Takeshi Moriuchi. Studienleiter
Über Oper versus Fußball, Jeans zum ersten Date und Frankfurts gefährliche Seiten
Text: Mareike Wink
In: Magazin, August-Oktober 2019, Oper Frankfurt, S. 35 [Publikumszeitschrift]
»Es gibt in meinem Job keine Aufgabe, die mir keinen Spaß macht«, sagt Takeshi Moriuchi, der es als »wahren Luxus« bezeichnet, als Studienleiter an der Oper Frankfurt engagiert zu sein. In dieser Position ist er seit der Spielzeit 2018/19 für die Korrepetition der Sänger*innen und die Einteilung der Pianist*innen verantwortlich. Hin und wieder steht der vormalige Kapellmeister des Landestheaters Linz, wo er zuletzt auch das Opernstudio leitete, selbst am Pult. Jüngst ganz unverhofft, als er in einer Vorstellung von La forza del destino nach einem Schwächeanfall des Dirigenten kurzerhand übernahm und den Abend zu Ende dirigierte. In der aktuellen Spielzeit leitet Moriuchi u. a. Vorstellungen von Manon Lescaut. Am Ende eines Arbeitstages, der meist um 9.30 Uhr beginnt, geht der Studienleiter, wenn er nicht selbst eine Probe spielt oder leitet, häufig in die Vorstellung, »um zu hören, ob es vielleicht noch Nachbesserungsbedarf gibt«. Dazwischen beantwortet er E-Mails und prüft Fassungs- oder Strichwünsche. »Das Wichtigste in meinem Job ist, möglichst schnell zu reagieren. Und das Tempo an unserem Haus ist sehr hoch. Ein guter Studienleiter sollte flexibel, aufmerksam und aufnahmebereit sein, etwas von Stimmen verstehen und eine gute Repertoirekenntnis besitzen. Ich habe selbst erst durch langjährige Erfahrung verstanden, was diese Stelle überhaupt bedeutet.«
Für Takeshi Moriuchi war früh klar, dass er in seiner Heimatstadt Tokio Klavier studieren würde. »Obwohl ... Die japanische Profi-Fußballliga existiert seit 1993. Wenn es sie schon fünf Jahre früher gegeben hätte ...« Von seinem Büro im 7. Stock kann der Studienleiter die Commerzbank-Arena sehen. »Seit ich in Frankfurt wohne, bin ich natürlich Eintracht-Fan.«
Auch über die Entscheidung, nach Europa zu gehen und bei Dennis Russell Davies in Salzburg Dirigieren zu studieren, musste Takeshi Moriuchi nicht lange nachdenken: »Ich wollte unbedingt Dirigent werden und hatte mich intensiv mit deutschen Liedern beschäftigt. Es heißt ja, Deutsche und Japaner hätten eine ähnliche Mentalität, was ich nach wie vor nicht beurteilen kann. Irgendwer sagte jedenfalls zu mir: Wenn man etwas lernen will, sollte man das lernen, was man selbst nicht drauf hat. Also bin ich nach Österreich gegangen. Und nach 15 Jahren dort kann ich zumindest behaupten, dass sich die österreichische und die japanische Mentalität stark unterscheiden.«
Ohne den wohl berühmtesten Salzburger hätten die Oper und Takeshi Moriuchi vielleicht gar nicht zueinander gefunden: »Als Jugendlicher konnte ich Oper nicht viel abgewinnen. Eines Tages hat mich mein Schuldirektor zu sich gerufen. Er zeigte mir ein Ticket: ›Die Metropolitan Opera gastiert mit Così fan tutte. Ich kann nicht hingehen. Möchtest du?‹ Ich hatte keine Zeit mich umzuziehen. Also saß ich in Jeans und T-Shirt in der Vorstellung, was mir ziemlich peinlich war. In Japan ist ja alles noch formeller als hier. So oder so – ich war hin und weg! Heute kann ich eine Vorstellung nur noch selten ganz ›unbefangen‹ genießen, trotzdem gibt es Momente, in denen ich den Tränen nahe bin – wie zuletzt bei Daphne und beim Fernen Klang.« Die Kunstform Oper birgt für Moriuchi gerade in unserer schnelllebigen Zeit nicht nur als emotionaler Raum ein großes Potenzial: »Das Theater ist etwas, das nicht alltäglich ist. In diesem Nicht-Alltäglichen liegt seine Kraft und zugleich unsere größte Herausforderung. Sich dieser Herausforderung an einem Haus wie der Oper Frankfurt zu stellen, ist ein großer Glücksfall.«
Aber wer oder was hat ihn nach Frankfurt geführt? »Wenn man so will, war es Der Rosenkavalier. Vor zwei Jahren habe ich Sebastian Weigle in Tokio assistiert. Irgendwann hat er mich gefragt, ob ich Lust hätte, nach Frankfurt zu kommen. Und nach nur einem Jahr fühle ich mich hier schon wie zu Hause. Ich mag die Stimmung und die Internationalität der Stadt.« Bereits in seinem ersten Jahr wurde Takeshi Moriuchi von der Kommunalen Ausländer- und Ausländerinnenvertretung der Stadt als eine herausragende Persönlichkeit mit Migrationshintergrund geehrt. Ob es etwas gibt, das er an Frankfurt schwierig findet? Moriuchi lacht: »Ich stoße hier an jeder Ecke auf etwas Gutes, was Essen oder Trinken betrifft. Das finde ich mehr als schwierig. Das ist gefährlich!«