• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 35 | Winter 2024
  • S. 6-9

Alles Gute, Johann Strauss!

Die Wienbibliothek im Rathaus feiert den 200. Geburtstag des „Walzerkönigs“

Text: Stefan Engl

In: Magazin Klassik, # 35 | Winter 2024, Radio Klassik Stephansdom, S. 6-9 [Hörermagazin]

Das Johann-Strauss-Jubiläumsjahr 2025 ist nicht nur für die Stadt Wien ein Großereignis, sondern auch für die Wienbibliothek im Rathaus ein besonderer Grund zum Feiern, beherbergt sie doch in ihrer Musiksammlung die weltweit größte Sammlung von Primärquellen zu Leben und Werk der Mitglieder der Familie Strauss, der berühmtesten Musikerfamilie Österreichs. Über 1.700 Musikhandschriften und noch weitaus mehr Musikdrucke zu fast allen 1.600 Kompositionen von Johann Strauss (Vater), besonders bekannt für seinen Radetzkymarsch, und seinen drei Söhnen Johann, Josef und Eduard beinhaltet diese Sammlung, die 2018 in das „Memory of Austria“- Register der UNESCO aufgenommen wurde.

Unter den eigenhändigen Notenmanuskripten des berühmtesten Familienmitglieds und Jubilars befinden sich etwa Schätze wie die Originalpartituren zu den Operetten Die Fledermaus und Der Zigeunerbaron. Neben diesen wertvollsten Musikhandschriften der Wienbibliothek enthält der Bestand zudem zahlreiche Briefe, Lebensdokumente und Skizzen, wie beispielsweise eine Melodieskizzensammlung aus dem Jahr 1860. Hier notierte Johann Strauss seine Einfälle, um bei Bedarf auf sie zurückgreifen zu können. Damit eine Melodie nicht mehrfach genutzt werden konnte, strich sie Strauss nach Verwendung deutlich durch. Diese Melodieskizzen stehen ebenso wie die Fledermaus und zahlreiche andere Originalmanuskripte und Abschriften der Werke der Familie Strauss in der Digitalen Bibliothek der Wienbibliothek online zur Verfügung (www.digital.wienbibliothek.at). Zum Ausbau des digitalen Angebots ist für 2025 die Digitalisierung aller Erst- und Frühdrucke von Johann Strauss aus der Sammlung Strauss-Meyszner geplant, die beinahe vollständig seine mit Opuszahl nummerierten Werke (von Sinngedichte op. 1 bis Klänge aus der Raimundzeit op. 479) abbildet.

Diese umfangreiche Sammlung – sie beinhaltet unter anderem auch die Originalhandschriften zu den Operetten Indigo und die vierzig Räuber und Carneval in Rom sowie zu Strauss’ einziger Oper Ritter Pásmán – hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Nach dem Tod von Johann Strauss befand sie sich im Besitz seiner dritten Ehefrau Adele. Da alle drei Ehen des Komponisten kinderlos geblieben waren, ging die Sammlung nach Adeles Tod an ihre Tochter aus erster Ehe, Alice Meyszner, über. Nach dem „Anschluss“ 1938 war Alice Meyszner massiven antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt und überließ die Sammlung unter Druck „schenkungsweise“ der Stadt Wien. Nach dem Weltkrieg kam es zwar zu Kaufverhandlungen und -abschlüssen, sie fielen aber für die Erben sehr ungünstig aus, sodass die Stadt Wien 2001 der Empfehlung eines Berichts der Wiener Rückstellungskommission nachkam und die Sammlung Strauss-Meyszner den rechtmäßigen Erben restituierte. Im gleichen Jahr wurde der herausragende Bestand um 73 Millionen Schilling (ca. 5,3 Millionen Euro) von der Stadt Wien neuerlich angekauft und befindet sich seitdem rechtmäßig im Besitz der Wienbibliothek im Rathaus sowie des Wien Museums.

Im Johann-Strauss-Jahr 2025 gibt es nun die seltene Gelegenheit, diese wertvollen Musikhandschriften und seltene Musikdrucke, wie beispielsweise die Erstausgabe des Walzers An der schönen, blauen Donau, im Original zu bewundern. In Kooperation mit dem Theatermuseum widmet die Wienbibliothek im Rathaus dem Jahresregenten eine große Schau. „Johann Strauss – Die Ausstellung“, kuratiert von Thomas Aigner, dem ehemaligen Leiter der Musiksammlung der Wienbibliothek im Rathaus, und Karin Neuwirth vom Theatermuseum, ist von 4. Dezember 2024 bis 23. Juni 2025 im Palais Lobkowitz zu sehen. Im Mittelpunkt steht Strauss’ künstlerische Produk tion, die seit jeher in aller Welt beliebte Tanz- und Konzertmusik sowie sein Musiktheaterwerk. Neben originalen Objekten aus den umfangreichen Beständen des Theatermuseums und der Strauss-Sammlung der Wienbibliothek veranschaulichen Leihgaben aus dem Wien Museum und anderen namhaften Institutionen theaterhistorische, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge. Strauss’ strapaziöser Lebenswandel wird dabei ebenso beleuchtet wie seine Beziehung zur Familie oder zu seinen drei Ehefrauen.

Begleitend zur Ausstellung gibt die Wienbibliothek im Rathaus das Buch „Johann Strauss – Ein Leben für die Musik“ heraus, in dem aus verschiedenen Blickwinkeln nicht nur das sozial-, wirtschafts- und musikgeschichtliche Umfeld des Komponisten dargestellt wird, sondern auch die Privatperson sowie seine Rolle als Orchesterleiter, Operettenkomponist und Vorläufer moderner U-Musik-Größen.

Zahlreiche Hintergrundinformationen zu Johann Strauss und seinem Umfeld bietet zudem die Online-Enzyklopädie „Wien Geschichte Wiki“, die 2024 ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Die Wienbibliothek im Rathaus ist zusammen mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv maßgeblich an diesem Wissensportal beteiligt, in das laufend neue Erkenntnisse zu Wien und seiner Geschichte eingearbeitet werden (www. geschichtewiki.wien.gv.at/Wien_Geschichte_Wiki).

Abgerundet werden die Feierlichkeiten in Wien rund um das Jubiläumsjahr mit einem vielfältigen Begleitprogramm, bei dem sich auch die Wienbibliothek im Rathaus an zahlreichen Veranstaltungen beteiligt, um bei Konzerten, Vorträgen und Diskussionen gemeinsam mit den vielen Strauss-Begeisterten dieser Stadt den 200. Geburtstag des „Walzerkönigs“ gebührend zu feiern.