• Foyer5
  • Landestheater Linz
  • #32 | September / Oktober 2024
  • S. 40-43

Böse Komponisten

Verbrechen und Skandale der Musikgeschichte

Text: Christoph Blitt

In: Foyer5, #32 | September / Oktober 2024, Landestheater Linz, S. 40-43 [Publikumszeitschrift]

„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ – wer kennt nicht dieses altbekannte Sprichwort, das einen Zusammenhang zwischen charakterlicher Veranlagung und Musikbegeisterung konstatiert. In der Regel steckt in solchen Sinnsprüchen immer auch ein Funken Wahrheit. Und so gibt es etwa auch wissenschaftliche Untersuchungen, dass Musik von Mozart oder Bach nachweislich den Blutdruck sinken lässt, Stress reduziert und somit auch das Aggressionspotenzial verringert. Im Gegenzug hält die Musikgeschichte aber auch genügend Beispiele bereit, die die Aussage dieses Sprichworts relativieren. So gab es immer wieder Komponisten und andere Musiker, die mit dem Gesetz in Konflikt kamen, durch wilde Ausschweifungen auffielen und/oder sich alles andere als human verhielten. Man denke hier nur an die Herren Richard Wagner oder Hans Pfitzner, die sich neben ihren Kompositionen auch durch antisemitische Hetzereien hervortaten, die bis heute einen düsteren Schatten auf ihre Persönlichkeiten werfen. Gegen solche, nicht unbedingt immer strafbaren, aber moralisch verwerflichen Angriffe auf Werte wie Toleranz und Mitmenschlichkeit nimmt sich manch andere Verfehlung von Komponisten geradezu harmlos aus, auch wenn diese dafür abgestraft wurden. Etwa wenn Johann Sebastian Bach 1717 immerhin für vier Wochen im Gefängnis landete, da er sich gegenüber seinem Dienstherren, dem Weimarer Herzog Wilhelm Ernst als – wie es damals hieß – „halsstarrig“ erwiesen hatte. Und Operettenkomponist Carl Zeller wurde wegen Meineids in einer Erbschaftsangelegenheit zu einem Jahr schwerer Kerkerhaft verdonnert. Allerdings ist Zeller verstorben, bevor das Urteil rechtskräftig wurde.

In ein wirkliches Kapitalverbrechen verwickelt war der dem Hochadel angehörige Renaissancekomponist Carlo Gesualdo, der 1590 seine Ehefrau, deren Liebhaber und eine Tochter, deren Vaterschaft nicht geklärt war, getötet haben soll. Bis heute kann aber nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob Gesualdo tatsächlich selbst zugestochen hat, oder ob er einen Auftragsmörder damit betraut hat. Da Ehrenmorde in diesen Kreisen damals nicht geahndet wurden, ging er zwar straffrei aus, aber gleichzeitig auch eher als Killerkomponist denn als Schöpfer hochexpressiver Madrigale in die Musikgeschichte ein. Unschön auch die Affäre um den deutschen Barockkomponisten Johann Rosenmüller, der es an der Leipziger Thomasschule fast bis zum Thomaskantor geschafft hätte, wenn nicht offenbar geworden wäre, dass er sich an seinen Schülern sexuell vergangen hatte. Rosenmüller jedenfalls entzog sich einer dauerhaften Verurteilung durch Flucht nach Italien, wo er die nächsten 24 Jahre in Venedig lebte, bevor er 1682 als Hofkapellmeister des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel in die deutschen Lande zurückkehrte.

Ein Musiker, der auch immer wieder in Verdacht geriet, schlimmste Verbrechen verübt zu haben, war Nicolò Paganini. Doch um es vorwegzunehmen: Keines dieser Gerüchte konnte jemals verifiziert werden; dabei hatten es diese Anschuldigungen wirklich in sich. So soll Paganini für mehrere Jahre im Gefängnis gesessen haben, weil er angeblich seine Geliebte ermordet hatte. In seiner Zelle soll er nichts anderes bei sich gehabt haben als seine Violine. Und so soll er während der langen Kerkerhaft sein Geigenspiel so perfektioniert haben, dass er anschließend seine unbeschreibliche Virtuosenkarriere starten konnte. Es gibt aber auch noch krassere Versionen dieser Legende. So erzählte man sich, dass diese Geige nur eine einzige Saite gehabt haben soll, die Paganini zudem aus dem Darm der ermordeten Geliebten hergestellt hat. Und nicht nur das: Hier im Kerker schloss er auch einen Pakt mit dem Teufel, der ihm erst zu der spielerischen Reife verhalf, für die er später berühmt werden sollte.

