• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 1 | Sommer 2016
  • S. 2-6

Fünfzig Rosen für Cecilia

Text: Ursula Magnes

In: Magazin Klassik, # 1 | Sommer 2016, Radio Klassik Stephansdom, S. 2-6 [Hörermagazin]

Mitten in den intensiven Proben für Leonard Bernsteins „West Side Story“ bei den diesjährigen Salzburger Pfingstfestspielen fand die Intendantin und Sängerin der Maria — Cecilia Bartoli — ein wenig Zeit, ausgesuchte Fragen zu beantworten.

Eine Frau, die weiß was sie will und das famos kann. Von ihrer Mutter Silvana Bazzoni unterrichtet, steht Cecilia Bartoli seit gut dreißig Jahren auf der Bühne. Saß auf der Couch von „Wetten, dass..?“, ist die kommerziell wohl erfolgreichste klassische Sängerin und erobert sich – stets auf das Wohl ihrer Stimme bedacht – unaufhaltsam neues Repertoire.

Aus dem Hirtenknaben in Puccinis „Tosca“ wurde Mozarts Despina, Rossinis Rosina und Cenerentola, Händels Cleopatra, Halévys Clari, Mozarts Fiordiligi unter Sir Simon Rattle bei den Salzburger Osterfestspielen 2004 in der Herrmann-Inszenierung, und das nach einem Knöchelbruch bei den Proben sogar mit Gipsfuß (!). 2010 sang sie unter Thomas Hengelbrock in Düsseldorf konzertant erstmals Bellinis Norma. Damit eroberte sie sich das Belcanto-Fach. Die szenische Produktion von Moshe Leiser und Patrice Caurier für die Salzburger Pfingstfestspiele 2013 wanderte gleich zweimal samt Standing Ovations am Ende in den Spielplan der Salzburger Festspiele. Und nachdem bei Cecilia Bartoli meist ein nächster Schritt folgt, hält sie mit „Norma on Tour“ Station in Zürich, Monte-Carlo, Edinburgh, Baden-Baden … Im Hintergrund zieht die „Cecilia Bartoli-Musikstiftung“ ihre Fäden. Musikvermittlung mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes.

Die Römerin Cecilia Bartoli ist eine jener Künstlerinnen, die mehr verkörpern als das jeweilige Instrument, mit welchem sie so virtuos und einzigartig umzugehen wissen. Sie ist „die Bartoli“, deren Stimme und Bühnenpräsenz das Publikum weltweit vor Begeisterung verstummen lässt, ehe nach dem letzten Ton der endgültig letzten Zugabe ein rauschendes Tosen durch das Parkett fegt. Sie bringt ihre stimmliche Energie mit dem Willen des Komponisten exakt auf den Punkt. Jeder Ton ist in ihrem Körper mit einem unbändigen Ausdruckswillen verwurzelt. Irrwitzig lange Kastraten-Phrasen ebenso wie jene Momente bei Händel, Gluck, Mozart oder Bellini, die einen zarten Hauch über verletzte Seelen legen.

Die seit 2012 jeweils thematisch kraftvolle Programmierung der Pfingstfestspiele rund um starke Frauenfiguren von Cleopatra bis Semele, Iphigénie oder Vincenzo Bellinis Norma sowie das eigene Leben, drängen eine Frage auf: Was zeichnet eine starke Frau aus? 

„Ich würde sagen, eine starke Frau braucht die gleichen Qualitäten wie ein starker Mann: Integrität, Zuverlässigkeit und Leidenschaft. Nur wenn man sich für seine Träume einsetzt, hart an ihnen arbeitet und auch Respekt vor der Arbeit der anderen aufbringt, gelingt es, außerordentliche Leistungen hervorzubringen.“

Energiequelle für die Seele

Wer Cecilia Bartoli hautnah auf der Opern- oder Konzertbühne erlebt hat, weiß vom Jungbrunnen, den sie versprüht. Auch Künstlerkollegen wissen um ihren hundertprozentigen Einsatz schon bei der Probenarbeit. Wo andere mit Mühen ankommen, legt sie los. Woraus schöpft sie die Kraft und die Motivation, ihre Projekte in der ihr eigenen Konzentration und Nachhaltigkeit zu realisieren?

