• Magazin
  • Oper Frankfurt
  • März/April 2020
  • S. 34

Neu im Ensemble

Flat White, Instinkt und Poesie

Bianca Andrew. Mezzosopran

Text: Zsolt Horpácsy

In: Magazin, März/April 2020, Oper Frankfurt, S. 34 [Publikumszeitschrift]

Biancas Weg ins Frankfurter Ensemble begann 2017, mit einer Enttäuschung. Beim Wettbewerb »Neue Stimmen« in Gütersloh schied sie schon nach der ersten Runde aus. Doch Jurymitglied Bernd Loebe unterhielt sich anschließend mit ihr und gab ihr ein detailliertes und einfühlsames Feedback. Trotzdem, so erinnert sie sich gut, sei sie niedergeschlagen nach London zurückgefahren, wo sie seit 2014 bei Yvonne Kenny an der Guildhall School of Music & Drama studierte. Und kurz darauf die Überraschung: Das Angebot der Oper Frankfurt, ab sofort Mitglied des Opernstudios zu werden. »Natürlich nahm ich es sofort an. Das war das Beste, was mir passieren konnte.«

Neben der Einrichtung eines Bankkontos und Wohnungsbesichtigungen gehörte die Suche nach dem perfekten Flat White zu Biancas Prioritäten bei ihrem Umzug nach Frankfurt. Für eine/n Neuseeländer*in ist der gute Kaffee wie die Garantie für ein glückliches Leben. Schließlich fand sie ihre Wohnung im Ostend und bald darauf das Café Nr. 48 in der Rotlintstraße. Seitdem trinkt sie dort jeden Morgen einen Flat White und fühlt sich wie eine Einheimische.

Trotzdem plagt sie das Heimweh. Insbesondere vermisst Bianca ihre fünf jüngeren Geschwister. Kürzlich skypte sie in der Pause einer Don Carlo-Aufführung mit ihnen. Die Familie frühstückte gerade, und die Kleinen waren verwirrt, ihre große Schwester im Tebaldo-Kostüm mit einem schwarzen Schnurrbart zu sehen.

Die Arbeit an der Oper Frankfurt habe sie vom ersten Tag an beeindruckt: zum einen wegen des sehr hohen Niveaus der Kolleg*innen und zum anderen wegen der außergewöhnlichen Kollegialität und freundlichen Atmosphäre. Da helfe jeder jedem und freue sich über den Erfolg des anderen. »Seit ich hier bin, haben sich meine Stimme und mein künstlerischer Instinkt stark weiterentwickelt.«

Neben Auftritten als Ein Musiker in der Neuproduktion von Manon Lescaut sowie in Křeneks Das geheime Königreich war Bianca Andrew als Alkandre in Pénélope und als Tebaldo sowie als Mercédès (Carmen) zu erleben und freut sich auf ein weiteres Rollendebüt: Zerlina in Don Giovanni. Zuvor machte sie hier u.a. als Anna (L’Africaine) und Enrichetta di Francia (I puritani) auf sich aufmerksam. In einem Liederabend im Holzfoyer zeigte sich die mit dem Song Prize bei den Kathleen Ferrier Awards 2016 ausgezeichnete Sängerin als einfühlsame Interpretin.

Wie jede junge Sängerin träumt Bianca von bestimmten Partien: Bellinis Romeo in I Capuleti e i Montecchi, Niklausse in Offenbachs Les contes d’Hoffmann, Octavian (Der Rosenkavalier) und der Komponist (Ariadne auf Naxos) stehen weit oben auf ihrer Liste, die sich nicht nur aus Hosenrollen zusammensetzt: Angeführt werde sie derzeit von Cendrillon in Jules Massenets zauberhafter Aschenbrödel-Vertonung.