- PROspekt
- Theater Erfurt
- # 2 | Dezember 2016 - Februar 2017
- S. 5-6
Premiere
Die verkaufte Braut
Text: Arne Langer
In: PROspekt, # 2 | Dezember 2016 - Februar 2017, Theater Erfurt, S. 5-6 [Publikumszeitschrift]
Ohne Geld, dass lass dir sagen,
ist jede Heirat nur ein Meer von Plagen
Die Geschichte von der Verkauften Braut spielt im
Böhmischen, könnte sich aber ohne weiteres – wäre da nicht die Musik – auch im
bäuerlichen Milieu eines anderen Landes zugetragen haben. Dieser Bauernalltag bekommt
da exemplarische Züge, wo Liebe und Besitzdenken hart aufeinanderstoßen. Freilich
handelt es sich bei der Verkauften Braut um eine komische Oper, in der
die Liebenden am Ende, allen Winkelzügen zum Trotz, ein Paar werden. Doch wie
jede echte Komödie streift auch diese die Grenze zur Tragödie, bevor sich alles
zum Guten wendet.
Wirklich zum Guten? Mit Zweifeln an Hans’ rückhaltloser
Liebe beginnt die Oper für Marie. Sie, die unmittelbar vor der Begegnung
mit einem Bräutigam steht, dem sie ihr Vater bereits zugesprochen hat, ist von
der Sorglosigkeit des Geliebten beunruhigt. Vertrauen verlangt er, doch er vertraut
sich ihr nicht an. Einer ganzen eindringlichen Arie bedarf es, ihn zum Reden zu
bringen. Und doch erfährt Marie nicht mehr, als dass ihm eine hartherzige Stiefmutter
das Vaterhaus verleidet und ihn so in die Fremde getrieben habe. Allerdings scheint
aus seiner Musik eine Sehnsucht nach Geborgenheit auf, die er, als Fremdling
zurückgekehrt, noch längst nicht gefunden hat und die hier auch nicht zu finden
ist, denn die liebende Marie fühlt sich nicht weniger fremd als er, wie beider
Übereinstimmung im Duett bezeugt. Glaubt man sich dabei nicht unversehens an
Smetanas Situation nach seiner Rückkehr aus dem schwedischen Exil gemahnt?
Hans’ Liebe ist gewiss nicht anzuzweifeln. Doch statt
gemeinsam mit Marie gegen alle Widersacher anzutreten, sucht er diese auf
eigene Faust zu übertölpeln. Das in seiner Not allein gelassene Mädchen, das
sich von Hans für Geld verraten glauben muss, zerbricht fast daran. Wohl klärt
sich der wahre Sachverhalt noch rechtzeitig auf, aber das gemeinsame Glück des
Paares ist nun doch mehr eine sehr ernste Aufgabe denn frohe Gewissheit.
Schließlich ist auch Marie nicht zimperlich gewesen bei dem Versuch, ihre Liebe
auf Kosten eines anderen zu retten.
Dieser andere ist Wenzel, wohl der Einsamste im Dorf
und der Hilfloseste in dem so heiter anmutenden, schrecklichen Handel um
Menschen. Von der Mutter verhätschelt, ist er in einer Unselbständigkeit herangewachsen,
die ihm nicht nur die Entwicklung, sondern sogar die Rede hemmte. Jeder nutzt
ihn für eigene Interessen aus, selbst Marie gerät an ihm – indem sie das Unschuldslamm
belügt undverschreckt – ins Zwielicht. Smetana lässt den stotternden Wenzel
durchaus nicht als Dorftrottel durch die Oper gehen. Zwar gibt auch die
Komposition dessen Artikulationsschwierigkeiten wieder, aber wo er vom Heiraten
und der Liebe spricht, klingen sehr innige lyrische Töne an. Und im Duett mit
Marie, die ihm so große Hoffnung zu machen scheint, lösen sich seine Hemmungen
und beider Stimmen vereinen sich am Ende zu strahlendem Unisono, als ob sich
die richtigen Partner gefunden hätten. Wäre es ganz abwegig, diese Figur, der
Smetana kompositorisch seine besondere Liebe angedeihen ließ, mit dem zur
Entstehungszeit des Werkes nach Selbständigkeit und Mündigkeit strebenden tschechischen
Volk zu assoziieren?
