• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 39 | Winter 2025
  • S. 38-39

Zwei Schubert-Apostel aus der Steiermark

Text: Otto Biba

In: Magazin Klassik, # 39 | Winter 2025, Radio Klassik Stephansdom, S. 38-39 [Hörermagazin]

Im September 1827 verbrachte Schubert drei Tage als Gast auf Schloss Wildbach bei (heute: in) Deutschlandsberg. Komponiert hat er dort nichts, aber mit den aus Graz mitgekommenen Freunden Marie Leopoldine Pachler, Anselm Hüttenbrenner und Johann Baptist Jenger sowie Einheimischen musiziert. Die Schlossbesitzerin, Anna von Massegg, hat dazu auch ausdrücklich Patriz Fuchs, Schullehrer in Frauenthal, eingeladen. Patriz Fuchs war ein rühriger Musiker, der einmal wöchentlich bei sich daheim Musikabende veranstaltete, die Kirchenmusik leitete, den Orgeldienst versah, auch komponierte, und im weiten Umkreis als musikalische Kapazität bekannt war. Bei einem mit und für Franz Schubert auf Schloss Wildbach veranstalteten musikalischen Abend, einer „Schubertiade“, wie man damals sagte, sang Maria Massegg, die Tochter der Schlossbesitzerin, am Flügel begleitet von Patriz Fuchs, u. a. Schuberts Lied „Der Wanderer“. Fuchs erzählte darüber, dass Schubert bei diesem Lied „die Augen dunkelten“. – Die damals übliche Umschreibung, wenn Männer feuchte Augen bekamen, weil dies als unmännlich galt.

Er hat vor und für Schubert klaviergespielt, und Schubert hat bei einem von ihm begleiteten Lied feuchte Augen bekommen: Diese Erlebnisse begleitete Patriz Fuchs offensichtlich sein ganzes Leben; er hat gerne davon gesprochen. Darin liegen wohl auch die Wurzeln der Schubert-Begeisterung seiner 1842 und 1847 geborenen Söhne Johann Nepomuk und Robert. Beide gingen nach Wien, haben dort am Konservatorium studiert und eine musikalische Laufbahn eingeschlagen. Johann Nepomuk machte eine Karriere als Dirigent, wurde Kapellmeister an der Wiener Hofoper, Vizehofkapellmeister und Direktor des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde. Robert war Professor am Konservatorium – Gustav Mahler, Hugo Wolf, Alexander Zemlinsky und Franz Schmidt zählten zu seinen Schülern – und Hoforganist.

Als die Brüder Fuchs nach Wien kamen, war Schubert im Wesentlichen als Lied-Komponist berühmt und beliebt. Die anderen Werkgattungen waren im Musikleben weniger, manche gar nicht präsent. Das Oeuvre Franz Schuberts konnte also „Apostel“ gut brauchen, um in seiner Gesamtheit dem Publikum bekannt und vertraut zu werden. Seine wichtigsten Apostel stammten nicht aus Wien, sondern aus der Steiermark:

Johann Nepomuk Fuchs hat als Hofopernkapellmeister dort Schuberts „Fierrabras“ auf den Spielplan gesetzt, anderswo für Aufführungen von Schuberts Opern gesorgt oder diese gar erst ermöglicht, manche bearbeitet und auch Opernfragmente vervollständigt; er hat sich für die seit 1884 erscheinende Schubert-Gesamtausgabe engagiert, aber auch praktische Einzelausgaben Schubert’scher Werke herausgegeben.

Robert Fuchs hat als Komponist gezeigt, was er alles aus der Kenntnis von Schuberts Werk gelernt hat, ohne dass er jemals den Zug eines Epigonen gehabt hätte. Nein, er setzte vielmehr dort fort, wo Schubert aufgehört hatte, freilich nicht kompositionstechnisch, sondern „von Schubert’schem Geist angehaucht“.

So hieß es 1880 in der „Deutschen Musikzeitung“ in der Rezension der Uraufführung von Fuchs’ Klaviersonate op. 19, und der große Kritiker Max Kalbeck hat 1888 konstatiert, Fuchs’ Es-Dur-Symphonie „schließt sich an Schubert’s große Symphonie in C an“, also an dessen letzte Symphonie, „und besonders in ihren ersten beiden Sätzen … ist der Zusammenhang zwischen Schubert und Fuchs nicht abzuleugnen.“

Die Begeisterung für Schubert hat bei Johann Nepomuk Fuchs zu sehr praktischen Folgen geführt – zu Aufführungen. Bei Robert Fuchs hat sie inspirierend gewirkt und das oft angesprochene vermeintliche Vakuum in der Wiener Musikszene zwischen Schubert und Brahms erfolgreich überbrückt, also das in der Abfolge der musikalischen Stile immer gesuchte Evolutionsdenken befriedigt.

Brahms hat Schubert verehrt, ist aber Beethoven nachgefolgt, der eigentliche Schubert-Nachfolger war damals Brahms’ Freund Robert Fuchs. Besonders schön ist das auch in Klavierkompositionen von Robert Fuchs zu erkennen. Da gibt es Walzer, die nicht jenen seines Freundes Johann Strauss (Sohn) entsprechen, sondern irgendwo zwischen steirischen Landlern und Schubert’schen Walzern stehen, freilich in der harmonischen Welt von zwei Generationen nach Schubert. Sie vertreten also Schubert’schen Geist in der damals aktuellen neuen Musik und zeigen, wie auch manche Sätze in seiner sonstigen Instrumentalmusik, dass dieser Geist seinen Rückhalt auch in der Volksmusik hatte, ob in der Wiener oder in der steirischen.

Keine weiteren Details, nur eine Bekräftigung: Was die Brüder Fuchs – jeder auf seine Weise – für Schubert geleistet haben, war ein steirisches Geschenk an Wien, so wie Schuberts Besuche in Graz wie auf Schloss Wildbach und der tiefe Eindruck, den er bei Vater Fuchs hinterlassen hat, ein Wiener Geschenk an die Steiermark waren.