Essay
Film ab
Ein Motto für Augen und Ohren
Text: Arne Langer , Lorina Strange
In: PROspekt, # 7 | August-November 2018, Theater Erfurt, S. 5 [Publikumszeitschrift]
„Ich habe beim Film oft das Gefühl, dass mich das Bild eher stört. Licht ist das Wesentliche, Zeitraffung, Licht, das unserem gewohnten Auge nicht entspricht, und Musik. Und dann habe ich noch eine Zuneigung zu Worten. Im Grunde bin ich kein wirklicher Cineast […] Die Bilder, die Bewegungen des Lichts sind auch musikalisch, Musik macht man nicht nur mit Geigen oder Orchester, sondern sie ist alles, was sich in einer konstruktiven Weise polyphon bewegen kann, und das können Filmbilder genauso. Der Film ist eigentlich ein Zweig der Musik.“ Aus einem Interview mit dem Filmregisseur Alexander Kluge
Dass Musik
im Film eine wesentliche Rolle spielt, Atmosphäre und Wahrnehmung maßgeblich
beeinflusst, ist kein Geheimnis. Dass Schauspiel und Film enge Verwandte sind,
ebenso wenig. Aber wie sieht es mit Oper und Film aus? Tatsächlich wird nicht
nur Opernmusik gern als Filmmusik verwendet, sondern auch in der Stoffwahl
standen Oper und Film stets in einer engen Wechselbeziehung. Damit meinen wir
nicht (nur) die Verfilmung von Opern (wie Bergmans legendäre Zauberflöte oder
Aida mit Sophia Loren), sondern vielmehr die Tatsache, dass landläufig
bekannte Opernstoffe unabhängig von ihrer Komposition filmisch verarbeitet
wurden oder gleichermaßen bekannte Filmhandlungen gern „veropert“ werden.
Fra
Diavolo beispielsweise war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der
meistgespielten und beliebtesten Opern – ein echter Theater-Blockbuster. Die
Stummfilmzeit mit ihren Stars wie Charlie Chaplin, Buster Keaton oder eben Stan
Laurel und Oliver Hardy – Dick und Doof – war besonders stark vom Theater
geprägt. Trotzdem ist es interessant, dass das Comedy-Duo 1933, in der frühen
Phase des Tonfilms, diesen genuinen Opernstoff wählte, um ihn zu verfilmen.
Eben weil der Stoff so bekannt war wie heute James Bond. Ob ohne den
Opernerfolg dieser Stoff je verfilmt worden wäre?
Die
beeindruckende und berührende Lebensgeschichte der Nonne Schwester Helen
wiederum, die in den USA der 1980er Jahre zur politischen Aktivistin gegen die
Todesstrafe wurde, hat dadurch eine große Öffentlichkeit erreicht, dass sie 1995
prominent besetzt als Hollywood-Produktion verfilmt wurde: Mit Susan Sarandon
und Sean Penn in den Hauptrollen wurde Dead Man Walking zum Blockbuster.
In der Welle dieses Erfolgs adaptierten Terrance McNally und Jake Heggie 2000 den
Stoff zur Oper – ein Auftrag der San Francisco Opera – und orientierten sich dabei
stark an der Struktur und Szenenauswahl des Films. Ob dieser Stoff wohl ohne die vorherige Verfilmung
je auf die Opernbühne gekommen wäre?
Musiktheater
findet also nie im luftleeren Raum statt. Die Librettisten und Komponisten der
Oper waren schon immer in einen kulturellen Kontext eingebunden, der die
anderen Künste genauso im Blick hatte. Zu Literatur und bildender Kunst als
traditionelle Impulsgeber für Theater kommt im 20. Jahrhundert auch der Film –
eine Kunstform, die das Zuschauverhalten der Menschen grundlegend verändert hat
– als Inspirationsquelle dazu.
Unter dem
Motto „Film ab“ wollen wir uns deshalb in dieser Spielzeit dem
Wechselverhältnis von musikalischem Theater und Kino widmen. Dazu haben wir
sehr unterschiedliche Werke aus Oper, Operette und zeitgenössischem
Musiktheater zusammengestellt, die mit bekannten und weniger bekannten
Filmwerken in Beziehung stehen: neben Fra Diavolo und Dead Man Walking
u.a. auch die Operette Im weißen Rössl, die in ihrer Verfilmung zum
meistgespielten deutschen Musikfilm wurde, eine Neuvertonung des Zauberers
von Oz, dessen Musicalverfilmung ebenso prägende Kindheitserinnerung
hinterlassen hat wie die Romanvorlage, oder die Video-Oper Three Tales als
absolute Verschmelzung der Genres Oper und Film.
- Quelle:
- PROspekt
- Theater Erfurt
- # 7 | August-November 2018
- S. 5
PDF-Download
Artikelliste dieser Ausgabe