Nur scheinbar ist der Heiratsvermittler Kezal derjenige,
der die verheerende Verwirrung der menschlichen Beziehungen verursacht. Für ihn
sind sie nichts als Ware mit Geldwert, er macht die Geschäfte anderer zu den
seinen. Dazu muss er mehr und schärfere Intelligenz aufbringen als seine
Kunden. Doch wenn er – wie in unserem Falle – nicht zum Ziel kommt, wird ihm
alle Schuld angelastet. Kezals Musik ist die bewegteste, ihr Gestus der am
häufigsten wechselnde. Darin spiegelt sich die taktische Vielseitigkeit des
demagogisch Überredenden, sein waches Reagieren. Daraus erwächst schließlich
ein geradezu lustvolles Kräftemessen im Duett mit Hans, das seit langem eine
Lieblingsnummer von Wunschkonzerthörern ist.
Den Boden für die alltägliche und dennoch exemplarische
Geschichte gibt das Leben der Bauern. Ihre kraftvollen Chöre kommentieren,
greifen ein, distanzieren sich. Ihre Tänze sind voller Elan, sind Entfesselung,
Ausbruch aus den Mühen und Sorgen des Tages. Ihre lebensbejahende Energie ist
es weit mehr als alle folkloristischen Anklänge, die der Verkauften Braut über
die Musikkomödie hinaus den Charakter einer Volksoper verleiht.
Aber weder Smetana noch der Librettist Karel Sabina waren sich bewusst, dass sie ein Meisterwerk geschaffen hatten. Sabina bekannte, wenn er geahnt hätte, was aus seiner „Operette“ werden würde, er hätte sich mehr Mühe gegeben. Smetana nannte sie „... eigentlich nur eine Spielerei“, geschrieben „aus Trotz“, um dem Vorwurf zu begegnen, er sei ein Wagnerianer. Erst als die Oper in Petersburg trotz Erfolgs negativ rezensiert wurde und ein Kritiker sie unter die Burlesken Offenbachs stellte, gab der Komponist seiner Empörung Ausdruck: „Und keiner der Herren hat gemerkt, dass ich mich ans Beispiel Mozarts und seiner komischen Oper gehalten habe!“
Die verkaufte
Braut
Oper in drei
Akten
von Bedřich
Smetana
Text von
Karel Sabina
UA Prag 1866
In deutscher
Sprache
mit
gesprochenen Dialogen
(Bühnenfassung
von Carl Riha
und Winfried
Höntsch)
Musikalische Leitung
Zoi Tsokanou
Inszenierung
Markus
Weckesser
Ausstattung
Mila van
Daag
Besetzung
Kruschina, Bauer: Juri Batukov
Ludmilla, seine Frau: Stéphanie Müther
Marie, beider Tochter: Margrethe Fredheim
Micha, Grundbesitzer: Vazgen Gazaryan
Agnes, seine Frau: Astrid Thelemann
Wenzel, beider Sohn: Julian Freibott
Hans, Michas Sohn aus erster Ehe: Thomas Paul
Kezal, Heiratsvermittler: Gregor Loebel
u.a.
Opernchor
des Theaters Erfurt
Philharmonisches
Orchester Erfurt
Premiere
Sa, 17.
Dezember 2016, 19.30 Uhr
Großes Haus
Weitere Vorstellungen
Mo, 26.12.2016 | So, 08.01. | Sa, 28.01. | Fr, 17.02. | Fr,
17.03. | So, 02.04. | So, 07.05.2017
Matinee
Regieteam
und Ensemble stellen sich vor
So, 11.
Dezember 2016, 11 Uhr
Großes Haus, Eintritt frei
Rang frei!
Der
öffentliche Probenbesuch
Di, 13.
Dezember 2016, 18.30 Uhr
99 Zählkarten ab 17.30 Uhr
am
Studioeingang, Eintritt frei
- Quelle:
- PROspekt
- Theater Erfurt
- # 2 | Dezember 2016 - Februar 2017
- S. 5-6
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