• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 37 / Sommer 2025
  • S. 28-30

Die Manufaktur der Künste

Die Zacherlfabrik als Schauplatz eines neuen Festivals in Wien

Text: Ursula Magnes

In: Magazin Klassik, # 37 / Sommer 2025, Radio Klassik Stephansdom, S. 28-30 [Hörermagazin]

Wer denkt beim Hören der „Crisantemi“ von Giacomo Puccini an ein Insektenvertilgungsmittel? Dieses opernreife Szenario entspringt einer Wiener Erfolgsgeschichte: Die „Zacherlfabrik“ in Wien-Döbling hat ihre Gründung sowie ihren Namen Johann Zacherl zu verdanken. Der umtriebige Kaufmann stieß unterwegs auf geriebene Pyrethrumblüten, die im Kaukasus als Schutz vor Ungeziefer verwendet wurden. Über Tiflis, wo die Pyrethrumblüten zu Pulver vermahlen wurden, gelangte das spätere „Zacherlin“ nach Österreich. Es folgte die Erteilung des Privilegs zur Herstellung des Insektenpulvers und damit blühte das Unternehmen auf; Niederlassungen in Paris, New York und London kamen hinzu.

Der Gründer Johann Zacherl hat das außergewöhnliche Aussehen des neuen Fabriksgebäudes nie zu Gesicht bekommen. Sein Sohn Johann Evangelist beauftragte für den Neubau, der nach dem Entwurf von Hugo von Wiedenfeld von den Brüdern Karl und Julius Mayreder errichtet wurde, das Atelier Heinrich von Ferstels. Ein ähnliches Gebäude im fantasievoll orientalischen Stil befindet sich in Dresden. Das ehemalige Fabriksgebäude der Zigarettenfabrik Yenidze ist wie die Zacherlfabrik ein Eyecatcher, wenngleich weit bekannter, weil prominent im Dresdner Stadtbild zu sehen. Da bietet Wien-Döbling in der Nußwaldgasse 14 einen echten hidden place. Als wäre ein kurzer Traum von Isfahan in die bürgerlich wirtschaftstreibende Realität gepurzelt.

Aber wieso jetzt ausgerechnet Giacomo Puccinis „Crisantemi“ eine Rolle spielen sollen? Der Wirkstoff der von Johann Zacherl geschickt vermarkteten „Specialität gegen Wanzen, Flöhe, Küchen-Ungeziefer, Motten, Parasiten auf Hausthieren etc., etc.“ Pyrethrum wird aus getrockneten Chrysanthemen gewonnen und ist ein natürliches Insektizid. So viel zur Gründungsgeschichte eines besonderen Wiener Ortes.

Die Zacherlfabrik als offenen wie inspirierenden Raum für Kunst zu nützen, gelang für einige Jahre auch dem Jesuitenpater und Kunsthistoriker Gustav Schörghofer. Für alle, die keine Gelegenheit hatten, diese Konzert-Ausstellungen zu besuchen, sind diese wunderbar nachzulesen und nachzuschauen in der Publikation „Drei im Blau“ (Residenz Verlag). Und Tiflis, die Hauptstadt Georgiens, in eine politisch geplagte Gegenwart verstrickt, sie spielt ebenfalls eine Rolle. Die glückliche Fügung ergab, dass das in Wien ansässige Trio Revolution auf der Suche nach einem Ort für Konzerte mit Peter Zacherl in Kontakt gekommen ist. Der Urenkel von Johann Zacherl, selbst Architekt, öffnet die Türen zu seinem Architektur juwel auf sehr behutsame Weise. Mehr ist aufgrund behördlicher Auflagen ohnedies schwer möglich.

Aus dem Trio Revolution erwuchs das Team der „Manufaktur der Künste“ rund um das künstlerische Energiebündel, die in Wien lebende Pianistin Ketevan Sepashvili. Zu den zwei weiteren Musikern, dem Flötisten sowie Arbeits- und Lebenspartner Temo Kharshiladze und dem gegenwärtig in New York lebenden Cellisten Sandro Sidamonidze, hat sich in einer weiteren Kette sprudelnder Ideen die österreichische Modedesignerin Susanne Bisovsky inspirieren lassen. Sie wird den offenen Industrieraum der Zacherlfabrik auf ihre Art und Weise inszenieren und aus den insgesamt fünf Konzerten die „Manufaktur der Künste“ entstehen lassen.

Das Konzertprogramm bietet schon am ersten Abend zwei Uraufführungen. Das Trio Revolution hat angeregt vom Festivalgedanken der Manufaktur insgesamt drei Werke in Auftrag gegeben. Roland Batik, George Oakley und der junge Georgier Shmagi Sikharulashvili stellen ihre neuen Werke vor. Ein weiterer Komponist, der in den USA viel gespielte Lowell Liebermann, wird eigens nach Wien reisen, um den Aufführungen seiner Werke live beizuwohnen. Ein weiteres Asset für das Publikum, denn es ist geradezu unvermeidbar, vor oder nach dem Konzert ins Gespräch zu kommen.

Die Festivaleröffnung steht unter dem Motto „Unconventional Journey 2“. Damit reagiert das Trio Revolution auf den Riesenerfolg seiner ersten CD mit dem Albumtitel „Unconventional Journey“. Wer die Brillanz des Haydn-Trios in D-Dur Hob. XV:16 auf der Aufnahme hört, darf sich auf den nächsten Haydn-Streich freuen. Der Chrysanthemen-Moment dabei? Vielleicht der Wiener Chic mit Susanne Bisovsky: Für die Manufaktur der Künste 2025 in der Zacherlfabrik konzipiert die Modeschöpferin eine eigene Licht- und Textilinstallation.