• PROspekt
  • Theater Erfurt
  • # 9 | März-Juni 2019
  • S. 14-16

Premiere

Die Puppen tanzen lassen

Shakespeare, Purcell und die Feier des Individuums

Text: Larissa Wieczorek

In: PROspekt, # 9 | März-Juni 2019, Theater Erfurt, S. 14-16 [Publikumszeitschrift]

Der Sommernachtstraum von William Shakespeare ist ein kunterbuntes Welttheater, das sich in verschiedensten, einander beeinflussenden Sphären bewegt. Henry Purcells Fairy Queen, die 1692 uraufgeführte Semi-Opern-Adaption, ist geradezu prädestiniert dazu, darstellende Künstler verschiedenster Disziplinen zusammenzubringen. Sie ergänzt Shakespeares von Amazonen, Königspaaren, Elfen, Handwerkern und unglücklich Liebenden bevölkertes Werk um größtenteils von der eigentlichen Handlung unabhängige Bühnenmusiken, um Arien, Chöre, Duette und Tanzmusik.

 

Gemeinsam mit dem Theater Waidspeicher, dem Tanztheater Erfurt und der für ihre interdisziplinären Theaterabende bekannten Ulrike Quade Company lässt das Theater Erfurt daher buchstäblich, aber auch sprichwörtlich die Puppen tanzen: „Das Bühnenbild gerät in Bewegung, die Tänzer, die Puppenspieler und die Sänger werden dadurch alle durcheinandergewirbelt“, verspricht Regisseurin Ulrike Quade. „Das Traumhafte und Magische spielt hier eine große Rolle. Die Charaktere machen alle eine Transformation durch, sie betreten eine andere Welt, eine Traumwelt, in die wir auch das Publikum entführen möchten.“

Die seit 20 Jahren in Holland ansässige Theatermacherin ist bekannt für die Verwendung von handgefertigten, menschenähnlichen Puppen als lebensechte Schauspieler in ihren Produktionen. Aus der Kombination von Skulptur und Tanz, Schauspiel und Performance, Sprache und Musik hat sie ihre ganz eigene Theaterhandschrift entwickelt: „Meine Art zu arbeiten, ist immer sehr verflechtend. Es widerstrebt mir, Dinge nebeneinander stehen zu lassen. Ich versuche immer den Inhalt mit der Form zu verschmelzen, die eine mit der anderen Disziplin.“

Die Entscheidung, welche Darsteller welche Rollen übernehmen werden, haben sie und ihr Team daher nicht vom Typ her entwickelt, sondern aus dem Stück heraus: „Wir haben uns zum Beispiel dafür entschieden, Titania und den Indischen Knaben in einzelnen Szenen mit Puppen zu besetzen: Sie werden sich in diese verwandeln, wenn es darum geht, dass sie von anderen manipuliert und benutzt werden.“

 

Die Puppen

 

Die Titania- und Knaben-Puppe sind wie japanische Bunraku-Puppen konstruiert. „Watanabe Kazunori, ein Meister des Bunraku- Puppenbaus, hat für uns das Innenleben der Puppen konstruiert. Gegenüber seinen früheren Modellen hat er diesen Aufbau noch einmal weiterentwickelt, sodass sie sich mit ihren beweglichen Körpern jetzt noch schöner, graziöser bewegen lassen“, freut sich Ulrike Quade. Die Puppen sind fast so groß wie Menschen, wobei in Fairy Queen der Knabe natürlich kleiner sein wird als die Titania. Beide haben bewegliche Gelenke im ganzen Körper. Mit Hilfe von bestimmten, an ihrem Körper angebrachten Griffen werden sie von je drei Puppenspielern bedient: Der wichtigste bedient Kopf und den rechten Arm, ein weiterer den linken Arm und ein dritter die Beine. Ulrike Quade hat die Puppen gerade zur Begutachtung erhalten und ist begeistert: „Watanabe Kazunori ist auch ein fantastischer Maskenbauer: Die Gesichter, die er den Puppen verleiht, leuchten, sie haben viel Ausdruck.“ Während der Indische Knabe über dem in Japan gebauten Puppenkörper nur ein Kostüm erhält, das in den Werkstätten des Theaters Erfurt geschneidert wird, soll das schlanke „Grundgerüst“ der Titania-Puppe gemäß der Entwürfe von Kostümbildnerin Carly Everaert einen weiblicheren, runderen, fülligeren Körper erhalten: „So kommt sie einem gewissen Fruchtbarkeitsideal näher. Wir machen sie zu einer Frau zum Anfassen, eine die man lieben muss, mit der man im Wald verschwinden will“, erklärt Ulrike Quade. Hätte der Puppenbauer diesen Körperbau schon als Vollskulptur gestaltet, könnte die Puppe sich nicht mehr bewegen. Daher wird der Körper in den Werkstätten des Theaters Erfurt mit einem anderen, weicheren, beweglicheren Material, vermutlich Schaumstoff, überzogen werden. Wenn Titania von Oberon verzaubert wird, verwandelt sie sich in diese Puppe.

