• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 6 | Herbst 2017
  • S. 34

Komponistenportrait

Simon Sechter

„Mir scheint, Sie sind auch einer von denen...“

Text: Monika Jaroš

In: Magazin Klassik, # 6 | Herbst 2017, Radio Klassik Stephansdom, S. 34 [Hörermagazin]

Simon Sechter, im 19. Jahrhundert die unumstrittene Instanz der Musiktheorie, duldete keine Abweichungen vom strengen Satz – auch nicht von seinem Lieblingsschüler Anton Bruckner. Das wussten alle, die zu dem „personifizierten Contrapunct“ pilgerten, der von sich behauptete: „Der Contrapunct ist mir so ans Herz gewachsen, daß ich ihn nicht losbringen kann. Höchstens gelingt es mir, mich durch ein trockenes Rezitativ auf kurze Zeit freizumachen.“ Sein Ruf als absolute Autorität in Sachen Kontrapunkt und Harmonielehre lockte unzählige Wissbegierige nach Wien, die am Konservatorium sowie in Privatstunden an den Lippen des tabakschnupfenden Fugengenies hingen, darunter Musikprominenz à la Lachner, Herbeck, Ziehrer, Zeller, Thalberg, Vieuxtemps, Leschetizky und Hans Richter, aber auch Vertreter der schreibenden Zunft wie die Historiker Carl Ferdinand Pohl und Gustav Nottebohm oder der Dichter der Nation Franz Grillparzer. Doch was machte den gebürtigen Böhmen zum Lehrer par excellence von dem selbst „gestandene“ Komponisten wie Schubert und Bruckner glaubten, noch etwas lernen zu können?

Autodidaktisch an Marpurg, Kirnberger & Co geschult, revolutionierte Sechter 1853/54 mit dem Lehrwerk „Die Grundsätze der musikalischen Composition“ die Wiener Theorie- und Unterrichtswelt. Während andernorts die Widersprüchlichkeiten seines Prinzips des „verschwiegenen Fundaments“ bald aufgedeckt wurden, ließ man sich in der Kaiserstadt von derartigen Kleinigkeiten nicht beirren und tradierte bis zu Enkelschülern wie Alma MahlerWerfel, Paul Wittgenstein und Arnold Schönberg jene Fülle merkwürdigster Harmoniefolgen, die man außerhalb der Sechterschen Bücher vergebens sucht. Sechters praxisferne Theorie spiegelt sich denn auch in seinen eigenen Werken wider und kaum ein Ausspruch passt so gut auf ihn wie das süffisante Urteil des Musikschriftstellers Franz Gernerth über den Komponisten-Typus des „gelehrten Theoretikers“: „Ein Mann, der die Theorie der Musik ganz und gar inne hat, verirrt sich auf das schöpferische Gebiet und setzt alles in Musik. Seine Freunde staunen über die Kunst, aber so oft er ihnen etwas produciert, ist ihre Hand schnell in Bewegung; entweder sie müßen das Gähnen oder das Lachen damit verstellen.“ Lässt sich von Glück sagen, dass seine Schülerschar kreativer mit den bei ihm erlernten Grundsätzen umging als ihr Lehrer und so gedenken wir Sechters 150. Todestag mit Musik seiner „S-Klasse“… womit nicht die Luxus-Limousinen gemeint sind, sondern Komponisten der Spitzenklasse – Meisterschüler des einzig wahren „Wächters des strengen Satzes“.


Radiotipp
Die S-Klasse: Simon Sechters Schüler

11. bis 17. September 2017

Ein Schüler-Lehrer-Schwerpunkt rund um Sechters 150. Todestag (10. September 1867) passend zu Schulbeginn.