„Aus der Musik! – Musik ist ja nicht nur mein Brotberuf, sondern ich bin auch ganz fest davon überzeugt, dass die Musik eine ganz essentielle Energiequelle für unsere Seele ist.“

Cecilia Bartoli ist als Intendantin der Salzburger Pfingstfestspiele bis 2021 bestätigt. Das Land Salzburg ehrte sie letztes Jahr mit dem Ehrenzeichen des Landes. Wie sehr hat diese Tätigkeit 950 km nördlich von Rom ihr Leben als Künstlerin verändert oder beeinflusst?

„Schon seit sehr vielen Jahren habe ich mich für die verschiedenen Aspekte der Produktionen interessiert, an denen ich beteiligt bin, seien es Konzerttourneen, Opernproduktionen oder Aufnahmen: Es geht da um Fragen des Repertoires, meiner musikalischen Partner, Orchester, Dirigenten und anderen Solisten, musikwissenschaftliche Aspekte, Szene und Regie ... Deshalb ist die Intendanz bei den Salzburger Pfingstfestspielen eigentlich eine natürliche Fortsetzung dieser Arbeit. Neu ist die Verantwortung für das künstlerische Gesamtresultat, aber auch das Glück und die Chance, Künstlerkollegen einzuladen und gemeinsam mit ihnen einzigartige exklusive Produktionen zu erarbeiten. Wir gehen jetzt ins fünfte Jahr – und der Erfolg bei Publikum und Presse hat gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind!“

Mit Schubert am Felsen 

Eines der vielen bewegenden Konzerte, welches das Salzburger Publikum mit Cecilia Bartoli erleben durfte, war ihre beherzte „Schubertiade“ im Rahmen der Salzburger Festspiele 2014. Auf dem Podium des Mozarteums standen auch ihr Mann Oliver Widmer und ihr Schwiegervater Kurt Widmer. Welche deutschen Schubert-Lieder würden sie reizen? 

„Ich singe zwar auf Italienisch, Französisch, Englisch und auf Spanisch und sogar ein wenig auf Russisch, aber an deutsche Schubertlieder habe ich mich bisher nicht herangewagt … Es gibt allerdings ein ganz besonderes Schubertlied, das ich liebend gerne einmal singen würde: ‚Der Hirt auf dem Felsen‘, der Dialog mit der Klarinette und die Koloratur in der Singstimme haben es mir besonders angetan.“

Mitten unter Popgrößen

Cecilia Bartoli erhält im Juni in Stockholm aus der Hand des schwedischen Königs den renommierten wie hoch dotierten „Polar Music Prize“ überreicht, gemeinsam mit dem Popmusiker Max Martin. Hört die „klassische Diva“ Popmusik und wenn ja, welche? Vielleicht auch ABBA, auf deren Manager Stig Anderson der „Polar Music Prize“ zurückgeht?

„Ich liebe absolut alle Genres der Musik – und so habe ich auch einen Riesenrespekt vor den Künstlern in der Popbranche. Es ist doch eine außerordentliche Ehre, mit einem Preis ausgezeichnet zu werden, den vor mir Paul McCartney, Ray Charles, Stevie Wonder, Pink Floyd, Bob Dylan und Bruce Springsteen erhalten haben, um nur wenige zu nennen. Musik ist eine universale Sprache, sie kommuniziert über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg: So sollten auch wir Musiker offen bleiben und versuchen, alle Abgrenzungen innerhalb der Welt der Musik möglichst zu vermeiden, meinen Sie nicht?“


Schwerpunkt Cecilia Bartoli
30.5.–7.6.

Allegro Magazin ab 06.05 Uhr
Allegro Magazin am Nachmittag ab 17.05 Uhr
Opernabend ab 20.00 Uhr