• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • Januar / Februar 2026
  • S. 6-7

Im Spannungsfeld von Kunst, Kirche und Diplomatie

Text: Mareike Wink

In: Magazin, Januar / Februar 2026, Oper Frankfurt, S. 6-7 [Publikumszeitschrift]

Oper ist und war schon immer international. Das wiederzuentdeckende Juwel Amor vien dal destino, das sich an eine Episode der Aeneis anlehnt, bezeugt dies auf besondere Weise: In einer außergewöhnlichen instrumentalen und vokalen Farbigkeit gestaltet Agostino Steffani die kontrastierenden Arien, Duette und kunstvollen Rezitative seines charmanten Dramma giocoso. Dessen enge Verwebung deutscher, französischer und italienischer Einflüsse spiegelt die bewegte Biografie des europäisch denkenden und agierenden Komponisten: Den Venezianer hatte es schon früh aus Norditalien an deutsche Fürstenhöfe verschlagen, wo er nicht nur als Musiker zu internationalem Ansehen gelangte, sondern auch als Diplomat und Geistlicher eine beachtliche Karriere machte. Aber der Reihe nach …

1654 wird Agostino Steffani bei Venedig geboren. Nach seiner Ausbildung im Chor der Basilica del Santo von Padua sammelt er erste Bühnenerfahrungen in der florierenden Opernstadt Venedig. Dort hört ihn zur Karnevalssaison 1666 der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria. Dieser ist so begeistert von Steffanis Stimme, dass er den Jungen gleich mitnimmt nach München, um ihn musikalisch weiter ausbilden zu lassen. Studienaufenthalte beim Kapellmeister am Petersdom in Rom sowie bei Jean-Baptiste Lully in Paris und Versailles ergänzen die Studien des Musicus. Bald ist der Name Agostino Steffani in aller Munde. Der junge Virtuose entzückt mit seinem Cembalospiel auch Frankreichs »Sonnenkönig« Ludwig XIV.

1680 lässt sich Steffani mit Abschluss seines parallelen Theologiestudiums zum Priester weihen. Ein Jahr später wird er am Münchner Hof zum Kammermusikdirektor ernannt und mit ersten diplomatischen Aufgaben betraut. In den nächsten Jahren entstehen fünf Opern sowie einige Kammerduette – jene beiden Gattungen, die Steffani zeitlebens bevorzugt und die ihm die Wertschätzung von Zeitgenossen wie Bach, Händel und Telemann einbringen. 


München – Hannover – Düsseldorf

Durch Vermittlung des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz geht Steffani 1688 als Hofkapellmeister nach Hannover. Mit dem Wechsel von einem katholischen an einen protestantischen Hof baut er sein politisches Netzwerk und seine Einflussmöglichkeiten weiter aus. Herzog Ernst August, der die Anerkennung Hannovers als Kurfürstentum anstrebt, will Steffanis diplomatisches Geschick, seine Beziehungen und musikalischen Dienste für diese Zwecke nutzen. Spektakulär gerät die Einweihung des neuen Opernhauses neben dem Hannover’schen Leineschloss, wofür Steffani das entsprechende Werk liefert: Enrico Leone. In den Folgejahren schreibt der Komponist weitere sieben Opern für das prächtige Theater, welches zu den größten und schönsten seiner Zeit zählt – darunter auch Amor vien dal destino.

In dieser Oper offenbart sich der Komponist als empfindsamer Künstler. Rund zwei Jahrhunderte vor Sigmund Freud setzt er sich vor dem Hintergrund der mythologischen Vorlage, die hier eher als Passepartout fungiert, mit dem Eigenleben menschlicher Gefühle und Träume auseinander. Dass die pflichtbewusste Lavinia und der vom Kampf müde Aeneas jedoch wie mit Blindheit geschlagen zu sein scheinen und erst nach einigen Umwegen zueinanderfinden, um Amors Pfeilschuss Rechnung zu tragen, scheint auch Steffanis eigene Erfahrungen als Heiratsvermittler zu spiegeln. Eine der wohl vornehmsten diplomatischen Aufgaben dieser Zeit.

