• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • September / Oktober 2024
  • S. 20-21

Neu im Ensemble

Das Vertraute neu entdecken

Karolina Makuła, Mezzosopran

Text: Maximilian Enderle

In: Magazin, September / Oktober 2024, Oper Frankfurt, S. 20-21 [Publikumszeitschrift]

Unterwegs zu sein und so viele Eindrücke wie möglich aufzusaugen, bildet für Karolina Makuła einen elementaren Bestandteil ihres Sängerinnen-Daseins. Reisen in kulturell vielschichtige Gegenden schätzt unser neues Ensemblemitglied dabei genauso wie sportliche Herausforderungen. So stand im letzten Jahr neben einer Reise nach Vietnam auch eine Alpenüberquerung mit dem Fahrrad auf dem Programm. »Ich finde es wichtig, mich mental, aber auch physisch immer wieder in Grenzsituationen zu begeben. Dadurch lernt man sich und seinen Körper besser kennen und bleibt im Kopf offen und neugierig. Und nicht zuletzt helfen mir all diese Erfahrungen auch beim Spielen auf der Bühne und bei der Arbeit mit meiner Stimme.«

Dass Karolina ein besonderes Gesangstalent hat, wurde schon früh klar. Eigentlich habe sie schon immer gesungen, sagt die gebürtige Polin. Karolinas Eltern waren zwar keine Musiker, haben ihr aber entscheidende Fähigkeiten mitgegeben: »Mein Vater hatte ein enorm genaues Gehör, er hat immer sofort erkannt, wenn ich falsch gesungen habe; meine Mutter wiederum hatte ein enorm lautes Organ, ich glaube von ihr habe ich die Stimmbänder geerbt.« Sehr prägend war für Karolina auch ihr Großvater, der Posaunist in einem Orchester war, leidenschaftlich Akkordeon spielte und ihre musikalischen Anfänge mit großem Stolz verfolgte.

Bis heute unterstützen Karolinas Eltern den Weg ihrer Tochter bedingungslos. Als sie zum Jahreswechsel 2022/23 bei den Tiroler Festspielen in Erl den Paolo in Francesca da Rimini sang, organisierten sie einen ganzen Bus mit Familie und Freunden aus Polen. Für die überraschte Karolina war dies gleich doppelt schön, da Mercadantes Oper stilistisch zu ihrem absoluten Lieblingsgenre gehört: dem Belcanto. »Werke von Donizetti, Bellini oder Mercadante zu singen, ist für mich unvergleichlich erfüllend. Meine Stimme ist dort einfach zuhause und kann eine enorme emotionale Tiefe entfalten. Es fühlt sich beinahe wie Sprechen an.« Umso mehr freut sich Karolina, dass sie zum Ende dieser Spielzeit in Frankfurt ihr Debüt als Adalgisa in Norma geben wird: »Eine absolute Traumpartie!«


Von Bydgoszcz nach Frankfurt

Ihr erstes prägendes Opernerlebnis hatte die Künstlerin allerdings in einer Mozart-Oper: Während des Gesangsstudiums stand sie 2017 als Cherubino in Le nozze di Figaro an der Opera Nova in Bydgoszcz auf der Bühne, was großen Spaß gemacht und sich »gänzlich natürlich« angefühlt habe. Als Karolina 2019 ins Frankfurter Opernstudio kam, war sie zunächst et was irritiert von der hiesigen Theaterästhetik: »In Polen wurden Opern oft sehr klassisch inszeniert. Anfangs habe ich daher nicht verstanden, warum in Deutschland Bühnenbilder meist nicht so aussehen wie im Libretto beschrieben. Mittlerweile schätze ich aber diese künstlerische Auseinandersetzung sehr. Es geht schließlich darum, die Stoffe näher an unsere heutige Wahrnehmung zu bringen und dadurch das Publikum viel unmittelbarer zu berühren.«

Darstellerisch extrem herausfordernd war für Karolina bei spielsweise Vasily Barkhatovs Inszenierung von Le Grand Macabre: Die Sängerin lag dabei etwa zwanzig Minuten in einem engen, verschlossenen Sarg – Schulter an Schulter mit ihrer Kollegin Liz Reiter. »Wir mussten uns sehr disziplinieren, um während der Zeit im Sarg ruhig zu atmen und für den nächsten Gesangseinsatz parat zu sein. Die Anforderungen waren sehr hoch, aber für das Gesamtresultat des Abends hat sich der Einsatz auf jeden Fall gelohnt.«


Disziplin als Schlüssel

Der Auftritt in Ligetis Endzeit-Oper war nicht Karolinas einziger Ausflug in die Neue Musik. So stand sie im Bockenheimer Depot bereits in der Uraufführung von Lucia Ronchettis Inferno auf der Bühne; in der Saison 2023/24 sang sie u.a. in Wolfgang Fortners In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa im Depot sowie in Weinbergs Die Passagierin am Staatstheater Mainz. Dass Karolina immer wieder für zeitgenössische Produktionen angefragt wird, liegt nicht nur an ihrer vielfarbigen Stimme, sondern auch an ihrer Fähigkeit, atonale Partituren innerhalb kürzester Zeit auswendig zu lernen. Die Rolle der Haushälterin Marcolfa in Don Perlimplín studierte sie in nur zwei Wochen ein, nachdem eine Kollegin kurzfristig er krankt war. Um derart effizient arbeiten zu können, ist eine Menge Disziplin erforderlich – für Karolina das A und O ihrer Profession: »Ich habe sehr klare Routinen, verbringe gedanklich viel Zeit mit meinen Rollen und feile an technischen Details meiner Stimme. Nur wenn ich das alles mache, kann ich beim Spielen auf der Bühne frei sein und mich fallen lassen.«

Bereits als Mitglied unseres Opernstudios beeindruckte die Mezzosopranistin mit vielen verschiedenen Partien, darunter Enrichetta di Francia in I puritani, Mercédès in Carmen, Tisbe in La Cenerentola sowie Second Witch in Dido and Aeneas. Auf die Zeit im Opernstudio blickt Karolina bis heute dank bar zurück – auch weil sie während der Corona-Pandemie eine große Unterstützung seitens der Theaterleitung verspürt hat. Als sie 2022 schließlich das Opernstudio verließ, um freischaffend zu arbeiten, sei dies ein großer Schritt gewesen, der sich aber vollkommen bezahlt gemacht habe: »Als freischaffende Künstlerin habe ich gelernt, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, mich in fremden Kontexten zu beweisen und selbst darauf zu achten, was für meine Stimme am besten ist. Dadurch bin ich enorm gereift und fühle mich nun absolut bereit, als Ensemblemitglied die vertraute Umgebung an der Oper Frankfurt neu kennenzulernen!«.