• PROspekt
  • Theater Erfurt
  • # 5 | Dezember 2017 - Februar 2018
  • S. 9-11

Titel

Eine dicke Männerfreundschaft und Sandkuchen zur Premiere

Julian Freibott über Talent, Klischees und die Lust, sich zu blamieren

Interview: Alexandra Kehr

In: PROspekt, # 5 | Dezember 2017 - Februar 2018, Theater Erfurt, S. 9-11 [Publikumszeitschrift]

Seit dieser Spielzeit gehört der Tenor Julian Freibott zum festen Sängerensemble des Theaters Erfurt. Aufgewachsen in einer fränkischen Kleinstadt, gaben ihn seine Eltern schon als kleinen Bub zu den Regensburger Domspatzen. Es folgten ein Gesangsstudium in Würzburg mit Diplomabschluss, ein Meisterklassen-Studium in Düsseldorf und erste erfolgreiche Schritte auf dem freien Sänger-Markt. Nach Erfurt kam Julian Freibott Anfang 2016 für Monteverdis Heimkehr des Odysseus und die Uraufführung der Oper Gutenberg. Doch spätestens mit der Rolle des Wenzel in Bedřich Smetanas Oper Die verkaufte Braut (Premiere war im Dezember 2016) hat sich der 27-Jährige in die Herzen eines großen Publikums gesungen und gespielt. Sich in den „Wenzel-Charakter“ einzufühlen sei ihm übrigens nicht schwergefallen, so Freibott. In unserem Interview verrät er den Grund dafür und plaudert zudem offen und humorvoll aus dem „Tenorkästchen“. 

Stellen als Opernsänger sind rar. Und trotzdem hast du dich für diesen Beruf entschieden, in dem man einerseits die Welt kennenlernen kann, der aber keinerlei dauerhafte Sicherheit garantiert. Warum?

Keine Sicherheit? Was? Das sagt ihr mir jetzt erst? (lacht) Was soll’s. Nur der Tod ist sicher. Davon abgesehen: Nirgends auf der Welt werden wir Bühnentiere so artgerecht gehalten wie in Deutschland. Ich konnte bisher immer meine Miete bezahlen und hatte genug zu essen. Dafür bin ich dankbar!

Während deines Gesangsstudiums hast du tatsächlich kurz ans Aufgeben gedacht. Was war passiert?

An den Musikhochschulen gibt es immer wieder Gesangslehrer, die sich eher als Bühnenkünstler denn als große Pädagogen verdient machen. Ich bin ziemlich blauäugig in mein erstes Studium gegangen und stimmlich und persönlich dann schnell an meine Grenzen gestoßen. Von großen Erwartungen erdrückt hatte ich die beseelte Leichtigkeit und die Freude am Singen, an der Musik verloren. Doch jedes Hindernis ist ein verschleierter Segen! Ich musste meine Richtung ändern, habe im richtigen Moment Konrad Jarnot kennengelernt, und wiederentdeckt, was ich am Singen und Sängersein so liebe.

Also hast du durchaus an deinem Talent gezweifelt?

Ich war sehr verunsichert, aber nicht verzweifelt! Professor Jarnot hat Talente in mir gesehen, sie wachsen lassen, bis ich auch an sie glauben konnte, und mich auf die Bühne gebracht.

Apropos Talent. In Markus Weckessers Inszenierung der Oper Die verkaufte Braut hast du als Wenzel großes Talent zur Komik mit Tiefgang bewiesen. Wo kommt das her?

Der Wenzel ist der verhätschelte Stotterer, über den das ganze Dorf lacht. Ich weiß, wie es ist, der vertrauensselige und ulkige Kleinste unter Brüdern zu sein. Kein Haudrauf, sondern einer, der verträumt abseits steht. Wenzel ist klug, aber tollpatschig. Keiner nimmt ihn ernst. Trotzdem fasst er den Mut, sich dem Publikum anzuvertrauen und offen seine Probleme zu gestehen. Das macht er mit einer solch naiven Ernsthaftigkeit, dass es mich zu Tränen rührt. Ich kann ja nicht aus seiner Haut! (lacht) Mein Patensohn hat mir kurz vor der Premiere mit der Ernsthaftigkeit eines Bankers einen Sandkuchen gebacken und verkauft. Ich war gerührt. Das ist es, dachte ich mir, das ist das Wenzelgeheimnis!

Gerade bist du als Prinz Tamino in der Zauberflöte zu erleben und in Kürze sehen wir dich als Camille du Rosillon in der Operette Die lustige Witwe. Typische Tenorrollen, die einfach dazugehören, oder ein persönliches Wunschkonzert für dich?

