- PROspekt
- Theater Erfurt
- # 7 | August-November 2018
- S. 20-21
Konzert
Glücklich mit Klima und Orchester: Erfurts neuer GMD Myron Michailidis
Interview: Alexandra Kehr
In: PROspekt, # 7 | August-November 2018, Theater Erfurt, S. 20-21 [Publikumszeitschrift]
Mit fünf
Jahren hat er begonnen, Klavier zu spielen. Das Instrument war eigentlich für
seine Schwester bestimmt, aber für Myron Michailidis war damit der Grundstein
für seinen beruflichen Weg gelegt. Pianist wollte er werden. Doch da sein
Klavierlehrer im Studium meinte: „Myron, du spielst Klavier wie ein Dirigent“,
folgte dem abgeschlossenen Klavier- und Jurastudium noch ein Dirigat-Studium an
der Akademie der Künste in Berlin. Anschließend stand dem jungen Griechen die
Welt offen und Myron Michailidis vor vielen Orchestern. Jetzt also Erfurt.
Herr
Michailidis, Sie haben fast ganzjähriges mediterranes Klima und Flair
eingetauscht gegen Erfurt, die Mitte Deutschlands. Hier gibt es strenge und
manchmal sehr lange Winter und viel Regen. Haben Sie sich das gut überlegt?
Ja, das habe
ich! (lacht) Ich kenne das Klima ja sehr gut, ich habe in Berlin
studiert und war direkt danach sieben Jahre am Theater Görlitz, bevor ich
zurück nach Griechenland gegangen bin. Außerdem gefällt mir die Abwechslung.
Thüringen ist schön, die Natur wundervoll!
Ihre Frau
und die beiden Kinder leben in Griechenland. Wie gehen Sie mit der Entfernung,
dem „Getrenntsein“ um?
Meine Frau
ist Sopranistin, und uns war von Beginn unserer Ehe an bewusst, dass wir nicht
ständig zusammen sein können. Unser Beruf bringt das mit sich, und wir sind
daran gewöhnt. Wir haben ein Haus in Griechenland, in Erfurt habe ich im Mai
eine schöne Wohnung gefunden.
Sie haben
große und bedeutende Orchester in aller Welt geleitet, wie das Shanghai Opera
House Orchestra, die Berliner Symphoniker oder das Rome Symphony Orchestra. Zuletzt
waren Sie künstlerischer Direktor der griechischen Staatsoper in Athen. Fühlt
sich Erfurt dagegen nicht ein bisschen klein an, wenn nicht sogar provinziell
...
Nein, ganz
und gar nicht. Das Philharmonische Orchester Erfurt ist hervorragend und klingt
absolut nicht provinziell! Es entwickelt sich ständig weiter, und ich bin da,
um daran mitzuarbeiten. Auch die Atmosphäre im Theater insgesamt ist sehr
international. Nicht nur Musiker, auch viele Sänger kommen aus verschiedenen Ländern.
Außerdem gibt es viele Projekte mit anderen Häusern.
Sie haben
die Stadt, die Menschen und auch das Erfurter Theaterpublikum inzwischen schon
gut kennengelernt. Was haben Sie dabei erfahren und erlebt?
Ich habe
bisher sehr nette Leute getroffen und fühle mich wirklich wohl hier. Das
Theater und auch das Publikum haben mich sehr gut empfangen. Erfurt hat eine
spannende Geschichte und eine beeindruckende, vielfältige Architektur. Vom
Mittelalter über Barock und Renaissance ist alles vertreten. Das alles ergibt
eine fantastische Kulisse, in der man sehr gut leben kann.
Einem
noch größeren Publikum werden Sie in diesen Wochen durch die
DomStufen-Festspiele bekannt werden. Wie ist Ihr Gefühl für diese
Open-Air-Inszenierung?
So bekannt
werde ich gar nicht, denn ich bin ja mit dem Orchester im Container versteckt. (lacht)
Aber Spaß beiseite: Man wird natürlich genau sehen und hören, was ich als
musikalischer Leiter der Festspiele tue. Ich habe schon einige Male unter
freiem Himmel dirigiert und weiß um die Schwierigkeiten, auch was den Klang
betrifft. Dennoch: Oper gehört nicht nur in geschlossene Häuser. Sie gehört dem
Publikum, und Erfurt hat eine großartige Möglichkeit, das zu zeigen.
