Lonjumeau, wie es singt und lacht
Text: Mareike Wink
In: Magazin, März / April 2025, Oper Frankfurt, S. 6-7 [Publikumszeitschrift]
Adolphe Adams Musik bleibt im Kopf. Die Melodie des Weihnachtsliedes O Holy Night und der sogenannte »Narrhallamarsch« – fester musikalischer Bestandteil der Mainzer Fastnacht – zählen heute vermutlich zu den bekanntesten Stücken des Komponisten. Nicht weniger populär war zu seinen Lebzeiten das »Postillon-Lied« mit dem spektakulären hohen D. Man pfiff es auf den Straßen der europäischen Hauptstädte, und sogar Richard Wagner soll es vor sich hin gesummt haben, wenn er nachts nicht schlafen konnte.
Es waren jedoch nicht nur die Spitzentöne und anspruchsvollen Koloraturen, die Adams Opéra comique bereits kurz nach ihrer Pariser Uraufführung 1836 zum internationalen Kassenschlager werden ließen. Geschickt hatte der Komponist in Le postillon de Lonjumeau Ensemble- und Chornummern verflochten, während der Text immer wieder Seitenhiebe auf die Theaterwelt austeilte. Die Pointen der spritzigen Komödie wurden zum Unterhaltungsstoff an den Stammtischen seiner Zeit.
Ans Theater – um jeden Preis
Wer derart treffsicher zielt, muss wissen, wovon er spricht: Wie sein Librettisten-Duo Adolphe de Leuven und Léon-Lévy Brunswick liebte Adolphe Adam das Theater, das Spiel mit Schein und Sein. In dieser Welt zu arbeiten, für sie zu komponieren, war früh das erklärte Ziel des Künstlers: »Meine Liebe für das Theater war sehr groß. Ich hatte mich mit einem jungen Mann vom Orchester der Opéra-Comique angefreundet, und ich war überglücklich, wenn er mir erlaubte, beim Orchester zu sitzen. Das Théâtre Gymnase hatte seine Pforte geöffnet und brachte auch Opern. Ein Musiker namens Duchaume, Bibliothekar, Kopist, Paukenschläger und Meister des Chors, engagierte mich für die Triangel mit 40 Sous pro Vorstellung – aber: Ich musste ihm das Geld abliefern. Ich habe bezahlt, um dort sein zu können. Nun war ich dabei. Mein Traum war Wirklichkeit geworden.«
Zu dieser Zeit studierte Adam am Pariser Konservatorium, wo auch sein Vater lehrte, und begann, an seiner Karriere als Musiktheater-Komponist zu arbeiten: »Um aber am Theater vorwärts zu kommen, hatte ich einen sonderbaren Weg eingeschlagen. Ich befreundete mich mit einigen Autoren von Lustspielen und bot ihnen umsonst von mir komponierte Lustspiel-Lieder an. Sie verkauften diese Lieder dann sehr teuer an die Kapellmeister der Theater, an denen sie arbeiteten.« Es entstanden eigenständige Vaudevilles, schließlich insgesamt über 50 Opern und Ballette, von denen das Fantastische Ballett Giselle sicherlich das bekannteste ist. Adams Durchbruch markierte die Oper Le chalet im Jahr 1834, Le postillon de Lonjumeau folgte 1836.
In revolutionären Zeiten
Es waren die ersten Jahre der sogenannten Julimonarchie, einer Art Mischform aus konstitutioneller und parlamentarischer Monarchie, die in Frankreich 1830 mit der Machtübernahme von König Louis-Philippe I. begonnen hatte. Aufgrund des beschränkten Einflusses bei der Gesetzgebung machten sich im Bürgertum bald zunehmend Enttäuschung und Unmut breit. Tendenzen, die sich auch in der Kunst niederschlugen. Nicht von ungefähr erscheint die Adelswelt in Adams Le postillon de Lonjumeau exzessiv und affektiert, während die Vertreter der bürgerlichen Welt uns viel zugänglicher und klarer geschildert werden. Hinter der Rückkehr nach Lonjumeau von Madeleine und Chapelou verbirgt sich auch ein Bekenntnis zur eigenen bürgerlichen Herkunft.
Die gesellschaftspolitischen Turbulenzen mündeten in Agrar- und Handelskrisen, und schließlich in die bürgerlich-demokratische Februarrevolution von 1848. Dem Komponisten Adam wurde dadurch ein weiterer Lebenstraum zunichte gemacht: Seit einiger Zeit hatte er das ehrgeizige Projekt verfolgt, in Paris ein drittes Musiktheater zu eröffnen. Es sollte ein breites Publikum ansprechen, Nachwuchskomponisten – insbesondere Rompreis-Träger – fördern und ein Repertoire aus alten wie neuen Werken auf die Bühne bringen. Adam selbst war Kodirektor des Hauses, das nur durch einen immens hohen Kredit eröffnet werden konnte, in den Wirren der Revolution aber aus finanziellen Gründen recht schnell wieder schließen musste. Der Bankrott bedeutete Adams eigenen finanziellen Ruin. Bald darauf erhielt der Komponist, dessen spätes Schaffen vor allem der Kirchenmusik gewidmet war, eine Professur am Pariser Konservatorium, die er bis zu seinem Tod 1856 innehatte.
LE POSTILLON DE LONJUMEAU
Adolphe Adam 1803-1856
Opéra comique in drei Akten / Text von Adolphe de Leuven und Léon-Lévy Brunswick / Uraufführung 1836, Opéra-Comique, Paris / Dialogfassung von Hans Walter Richter und Mareike Wink / In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
PREMIERE Sonntag, 2. März
VORSTELLUNGEN 6., 15., 21., 23. 29. März / 4., 6., 9., 12. April
MUSIKALISCHELEITUNG Beomseok Yi / Takeshi Moriuchi INSZENIERUNG Hans Walter Richter BÜHNENBILD, KOSTÜME Kaspar Glarner CHOREOGRAFIE Gabriel Wanka LICHT Jakob Bogensperger CHOR Álvaro Corral Matute DRAMATURGIE Mareike Wink
CHAPELOU/SAINTPHAR Francesco Demuro MADELEINE/MADAMEDELATOUR Monika Buczkowska-Ward / Ava Dodd BIJOU/ ALCINDOR Joel Allison MARQUISDECORCY Jarrett Porter BOURDON Morgan-Andrew King° ROSE Gabriel Wanka LOUIS XV Wolfgang Gerold
°Mitglied des Opernstudios
Übernahme einer Produktion der Tiroler Festspiele Erl
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