• PROspekt
  • Theater Erfurt
  • # 6 | März-Juni 2018
  • S. 10-11

Premiere

Agnes von Hohenstaufen: Adel verpflichtet

In: PROspekt, # 6 | März-Juni 2018, Theater Erfurt, S. 10-11 [Publikumszeitschrift]

Mehr noch als in William Shakespeares Romeo und Julia ist in Agnes von Hohenstaufen eine romantische Liebesgeschichte in einen historischen Kontext eingebettet. Statt der Veroneser Familien der Montecchi und Capuleti sind es in Spontinis „großer historisch-romantischer Oper“ die beiden deutschen Fürstenhäuser der Staufer und der Welfen, die im 12. und 13. Jahrhundert erbittert um die Vorherrschaft im deutschen Reich kämpften. 

Von den historischen Persönlichkeiten sind am ehesten noch der Staufer Friedrich Barbarossa und der Welfe Heinrich der Löwe in Erinnerung geblieben. Die genauen Zusammenhänge hat man aber nicht vor Augen, wenn man z.B. vor dem Barbarossa-Denkmal auf dem Kyffhäuser steht oder dem Löwendenkmal am Braunschweiger Dom. Die Staufer sind schon seit dem Mittelalter ausgestorben, die Welfen hingegen gelten als das älteste europäische Adelsgeschlecht. Die Nachfahren Heinrichs des Löwen waren lange regierende Fürsten in Hannover und Braunschweig, doch seit dem Ende der Monarchie in Deutschland spielen sie keine politische Rolle mehr.

Das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Barbarossa und dem Löwen, die zuweilen Verbündete, dann wieder erbitterte Gegner waren, spielt auch in der Geschichte Erfurts eine Rolle, da sich Heinrich der Löwe 1181 bei einem Reichstag auf dem Petersberg dem Kaiser unterwarf und ins Exil nach England ging – um einige Jahre später zurückzukehren und sich erneut gegen den Kaiser zu erheben. Die Rivalität dieser beiden großen Persönlichkeiten war dem gebildeten Publikum des 19. Jahrhunderts so vertraut, dass man sie in Spontinis Oper als bekannt voraussetzen konnte. Vielleicht hilft dem heutigen Betrachter der Hinweis, dass Heinrich der Löwe ein Schwager des englischen Königs Richard Löwenherz war, die Opernhandlung somit zeitlich zum uns noch sehr vertrauten Robin-Hood-Stoff passt.

Inhalt der Oper

Agnes von Staufen liebt insgeheim Heinrich, den Sohn des Welfen Heinrich der Löwe. Kaiser Heinrich VI. verfolgt dagegen den Plan, Agnes mit dem französischen König zu verheiraten, um sein Bündnis mit Frankreich zu stärken. Als Heinrich beim Hoftag in Mainz mutig vor dem Kaiser seinen Anspruch auf Agnes bekräftigt, wird er eingekerkert. Doch er kann fliehen und Agnes’ Mutter Irmengard lässt die beiden heimlich trauen, um eine Zwangsverheiratung ihrer Tochter zu verhindern. Am Ende verzichtet der Franzose generös auf seinen Anspruch, Heinrich der Löwe unterwirft sich dem Kaiser und alle Gegensätze scheinen überwunden.

Ein Historienbild

Anlass für die Entstehung der ersten (unvollständigen) Fassung der Oper war eine Prinzenhochzeit in Berlin: Prinz Carl, ein Sohn von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, ging dabei eine echte Liebesehe mit einer Weimarer Prinzessin ein. Zwei Jahre später heiratete Carls älterer Bruder Wilhelm – der spätere Kaiser Wilhelm I. – die Schwester von Carls Braut, diesmal allerdings mehr aus Gründen der Staatsraison. Zur Hochzeit wurde wiederum – die nun inzwischen zu Ende komponierte Oper – Agnes von Hohenstaufen gegeben. 

Mit Gaspare Spontini hatte der Preußenkönig den seinerzeit berühmtesten Opernkomponisten, der als Hofkomponist Napoleons überall in Europa gefeiert wurde, nach Berlin engagiert, um Berlin als deutsche Kulturmetropole zu etablieren.

Die Jahre nach dem endgültigen Sieg über das napoleonische Frankreich 1815 waren geprägt vom Enthusiasmus der Freiheitskriege und einem neuen Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen in einem immer noch in viele Staaten zersplitterten Land.

Das Deutsche Reich des Mittelalters wurde in allen Kunstformen verklärend als Ideal eines mächtigen, gut regierten Staatswesens dargestellt. In Spontinis Oper gibt es jedoch keine einfachen Entsprechungen: Der Stauferkaiser Heinrich ist kein weiser, sondern vielmehr ein skrupelloser und intriganter Herrscher, während Heinrich der Löwe als der militärisch und moralisch stärkere charakterisiert wird. Spontinis Agnes von Hohenstaufen ist damit weder als eindeutige politische Propaganda zu verstehen, noch als schmeichelnde Bebilderung einer royalen Hochzeitsfeier. Der mit dieser Oper formulierte Anspruch ging über solch reine Zweckerfüllung hinaus und zielte auf eine Erneuerung der deutschen Oper aus dem Geiste einer europäischen Opernkultur ab. Spontini selbst betrachtete seine Agnes von Hohenstaufen als ein Meisterwerk, das seinen Pariser Erfolgsopern wie La Vestale, Olympie und Fernand Cortez (2006 am Theater Erfurt) in keiner Weise nachstand. 

Nach über 30 Jahren ist diese – in Fachkreisen hoch geschätzte – Oper nun erstmals wieder auf einer Bühne zu erleben und zu entdecken – die letzten Aufführungen in der deutschen Originalsprache liegen sogar 180 Jahre zurück.


Agnes von Hohenstaufen
Oper von Gaspare Spontini
Text von Ernst Raupach und Carl August von Lichtenstein
Uraufführung Berlin 1837
In deutscher Sprache mit Übertiteln

Musikalische Leitung
Zoi Tsokanou

Inszenierung
Marc Adam

Ausstattung
Monika Gora

Besetzung
Irmengard: Margrethe Fredheim
Agnes, ihre Tochter: Claudia Sorokina
Kaiser Heinrich VI.: Ks. Máté Sólyom-Nagy
Philipp von Hohenstaufen, dessen Bruder: Won Whi Choi
Heinrich der Löwe: Juri Batukov
Heinrich, dessen Sohn: Bernhard Berchtold
Philipp August, König von Frankreich: Siyabulela Ntlale
Erzbischof von Mainz: Kakhaber Shavidze
Teobald, Diener Heinrichs des Löwen: Alexander Voigt
u.a.

Premiere
Fr, 1. Juni 2018, 19.30 Uhr
Großes Haus

Weitere Vorstellungen
So, 03.06. | Mi, 06.06. | Fr, 08.06. | So, 10.06.2018

Matinee
Regieteam und Ensemble stellen sich vor So, 13. Mai 2018, 11 Uhr
Großes Haus, Eintritt frei

Rang frei!
Der exklusive Probenbesuch
Mo, 28. Mai 2018, 18.30 Uhr
99 Zählkarten ab 17.30 Uhr am Studioeingang, Eintritt frei