- Foyer5
- Landestheater Linz
- # 15 | November/Dezember 2019
- S. 49
Bruckner Orchester Linz
Im Zweifel tanzen!
Text: Norbert Trawöger
In: Foyer5, # 15 | November/Dezember 2019, Landestheater Linz, S. 49 [Publikumszeitschrift]
„Über Musik zu schreiben ist wie über Architektur zu tanzen“, soll Frank Zappa gesagt haben. Dies wird nicht nur in den Weiten des Internets, sondern auch in gedruckten Publikationen tausendfach behauptet. Sucht man aber aktiv nach Belegen dafür, kommt man drauf, dass Zappa nur sinngemäß Ähnliches von sich gegeben hat. Das Originalzitat stammt aus einem 36 Jahre alten Interview mit dem britischen Singersongwriter Elvis Costello und lautet in voller Länge: „Writing about music is like dancing about architecture – it’s a really stupid thing to want to do.” So geht es mit den Unterstellungen, man stellt sie jemand Prominentem unter, dem man sie zutraut. Die tausendfache Wiederholung bestätigt die Glaubwürdigkeit und lässt Zweifel erst gar nicht mehr aufkommen. Apropos! „Wer hohe Türme baut, muss lange am Fundament verweilen“, wird die Autorschaft Anton Bruckners nachgesagt. So zutreffend dieses Zitat vielleicht für sein Schaffen sein kann, so wenig gibt es ein Indiz dafür, dass er es je ausgesprochen hat. Obendrein wird dieser Satz ebenso Aristoteles angedichtet. Für diesen Fall ist er schon gut 2100 Jahre vor Bruckners Geburt gefallen. Der Zweifel feiert in unseren Tagen nicht unbedingt Hochfeste. Oft und lautstark etwas zu verkünden, reicht für die Wahrheit zu oft aus. Etwas zu hinterfragen heißt nicht gleich misstrauisch durch die Welt zu gehen. So sind viele Klischees und Wahrheiten rund um Bruckner in Zweifel zu ziehen.
Er war gewiss ein frommer Mann, aber kein „Musikant Gottes“. Und dies gilt vor allem für die Aufführungsgeschichte seines Werks, in die sich epische Breiten, Pathos und viel Weihrauch imprägniert haben, ohne am Papier, in der Partitur wirklich manifest zu sein. Der Partitur auf der Spur zu sein heißt in dem Sinn nichts anderes, als Fragen zu stellen. Die Antworten darauf werden nicht weniger vielfältig ausfallen, denn letztlich entscheidet die Interpretin, der Interpret, was zumindest für den Moment des Erklingens wahr ist. Bruckner beherrschte sein kompositorisches Handwerk wie wenige im 19. Jahrhundert und begriff sich im Fluss der Musikgeschichte. Seine singuläre Musik zeugt vom Blick eines Avantgarde-Schaffenden, der die Zukunft voraushört. In dieser unverwechselbaren Mischung von Tradition und Innovation ist Bruckner und seine Musik typisch oberösterreichisch, behaupte ich gar nicht so kühn. 2024 begeht Bruckner seinen 200. Geburtstag. Zweifellos eine gute Gelegenheit, uns zu feiern.
Norbert Trawöger
Künstlerischer Direktor
Bruckner Orchester Linz
- Quelle:
- Foyer5
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- # 15 | November/Dezember 2019
- S. 49
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