Wie gesagt: Nichts von dem ist wahr. Einzig vielleicht der Umstand, dass in Paganinis Biografie die Jahre 1802 bis 1804 schlecht dokumentiert sind, obwohl seine erfolgreiche Karriere eigentlich schon begonnen hatte, und er selbst sagte, dass er in dieser Zeit mehr am Roulettetisch als auf seiner Geige spielte, mag solche Legendenbildungen bevorzugt haben. Im Grunde sind diese Erzählungen über Paganinis angebliche Kerkerhaft nachgerade mythische Erklärungsmodelle für sein sensationell virtuoses Geigenspiel, seine fast dämonisch anmutende Erscheinung und sein unbeschreibliches Charisma. Als „mythisch“ kann man diese Begründungen deshalb bezeichnen, weil Paganinis Fähigkeiten und seine Aura für seine Zeitgenossen rational kaum fassbar waren. Und so vermischen sich bei diesem Künstler wie bei kaum einem anderen Musiker Legende und Wirklichkeit, Nimbus und Profanes zu einem selbst heute kaum entwirrbaren Ganzen. Eine besonders charmante Ausprägung des Paganini-Mythos kann man jetzt im Linzer Musiktheater erleben, wenn Franz Lehárs Operettenwelthit über diesen Virtuosen auf dem Spielplan steht. Und keine Angst: Auch wenn Lehárs Paganini ein Casanova und Filou sein mag, so kann man sich bei ihm ruhig niederlassen, denn er hat wirklich viele ebenso eingängige wie gefühlvolle Lieder!

 

PAGANINI
OPERETTE IN DREI AKTEN VON FRANZ LEHÁR

Text von Paul Knepler und Bela Jenbach
In deutscher Sprache mit übertitelten Gesangsnummern

Öffentliche Generalprobe 9. Oktober 2024
Premiere 12. Oktober 2024
Großer Saal Musiktheater

Musikalische Leitung Marc Reibel
Inszenierung Thomas Enzinger
Choreografie Evamaria Mayer
Bühne Bernd Franke
Kostüme Götz Lanzelot Fischer
Dramaturgie Christoph Blitt
Chorleitung Elena Pierini
Nachdirigat Ingmar Beck

Mit Carina Tybjerg Madsen (Maria Anna Elisa), Matjaž Stopinšek (Nicolò Paganini), Jonathan Hartzendorf (Marchese Giacomo Pimpinelli), Tina Josephine Jaeger (Bella Giretti) u. a.

Chor des Landestheaters Linz
Bruckner Orchester Linz

Paganini Superstar! Mit seinem Violinspiel und seinem charismatischen Auftreten zieht er die ganze Welt – insbesondere deren weiblichen Teil – in seinen Bann. Von der Zofe bis zur Fürstin von Lucca fliegen ihm die Frauenherzen reihenweise zu. Da Paganini in der Kunst wie im Leben keine Risiken scheut, kann es dabei schon einmal zu Konflikten mit den Ehemännern der Verehrerinnen oder mit der politischen Reputation der höher gestellten Damen kommen.

Auf alle Fälle aber entstand ein ebenso unterhaltsames und gefühlvolles wie spannendes Theatererlebnis, als 1925 zwei weitere Superstars Paganini zum sensiblen Helden einer Operette erweckten. Die Rede ist von Komponist Franz Lehár und seinem Lieblingstenor, dem Linzer Richard Tauber, als Meisterinterpreten der Titelrolle.

Weitere Vorstellungen
17., 21., 29. Oktober 2024

Weitere Termine auf landestheater-linz.at

106. Sonntagsfoyer
Einführungsmatinee 29. September 2024, 11.00 HauptFoyer Musiktheater

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