Neu im Ensemble
Glückliche Fügungen
Text: Maximilian Enderle
In: Magazin, Januar / Februar 2025, Oper Frankfurt, S. 16-17 [Publikumszeitschrift]
Nombulelo Yende sagt von sich selbst, dass sie geradezu »besessen von Sprachen« sei. Sie spricht allein sechs der zwölf offiziellen Sprachen ihres Heimatlandes Südafrika. Zurzeit lernt unser neues Ensemblemitglied neben Deutsch auch Koreanisch. Zudem arbeitet sie intensiv an ihrer russischen Aussprache – und das nicht zufällig: Große Erfolge konnte sie bisher unter anderem mit Hauptrollen in Tschaikowski-Opern feiern. Als Tatiana in Eugen Onegin überzeugte sie ebenso wie als Maria in Mazeppa bei den Tiroler Festspielen in Erl; im Februar debütiert sie in Frankfurt nun als Nastasja in Die Zauberin. Mit Tschaikowskis Werken fühlt sich Nombulelo sichtlich wohl: »Ich war überrascht, wie angenehm seine Musik zu singen ist. Sie fühlt sich völlig organisch und natürlich an für meine Stimme und erfordert kaum Druck. Ich freue mich, künftig noch mehr Rollen seiner Opern zu verkörpern!«
Von Südafrika nach Europa
In Nombulelos Familie, die in einer südafrikanischen Kleinstadt lebt, wurde immer schon viel gesungen. »Meine Mutter war eine großartige Sängerin, und ich habe alles imitiert, was sie gemacht hat. Tatsächlich entdeckten irgendwann alle meine Geschwister, dass sie ein musikalisches Talent haben.« Während Nombulelos Brüder mittlerweile erfolgreich als DJs arbeiten, gelang ihrer älteren Schwester Pretty Yende in den 2010er-Jahren der internationale Durchbruch als Opernsängerin. Auch Nombulelos Lebensweg wurde dadurch maßgeblich beeinflusst: »Nach meinem Schulabschluss wollte ich eigentlich Medizin studieren. Bei der Bewerbung an der Universität musste ich aber noch ein alternatives Fach angeben. Auf den Rat meiner Schwester wählte ich eher spaßeshalber Musik – und wurde prompt zu einem Vorsingen eingeladen, das ich bestand.«
Bis heute ist Nombulelo über diese Fügung und die Studienzeit in Kapstadt sehr dankbar. An der dortigen Cape Town Opera erarbeitete sie wichtige Rollen wie Giulietta in Bellinis I Capuleti e I Montecchi oder die Erste Dame in der Zauberflöte und erlangte zunehmend die Gewissheit, »für die Opernbühne gemacht zu sein.« Kurz vor Ende ihres Studiums wagte Nombulelo schließlich den Schritt nach Europa: »Mir war klar, dass es in Südafrika nur wenige Arbeits- und Entfaltungsmöglichkeiten für mich gibt. Deshalb versuchte ich mein Glück bei Wettbewerben in Europa. Meine Hoffnung war, dass ich mich dadurch gleich mehreren Intendant*innen vorstellen kann und herausbekomme, wo ich gesanglich stehe.« Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Beim Wettbewerb NEUE STIMMEN 2019 überzeugte Nombulelo bereits in der Vorrunde und wurde postwendend von Intendant Bernd Loebe für das Frankfurter Opernstudio engagiert.
Ankunft mit Hürden
Bis die Sopranistin den Weg an den Main antreten konnte, vergingen aber noch qualvolle zwei Jahre: Aufgrund der Corona-Pandemie galten in Südafrika strenge Ausgangsbestimmungen; zudem war die Visa-Vergabe für den Schengen-Raum erschwert. »Ich saß zuhause bei meiner Familie und hatte große Angst, dass mein Vertrag mit Frankfurt aufgelöst wird. Als ich dann endlich im Herbst 2021 hier ankam und loslegen konnte, war meine Freude umso größer.«
Auf der Frankfurter Bühne debütierte Nombulelo als Stimme des Falken in Die Frau ohne Schatten, in der Folge kamen immer größere Rollen hinzu. In der laufenden Saison, ihrer ersten als Frankfurter Ensemblemitglied, präsentierte sie u.a. die Gräfin in Mozarts Le nozze di Figaro. In den kommenden Jahren möchte sich Nombulelo auch Opern von Strauss, Puccini, Wagner und Verdi zuwenden. Und obwohl sie überzeugt ist, dass ihre Stimme ideal zu deren Repertoire passt, möchte sie sich nicht vorschnell darauf stürzen: »Ich will mich nicht vorzeitig verbrennen. Denn diese Opern erfordern eine ungemeine stimmliche und mentale Reife!«
Keine Angst vor Vergleichen
Dass Nombulelo immer wieder mit ihrer Schwester Pretty verglichen wird, stört sie überhaupt nicht. Im Gegenteil: »Ich empfinde es als ein Kompliment, mit einer so großartigen Künstlerin verglichen zu werden. Und zudem ist Pretty bis heute eine meiner wichtigsten Ratgeberinnen: Welche Rollen soll ich annehmen? An welchen Häusern soll ich singen? Wie kann ich mich technisch verbessern? Mit meiner Schwester kann ich das alles besprechen.«
Dank dieser Unterstützung im Rücken fällt es Nombulelo doppelt leicht, auf die künftige Zeit in Frankfurt zu blicken: »Zu Beginn hatte ich etwas Schwierigkeiten, mich in Deutschland einzuleben – auch wenn die Leute in Frankfurt unglaublich nett und international sind. Jetzt, da ich weiß, dass ich längere Zeit hier sein werde, will ich mich der Stadt und ihren Menschen aber nochmal mehr öffnen!«
TIPP: AUF DER BÜHNE
In ihrer ersten Spielzeit als Ensemblemitglied an der Oper Frankfurt gibt Nombulelo Yende gleich mehrere Rollendebüts, die Sie nicht verpassen sollten!
LE NOZZE DI FIGARO Gräfin Almaviva, bis 9. Jan
DIE ZAUBERIN Nastasja, 7. Feb—15. Mrz
PARSIFAL Klingsors Zaubermädchen, 18. Mai—19. Jun
- Quelle:
- Magazin
- Oper Frankfurt
- Januar / Februar 2025
- S. 16-17
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