefen aus dem Ruder. Seeling selbst musste dem Magistrat der Stadt zwischenzeitlich gestehen, dass er den Überblick über die Finanzen verloren hätte. Neben der modernen technischen Ausstattung war es vor allem die prunkvolle Innen- und Außendekoration des Baus, die sehr teuer wurde. Während die Ornamente an den Fassaden heute noch weitgehend erhalten sind, ist vom ursprünglichen Zuschauerraum und den Foyers kaum noch etwas übrig. Dort herrschte ein „schwer prunkender Jugendstil“. Große Gemälde und Fresken mit Naturszenen schmückten die Aufgänge und den heutigen Gluck-Saal, im rechten Parkettfoyer sprudelte sogar ein üppig dekorierter, muschelförmiger Brunnen. Im Zuschauerraum zeigten Flachreliefs zum Beispiel den Zeit-Gott Chronos, eine Angst einflößende Allegorie des Krieges und ein Familienidyll mit Eltern und Kindern. Der Hauptvorhang zeigte eine Allegorie der Fantasie in einem Zauberwald. Es beweist die liberale Einstellung des Nürnberger Bürgertums, dass diese für damalige Begriffe moderne Bildsprache überwiegend positiv angenommen wurde.

Als Hitler Nürnberg zum „ewigen“ Veranstaltungsort der Reichs parteitage bestimmte, bezog er auch das Opernhaus in diese Pläne ein. Weil ihm der Jugendstil missfiel, ordnete er eine komplette Neugestaltung des Innenraums an. Alle Ornamente wurden herausgerissen, der Brunnen überbaut, der Schmuckvorhang entfernt, Zuschauerraum und Foyers in einem nüchternen, klassizistisch grundierten Neobarock gestaltet und eine „Führerloge“ eingebaut. Von dieser Arbeit des Architekten Paul Schultze-Naumburg war allerdings schon damals niemand begeistert, nicht einmal Hitler. Trotzdem ist das der Zustand, in dem sich das Opernhaus bis heute nur wenig verändert präsentiert, inklusive der pseudo-antiken Statuen aus dem Jahr 1934, die noch immer in den Foyers stehen. Die Pracht und Verspieltheit des ursprünglichen Baus können einige erhaltene Fotografien nur ansatzweise vorstellbar machen.

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