Das sind sehr anspruchsvolle Partien, die ich mit Demut und Begeisterung angehe. Als junger Tenor im ersten Festengagement gleich mit diesen großen Partien bedacht zu werden, freut und ehrt mich sehr! Ich werde toll unterstützt und aufgebaut, ge-, aber nicht überfordert. Tamino und Camille sind ja junge Männer, die was erleben wollen. Das ist also schon jetzt eine dicke Männerfreundschaft zwischen uns dreien! Hoffentlich hält die ein Leben lang! (lacht)

Es gibt jede Menge wunderschöne Tenorpartien, bei denen einem das Herz aufgeht. Welche ist dir die liebste?

Ich bin immer in meine jeweils aktuellen Rollen so vernarrt, dass sie mir wie die schönsten und wunderbarsten Partien aller Zeiten vorkommen. Obwohl – Die schöne Müllerin von Schubert ist mir stets die allerallerliebste!

Heldentenor Klaus Florian Vogt hat ja mit seinem Lohengrin-Debüt 2002 am Theater Erfurt seine Erfolgskarriere begonnen. Ein Vorbild für dich?

Dass Herr Vogt dort begann, wo ich selber gerade meine ersten Schritte mache, macht seine Karriere natürlich besonders spannend für mich. Ich merke aber auch: Die eine Sängerkarriere gibt es nicht. Und bleibt man stets auf seinem eigenen Weg, kann man bekanntlich nicht überholt werden.

Wie sieht das Rollenstudium bei dir aus, und was hilft dir dabei?

Rollenvorbereitung ist viel Arbeit im stillen Kämmerlein. Ich singe mir die Partie, so gut es ohne Zuschauer eben geht, in den Körper, lese ganz viel drumherum, schaue das Stück, wenn möglich, an anderen Theatern. Das Handy ausschalten hilft, ein Klavier hilft, tolle Aufnahmen hören hilft, gutes Essen hilft, Ralph Neubert hilft. (Studienleiter am Theater Erfurt, Anm. der Redaktion)

Welchen guten Rat könntest du aufgrund deiner bisherigen Erfahrung als Sänger jetzt schon weitergeben an jemanden, der ebenfalls auf die Opernbühne möchte?

Höre dir die Schüler des Lehrers an, für den du dich interessierst! Sind sie Berufssänger geworden oder dann eher in anderen Berufen gelandet? Und: Vertiefe dich ernsthaft in deine Tätigkeit, denn darin liegt wahres Glück! Lerne jeden Tag ein Gedicht, eine Melodie, ein Lied auswendig. Jongliere, schlag ein Rad, hüpf auf einem Bein durchs Treppenhaus, brich aus den gewohnten Bahnen aus und lerne, das zu lieben, blamier dich!

Jetzt darfst du gerne noch mit ein paar Klischees über Opernsänger oder auch ganz speziell über Tenöre aufräumen …

Tenöre sind eitel, haben große Bäuche, immer einen weißen Schal um den Hals und trällern rund um die Uhr. Die Bayern tragen nur Dirndl und Lederhose und leben von Weißwurscht und Bier. Das sind Tatsachen, da bringt auch Aufräumen nichts! (lacht)

Kennst du auch das Klischee, dass Tenöre besonders viel Glück bei den Frauen haben sollen?

Es ist besonderes Glück, wenn man wie ich eine findet, die damit klarkommt, dass man jeden Abend für Geld mit einer Anderen rumknutscht, während 800 Leute zuschauen.

Und hast du denn schon jemals eine Frau mit deinem Gesang verführt?

Ich glaube, es ist besser, bei den ersten Dates den Mund zu halten und einfach zuzuhören!

Du schwärmst ganz offenherzig nicht nur von unserem Theater, sondern auch von der Stadt Erfurt. Was bedeutet dir das Engagement hier?

Erfurt ist viel mehr als nur wunderschöne Innenstadtkulisse für Touristen. Man findet unzählige Beispiele wie den Nordbahnhof oder den Gemeinschaftsgarten Paradies: Die Erfurter gestalten ihre Umgebung, schaffen Raum für Gemeinschaft, warten nicht auf den großen Anstoß durchs Rathaus. Hier kenne ich meine Nachbarn, bin nicht ständig auf dem Sprung, habe meinen Platz gefunden. Das bedeutet mir sehr viel! Ich bin von Natur aus zufrieden, aber hier fällt es mir doch besonders leicht.

PDF-Download

Artikelliste dieser Ausgabe