 

Die Puppenspieler

 

Da Ulrike Quade Wert darauf legt, dass die Puppenspieler ihre ‚Materie‘, die Puppen, immer selbst in den Händen haben, aber auch als Puppenspieler sichtbar sind, war die logische Konsequenz, von ihnen auch Figuren darstellen zu lassen, die mit Puppen hantieren können. Dafür boten sich die Rollen der Handwerker an, die gemeinsam eine Tragödie aufführen wollen. Zusammen mit Carly Everaert entschied Ulrike Quade sich dafür, dass deren Handwerk – in Anlehnung an die Totengräber in Shakespeares Hamlet – im Bestattungswesen liegen solle: „Die finden bei ihrer Arbeit Skelette, die sie wie Puppen bedienen. Mit denen studieren sie dann ihr Theaterstück ein. Dadurch geben sie dem ganzen Stück eine noch existenziellere Bedeutung: Über den im Stück behandelten Themen wie Ehe und Eifersucht steht immer auch die Vergänglichkeit. Zugleich können bei ihrer Aufführung aber auch sehr komische und groteske Momente entstehen“, meint Ulrike Quade, die sich darauf beruft, dass auch Shakespeare selbst in seinem Sommernachtstraum auf ein anderes seiner Stücke verwies: Die durch die Handwerker aufgeführte Tragödie von Pyramus und Thisbe ist im Grunde eine Persiflage seiner Tragödie Romeo und Julia, mit der er im Jahr zuvor einen großen Erfolg gefeiert hatte.

 

Die Tänzer

 

Shakespeare schuf einst eine Geschichte, die Purcell mit seinem musikalischen Bilderreichtum umrankte. Ulrike Quades Team möchte beiden Autoren gerecht werden. Da Shakespeares Sommernachtstraum als Rahmenhandlung die Hochzeit des athenischen Helden und Königs Theseus mit der Amazonenkönigin Hippolyta thematisiert und Henry Purcells Fairy Queen knapp 100 Jahre später anlässlich der Feiern zum 15-jährigen Hochzeitstag von King William III. und Queen Mary II. uraufgeführt wurde, wird im Stück viel gefeiert und getanzt. Ulrike Quade geht davon aus, dass Theseus der emanzipierten Amazone anhand der Liebenden vorführen wolle, „wie es bei Hofe so läuft“. Daher, und damit auch ein gutes Gleichgewicht von Text und Musik im Stück herrscht, „haben die unglücklich verliebten jungen Leute, Hermia und Lysander, Helena und Demetrius in unserem Stück nicht viel zu sagen“ und werden von Tänzern des Tanztheaters Erfurt gespielt. Statt unablässig mit vielen Worten über ihr Unglück zu klagen oder ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen, tanzen sie Duette, mit denen „man unheimlich viel auf eine sehr ästhetische Weise ausdrücken“ kann. So können die Zuschauer noch mehr in der wunderschönen Musik von Purcell baden. Insbesondere Liebe lässt sich toll mit dem Körper erzählen. Ich freue mich da sehr auf die Choreografien von Ester Ambrosino!“ meint Ulrike Quade. Doch nicht nur als die Liebenden, auch als Titania- und Oberon-Doubles, als Indischer Knabe, Elfen, Amazonen und Höflinge werden Tänzer zu erleben sein.

