• Wiederentdeckung des barocken Erbes: Vorstellung des ukrainischen Komponisten Dmytro Bortnianskyi
  • Ukrainisches Institut
  • 2024
  • S. 12-17

Oper "Creonte"

In: Wiederentdeckung des barocken Erbes: Vorstellung des ukrainischen Komponisten Dmytro Bortnianskyi, 2024, Ukrainisches Institut, S. 12-17 [Broschüre]

"Creonte" ist eine Opera seria, die zeitgenössische Recherchen in diesem für das letzte Viertel des achtzehnten Jahrhunderts charakteristischen Format darstellt. Sie basiert auf der Handlung eines Tragödienzyklus von Sophokles. Kreon ist ein tyrannischer Herrscher von Theben, der jegliche Manifestation von sozialem Ungehorsam unterdrückt. In diesem Werk experimentiert Bortnianskyi und ändert die etablierten Regeln - die Hauptfigur ist etwa kein Kastratensänger, sondern ein Tenor. Außerdem setzt er einen Chor ein, was für die damalige Zeit eine völlig untypische Wahl war. Auf diese Weise verbindet Bortnianskyi italienische und französische Traditionen und versucht, die italienische Opera seria zu "modernisieren". Diese Neuerungen fallen bei "Creonte" auf und erweitern unser Verständnis fur die Experimente, die der europäischen Oper im letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts innewohnen. 

Musikwissenschaftler betrachten die Oper als einen großen Erfolg des 24-jährigen Komponisten. Das Werk wurde für 5 Solisten und einen Chor mit 16 Mitwirken­den komponiert. Die Oper wird von der Dur-Tonleiter dominiert, bemerkenswert auch für die Schilderung von tragischen Ereignissen. Aber auch die Molltonart hat ihren Platz - sie wird in den spannungsgeladenen Szenen der Accompagnato-Rezitative verwendet. Bortnianskyi arbeitet mit einer großen Vielfalt an musikalischen und szenischen Formen, unter denen Arien in Sonatenform überwiegen. Leichtere Arien sind in Rondoform komponiert. Eine ganz andere Herangehensweise an die begleiteten Rezitative sind szenische Konstruktionen mit Tempo-, Charakter- und Affektwechseln; das Orchester betont die Handlung des Textes. 

Der Gesang ist ausdrucksstark, aber nicht übermäßig - alle Koloraturen werden dort eingesetzt, wo das Drama es erfordert. Der Art und Weise, wie der Komponist die Musik auf den Text abgestimmt hat, gilt besondere Aufmerksamkeit. Obwohl seine Rezitative den barocken Rezitativen von G.F. Händel an Originalität unterlegen sind, begleiten sie erfolgreich mit Emotionen erfüllten, etwas verschnörkelten Text von Coltellini. 

Nach dem Tod des Komponisten galt die Oper als verschollen. Die Suche dauerte etwa 150 Jahre, bis die Partitur in einer Bibliothek in Lissabon im Zuge der Erstellung elektronischer Register der Weltarchive entdeckt wurde. 

Die Partitur der Oper konnte mit Unterstützung des Ukraine Office Austria im österreichischen Außen­ministerium redaktionell aufgearbeitet und heraus­gegeben werden. Heute wird aktiv an der Produktion gearbeitet, damit das Orchester Wiener Akademie das wiederentdeckte Werk im Jahr 2025 aufführen kann. Wie vor Jahrhunderten wird das Orchester, das Bortnian­skyis Werke aufführt, mit Ukrainern besetzt sein.

„'Creonte' ist in erster Linie Musik von hoher Qualitat, innovativ in ihrer Natur. Bortnianskyi war tatsachlich ein Innovator: Er war einer der ersten, der viele Rollen Frauen zuwies und die Hauptrolle einem für dieses Genre untypischen Stimmfach - dem Tenor - gab. Die Oper ist dynamisch, spielerisch und sehr abwechs­lungsreich. Es ist unglaublich interessant, daran zu arbeiten. Man muss sie hören,“ so Ilia Korol, Konzert­meister und Solist des Orchesters.