Domstufen-Festspiele
Licht- und Tonregie aus dem Krankenwagen
Text: Harald Gebauer
In: PROspekt, # 4 | August-November 2017, Theater Erfurt, S. 19 [Publikumszeitschrift]
Die Städtischen Bühnen Erfurt nutzten ab 1960 die Domstufen für sommerliche Freilichtaufführungen. Auf dem Programm standen Schauspielklassiker von Schiller, Goethe oder Shakespeare. Der 1964 neu verpflichtete Intendant Bodo Witte entschied sich, für den Sommer 1966 erstmals eine Oper auf den Domstufen zu zeigen: Verdis Troubadour. Angekündigt wurden die Aufführungen als Beitrag zur zweiten internationalen Gartenbauausstellung „iga 66“. Da eine künstlerisch vertretbare akustische Verstärkung von Gesang und Orchester mit den Mitteln der Zeit nicht zu realisieren war, bildete eine Studioaufnahme die Grundlage für die Aufführungen. Dazu begaben sich Solisten, Chor und Orchester des Erfurter Theaters ins Funkhaus Weimar, um unter der musikalischen Leitung des 1. Kapellmeisters Heinz Struve die Oper einzuspielen. Auf den Domstufen agierten dann die Darsteller im Vollplayback unter der Regie des damaligen Operndirektors Wolfgang Gubisch, jedoch ohne Orchester und Dirigenten.
Für das Publikum standen ebenerdig auf dem sehr welligen Pflaster hölzerne Klappstühle, die 1966 bereits ziemlich lädiert waren. Als Sichtschutz hatte man schwarz bespannte Wände um das Publikum herum aufgebaut, doch gab es immer wieder Zaungäste, die mit Hilfe eines Hockers oder einer Trittleiter die Vorstellung verfolgten. Desweiteren stand auf dem Gelände ein ausrangierter Krankenwagen, der auf engstem Raum die Licht- und Tonregie beherbergte. Das nicht mehr fahrtüchtige bzw. straßentaugliche Fahrzeug musste von der Bühnentechnik von seinem Abstellplatz in einem Außenlager des Theaters zum Domplatz befördert werden. Darin lief während der Vorstellungen das Tonband mit den Musikaufzeichnungen, vorsorglich gab es für alle Fälle ein Ersatzband. Trotz des im Vergleich mit den zahlreichen heutigen Positionen von Scheinwerfern, Projektoren und Lichteffektgeräten geradezu bescheidenen Aufwands an Beleuchtungstechnik fand die Ausleuchtung der Szenerie von Dom und Severi großen Anklang – auch weil damals beide Kirchen noch nicht so effektvoll beleuchtet wurden wie heute.
Auf den Stufen selbst gab es bei dieser Inszenierung so gut wie keine Dekoration,
doch sorgten große Feuerschalen für eine
typische Troubadour-Szenerie. Da aber ab
dem folgenden Jahr der Dom wegen des
Umbaus der gesamten Dachkonstruktion
über mehrere Jahre eine Baustelle war, gab
es erst einmal keine Fortsetzung der Theateraufführungen auf den Domstufen. Dies
geschah erst unter neuen Vorzeichen 1994
mit der Gründung der DomStufen-Festspiele in der Landeshauptstadt.
Harald Gebauer
war von 1965 bis 2002 Technischer Direktor
des Theaters Erfurt
- Quelle:
- PROspekt
- Theater Erfurt
- # 4 | August-November 2017
- S. 19
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