 

Die Sänger

 

Anders als sonst oft üblich spielen die Sänger in dieser Fairy Queen auch Figuren der eigentlichen Geschichte: Theseus und Oberon, Hippolyta und Titania sowie Theseus’ Diener und Puck sind jeweils Doppelrollen, die von den Sängern verkörpert werden. Daher werden diese nicht nur singen, sondern auch recht viel zu sprechen haben. Ulrike Quade verspricht sich von der Zusammenarbeit für alle Beteiligten bereichernde Wechselwirkungen: „Alle können und sollen sich mit ihrer jeweils eigenen professionellen Haltung einbringen. Im besten Fall sollte es fließende Übergänge zwischen Sprechen und Singen geben. Man soll das Gefühl haben, dass sie nicht mehr anders können und sich hier eine geballte Ladung an Poesie und Emotionen entlädt. Insofern werden auch die gesprochenen Dialoge immer an eine Form gebunden sein.“

 

Kampf der Geschlechter

 

Während dem Publikum zu Shakespeares Zeiten das damalige Geschlechterbild vorgeführt wurde, möchte Ulrike Quade in ihrer Inszenierung unser modernes Bild der Ehe thematisieren. Bei Shakespeare wird der stolzen Amazonenkönigin Hippolyta und der Feenkönigin Titania demonstriert, dass sie sich dem Willen der Männer zu beugen hätten. „Wir hingegen feiern heute die Autonomie des Individuums und die Tatsache, dass die Frau sich eben nicht unterordnen muss. Ehe bedeutet eben nicht mehr, dass die Frau zu Hause im Palast sitzen muss und der Mann die Welt regiert.“ Dennoch möchten Ulrike Quade und ihr Team diesen im Stück thematisierten Konflikt zwischen Mann und Frau ernstnehmen. Allerdings gefällt der Regisseurin an der Vorlage Shakespeares insbesondere, „dass sie die Ehe ja auch verspottet. Wie so ein karnevalistisches Ritual, bei dem alle mal betrunken sein und sich danebenbenehmen dürfen, um die ganzen anderen Tage im Jahr aushalten zu können. Da durfte sicher auch ein wenig parodiert werden, was in einer Ehe so passieren kann ...“


Fairy Queen –

Ein Sommernachtstraum

Oper von Henry Purcell

Text von William Shakespeare

Uraufführung London 1692

In deutscher und englischer Sprache

mit Übertiteln

 

Musikalische Leitung Samuel Bächli

Regie Ulrike Quade

Bühne Marc Warning

Kostüme Carly Everaert

Choreografie Ester Ambrosino

Lightdesign Floriaan Ganzevoort

 

Sänger

Hippolyta/Titania: Julia Neumann

Theseus/Oberon: Ks.Máté Sólyom-Nagy

Puck/Theseus‘ Bediensteter: Katja Bildt

Hippolytas Schwester/Titanias Bedienstete/

Frühling: Daniela Gerstenmeyer

Elfe/Secrecy/Herbst: Julian Freibott

Elfe/Mystery/Sommer: Andreas Karasiak

Elfe/Sleep/Hymen/Winter: Juri Batukov

 

Puppenspieler

Zettel/Esel: Tomas Mielentz

Schlucker/Stimme Titania: Steffi König

Flaut/Egeus: Martin Vogel

Squenz: Paul Günther

Schnock: Karoline Vogel

Schnauz: Kathrin Blüchert

Titania und Indischer Knabe: alle

 

Tänzer

Hermia, Lysander, Helena, Demetrius

u.a.: Veronica Bracaccini, Marieke

Engelhardt, Maria Focaraccio, Luma

Lee, Lena Schattenberg, Kathrina Wilke,

Tabea Wittulsky, Spyridon Christakis,

Javier Ferrer Machin, Daniel Medeiros,

Manuel Schuler, Aaron Vazquez Such

 

Opernchor des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt

 

Premiere

Sa, 18. Mai 2019, 19.30 Uhr

Großes Haus

 

Weitere Vorstellungen

Sa, 25.05. | Mi, 05.06. | Sa, 08.06. |

Mo, 10.06. | Fr, 14.06. | So, 16.06.2019

Kurzeinführungen je 30 min

vor Vorstellungsbeginn Foyer

 

Matinee

Regieteam und Ensemble stellen sich vor

So, 05. Mai 2019, 11 Uhr

Großes Haus, Eintritt frei

 

Rang frei!

Der exklusive Probenbesuch

Di, 14. Mai 2019, 18.30 Uhr

99 Zählkarten ab 17.30 Uhr

am Studioeingang, Eintritt frei