Zwischenaufenthalte führen Steffani nach Brüssel und Berlin, wo er als musikalischer Berater von Preußens Königin Sophie Charlotte tätig ist, die der Hofmusiker als ehemalige welfische Prinzessin in Hannover in unterrichtet hatte.

In Düsseldorf, wo Amor vien dal destino 1709 schließlich uraufgeführt wird, steigt Steffani als pfälzischer Regierungspräsident auf der politischen Karriereleiter weiter auf. Er wird zum Privatsekretär, Geheimrat, Rektor der Universität Heidelberg, Minister und Präsident des Geistlichen Rats des kurfürstlichen Hofes ernannt. Zeitgleich wird er im Bamberger Dom zum Bischof geweiht und erhält den Titel des päpstlichen Thronassistenten. Bald darauf vermittelt Steffani im Streit zwischen Kaiser Joseph I. und Papst Clemens XI., was mit der Ernennung zum Delegaten des Heiligen Stuhls und Apostolischen Vikars in Hannover honoriert wird und in dem aussichtslosen Auftrag gipfelt, das Projekt der Rekatholisierung von protestantischen norddeutschen Fürstenhäusern voranzubringen.


Letzte Station: Frankfurt am Main

Voller Enthusiasmus und Tatendrang hatte der junge Agostino Steffani unzählige fruchtbare Grenzgänge zwischen kulturellen, politischen und konfessionellen Welten beschritten. Die permanenten Wechsel zwischen unterschiedlichsten Positionen, Themen, Zuständigkeiten, Loyalitäten und damit einhergehenden Zwängen und Einschränkungen hinterlassen mit der Zeit allerdings Spuren. Immer wieder muss der Komponist sein künstlerisches Schaffen, das u.a. 17 Opern, zahlreiche Kammerduette und geistliche Vokalmusik umfasst, beiseitelegen. Gleichzeitig ist es das Komponieren, worin Steffani zeitlebens seine emotionale Balance und Konzentration wiederfindet.

Dass ihn die Londoner Royal Academy of Vocal Music 1727 zum Präsidenten wählt, erfüllt den bereits geschwächten Musiker mit Freude und Stolz. Die Reise nach London nimmt er jedoch nicht mehr auf sich. Stattdessen tritt Steffani seine endgültige Rückkehr nach Italien an, um sich in Padua zur Ruhe zu setzen. Auf dem Weg in den Süden macht er im Februar 1728 in Frankfurt am Main Halt, um seine angeschlagene Finanzsituation durch den Verkauf italienischer Kunstwerke aufzubessern. Gerade in der Stadt angekommen, ereilt den 74-Jährigen ein tödlicher Schlaganfall. So kommt es, dass dieser große Europäer im Frankfurter Kaiserdom seine letzte Ruhestätte findet. In dessen Magdalenenkapelle erinnert ein Epitaph aus schwarzem Marmor an den bedeutenden Musiker, Diplomaten, Bischof, Universalgeist.

 


 

AMOR VIEN DAL DESTINO
Agostino Steffani 1654–1728

Oper in drei Akten / Text von Ortensio Mauro nach Vergil / Uraufführung 1709, Hofoper, Düsseldorf / In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

FRANKFURTER ERSTAUFFÜHRUNG Sonntag, 25. Januar
VORSTELLUNGEN 30. Januar / 5., 7., 15., 18., 20., 28. Februar

MUSIKALISCHE LEITUNG Václav Luks INSZENIERUNG R.B. Schlather BÜHNENBILD Anna-Sofia Kirsch KOSTÜME Katrin Lea Tag LICHT Jan Hartmann DRAMATURGIE Mareike Wink

LAVINIA Margherita Maria Sala ENEA Michael Porter TURNO Karolina Makuła LATINO Thomas Faulkner GIUTURNA / VENERE Daniela Zib° NICEA Theo Lebow CORALTO / GIOVE Constantin Zimmermann COREBO / FAUNO Pete Thanapat

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