Essay
Rechtliche Gründe und künstlerische Sicherheit
Text: Arne Langer
In: PROspekt, # 9 | März-Juni 2019, Theater Erfurt, S. 5 [Publikumszeitschrift]
Sie kennen
sicher den Hinweis „…-aufnahmen sind aus rechtlichen Gründen nicht gestattet.“
Es ist ja auch irgendwie einleuchtend, dass etwas, für das Sie Eintritt bezahlt
haben, nicht so ohne weiteres anderswo kostenlos zu genießen sein soll. Wer mit
Kunst seinen Lebensunterhalt bestreitet, muss darauf bedacht sein, für seine Kunst
bzw. Arbeit auch angemessen bezahlt zu werden. Das gilt für bildende Künstler/innen,
Autor/innen und Komponist/innen ebenso wie für ausübende Musiker/innen und
Bühnendarsteller/innen. Der Künstler zeigt seine Leistung für Geld, davon
sollen keine Trittbrettfahrer profitieren. Die Möglichkeiten der technischen Reproduzierbarkeit
sind immens, dennoch muss das unberechtigte bzw. unbezahlte Verbreiten von
Mitschnitten unterbunden bleiben, schließlich würde sonst den Künstlern auf
Dauer ihre Existenzgrundlage entzogen, wenn jedermann ohne zu bezahlen
zuschauen oder -hören könnte.
Am Theater
sind urheberrechtliche Fragen auch in einem anderen Zusammenhang wichtig: Der
Darsteller, der Regisseur sind zwar Künstler, aber als Interpreten eines vorgegebenen
Werkes nicht als eigenschöpferische Künstler bzw. „Urheber“ zu betrachten,
ihnen stehen stattdessen Leistungsschutzrechte zu. Das Urheberrecht gilt
dagegen für eigenschöpferisch tätige Künstler wie u.a. Autoren und Komponisten.
Das gesetzlich verbriefte Urheberrecht gibt ihnen die freie Entscheidung, wo
und von wem bzw. unter welchen Voraussetzungen ihr Werk gespielt werden darf.
Die meisten Autoren/Komponisten wollen natürlich, dass ihre Werke gespielt
werden, deshalb werden sie nicht zu hohe und zu viele Ansprüche stellen. Meist
lassen sie sich dabei von einem Verlag vertreten, der die Verhandlungen mit den
Theatern führt und entsprechende Verträge abschließt.
Zunächst
geht es um den Anspruch auf Bezahlung einer Urheberabgabe, auch Tantieme genannt.
In Deutschland gibt es dafür feste Tarife, von jeder verkauften Eintrittskarte geht
ein vereinbarter Prozentsatz an den Verlag, der das Geld dann an den
Komponisten und Textautor weiterreicht. Amerikanische Verlage sind an diese Regelsätze
nicht gebunden und verlangen oft deutlich mehr, da bleibt uns dann nur die
Alternative: nehmen oder lassen …
Es geht aber
um mehr als nur das liebe Geld: Der Autor/Komponist hat nämlich auch einen
Anspruch darauf, dass sein Werk in der von ihm gewünschten Form präsentiert
wird. Theoretisch kann er die Genehmigung zur Aufführung an eine bestimmte Inszenierung
knüpfen, bei neueren Musicals ist das auch üblich, da sehen alle Produktionen
weltweit gleich aus. Im Schauspiel und in der Oper ist es die Regel, die
Inszenierung ganz dem jeweiligen Theater zu überlassen, doch auch da ist nicht alles
erlaubt. Der (Noten-)text darf nicht ohne Zustimmung des Verlages verändert werden,
allerdings sind „bühnenübliche Striche“ erlaubt. Wie viel das genau ist? Ermessensspielraum
… Vor allem unerwünscht sind Einschübe von Texten oder Musik aus anderen
Werken, sei es desselben Autors oder gar von fremder Hand. Einfach gesagt:
kürzen immer, dazudichten nimmer. Um in der Erfurter Inszenierung des Weißen
Rössl das Rennsteiglied singen zu lassen, war eine umfangreiche und
zeitraubende Korrespondenz mit den Verlagen sowohl der Operette wie auch des
Liedes erforderlich. So etwas kostet natürlich auch extra. Und wenn unser 1.
Kapellmeister das Rennsteiglied speziell für unser Orchester
instrumentiert, ist das eigentlich schon wieder eine weitere schöpferische
Leistung, … aber das führt hier zu weit.
Wie gehen
dann aber Così fan tutte im Swingerclub und Fra Diavolo im Grand Hotel
mit neuen Dialogen? Kein Problem, denn der Urheberschutz läuft 70 Jahre nach
dem Tod eines Künstlers aus. Carl Orff beispielsweise wird noch eine Weile teuer
sein, Richard Strauss aber nur noch in diesem Jahr, und Franz Lehár kostet seit
dem 1. Januar dieses Jahres nichts mehr. Und das Kernrepertoire der Oper von
Monteverdi bis Puccini ist schon lange „frei“ von Urheberabgaben und
künstlerischen Vorgaben.
Das liebe
Geld und die Bequemlichkeit, sich nicht auseinandersetzen zu müssen, sprechen
dafür, nur noch Werke sogenannter „gemeinfreier Autoren“ zu spielen. Das wäre
allerdings die falsche Konsequenz. Das Urheberrecht hat sich erst im 19.
Jahrhundert durchgesetzt, Verdi war einer der ersten Komponisten, die einen
solchen Schutz forderten und irgendwann auch bekamen. Was wären wir heute ohne
die Meisterwerke der Vergangenheit, die aber auch nur entstanden, weil deren
Schöpfer davon leben konnten. Und das muss auch den heutigen Künstlern
zugestanden werden. Die Kunst im Allgemeinen, die Musik und die Theaterkunst im
Speziellen dürfen nicht zum Museum werden. Deshalb brauchen wir zeitgenössische
Kunst und Menschen, die davon auch leben können.