Sie haben
angekündigt, klassische Musik noch direkter in die Stadt oder auch in Schulen
zu bringen. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Klassische
Musik hat eine große Qualität, und das müssen wir immer wieder vermitteln.
Damit bewahren wir die Musik für die Zukunft. Außerdem ist es Aufgabe eines
Generalmusikdirektors, dafür Sorge zu tragen. Die Zusammenarbeit mit den
Musikschulen und auch den Musikhochschulen ist mir wichtig. Mit jungen Menschen
zu arbeiten, ist etwas Wunderbares! Auch bei kleinen Ensembles und Chören werde
ich mich vorstellen und schauen, was vielleicht gemeinsam mit dem
Philharmonischen Orchester möglich ist.
Apropos
Philharmonisches Orchester. Wie haben Sie zusammengefunden und wo sehen Sie
großes Potenzial?
Ich denke,
dass wir sehr gut miteinander arbeiten können. Wir sind uns bei
Sinfoniekonzerten und der Oper Giulietta e Romeo schon sehr nah gekommen
und lernen uns gerade weiter kennen. Ich suche nicht nur den künstlerischen,
sondern auch immer den persönlichen
Kontakt zu Musikern. So können Probleme oder Schwierigkeiten, die es gibt oder
die auftreten, besser gelöst oder aus der Welt geschafft werden. Mit diesem Weg
habe ich in meiner bisherigen Karriere immer gute Erfahrungen gemacht. Es gibt
in Erfurt viele begabte Musiker, und ich möchte, dass das Orchester von der
Größe her in der Lage ist, das komplette Musiktheater-Repertoire anzubieten.
Wir können mit Qualität überzeugen, und deshalb werde ich mich dafür einsetzen,
dass das Orchester größer wird. Das kann Thüringen durchaus vertragen. Ein
größeres Orchester bringt außerdem noch mehr musikalische Aktivität in eine
Landeshauptstadt.
Wie
nähert man sich eigentlich als Dirigent, und in Ihrem Fall ja auch als Chef,
einem so großen Ensemble mit so vielen unterschiedlichen Charakteren?
Das ist gar
nicht so einfach, macht mir aber immer wieder große Freude. Gerade die ersten
20 Minuten mit einem Orchester in der ersten Probe sind wahnsinnig spannend.
Man erfährt sehr viel, denn jedes Orchester in der ganzen Welt hat eine eigene
Mentalität. Als Dirigent versuche ich, mit Sicherheit und einer klaren
Vorstellung von dem, was ich als musikalischer Leiter möchte, zu überzeugen.
Ich gebe dem Orchester nicht nur meine Interpretationsvorstellung, sondern auch
Sicherheit und Halt. Dadurch können die Musiker inspiriert werden. Auch wenn
einer mit meiner Vorstellung nicht immer einverstanden ist, sorgt das aber für
Respekt vor einem konsequenten Ansatz und ist für alle ein Gewinn.
Sie
starten mit einem sehr breitgefächerten Konzertprogramm in Ihr erstes Erfurter
GMD-Jahr. Haben Sie Lieblingswerke, Lieblingskomponisten?
Ich bin
immer verliebt in die Stücke, die ich dirigiere. Eine große Vorliebe habe ich
für deutsche und russische Romantik. Aber ich lasse mich gerne auch auf neue
Werke ein und habe gelernt, dass manches, was einfach klingt, besonders schwer
sein kann.
Wie sieht
es im Musiktheater aus? Gibt es eine Oper, die Sie gerne unbedingt hier in
Erfurt einmal dirigieren möchten?
Lohengrin
wäre ein Wunsch. Auch Tristan und Isolde könnte ich mir gut
vorstellen.
Ihr Klavierlehrer im Studium hat Sie auf die Idee gebracht, Dirigent zu werden. Wären Sie im Rückblick vielleicht doch lieber Anwalt geworden?
Es ist alles richtig, wie es ist! (lacht) Der Pianist Arthur Rubinstein hat auf die Frage eines Journalisten, wer der glücklichste Mann sei, den er in seinem Leben kennengelernt habe, einmal gesagt: Ich selbst! Und genau so ist es auch bei mir.
- Quelle:
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- Theater Erfurt
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