• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 4 | Frühjahr 2017
  • S. 25

Komponistenporträt

Joseph Ryelandt

Der komponierende Baron aus Belgien

Text: Monika Jaroš

In: Magazin Klassik, # 4 | Frühjahr 2017, Radio Klassik Stephansdom, S. 25 [Hörermagazin]

Kaum hatte Belgien 1830 die Unabhängigkeit erlangt, wurde in der Musikwelt der Ruf nach einem eigenen Nationalstil laut. Komponisten und Virtuosen wie Fétis, Bériot, Vieuxtemps und Servais nahmen sich dieser Sache an und ein Vierteljahrhundert später kristallisierten sich nicht nur eine, sondern gleich zwei Schulen heraus: die National Flämische und die Wallonische. Ersterer gehörte ein gewisser Edgar Tinel an, der nicht zuletzt durch seine Tätigkeit als Inspektor sämtlicher Musikschulen des Königreichs Belgien großen Einfluss ausübte. Ob er auf seinen einzigen Privatschüler, den er jemals annahm, einen ebenso großen Einfluss hatte? Joseph Ryelandt jedenfalls widmete sich wie sein Lehrer zeitlebens hauptsächlich religiöser Musik, die den größten Teil seines Oeuvres einnimmt – selbst seine Oper trägt den unmissverständlichen Titel „Sainte Cécile“. Doch wer war dieser mystisch veranlagte Komponist aus Brügge?

1870 in eine adelige Familie hineingeboren, entschied sich Ryelandt früh für ein Leben als Komponist. Finanziell unabhängig, nahm er erst mit 54, in einem Alter, in dem andere in Pension gehen, zum ersten Mal einen Posten an: die Leitung des städtischen Konservatoriums von Brügge, die er von 1924 bis 1945 (mit zweijähriger Unterbrechung im Zweiten Weltkrieg) innehaben sollte. Fest in der belgischen Musikszene etabliert, engagierte er sich u.a. in der Organisation des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs und war dank seiner fünf erfolgreichen Oratorien auch international anerkannt. 1937 zum korrespondierenden Mitglied der Belgischen Akademie gewählt, im Jahr darauf zum Baron erhoben, scheinen ihm schmeichelhafte Ehrungen wie diese nicht allzu wichtig gewesen zu sein. Auch was das Schicksal seiner Werke anbelangt, zeichnete er sich vor allem durch eines aus: mangelnden Ehrgeiz. Ein Hinweis, warum der als tiefgläubig, bescheiden und pflichtbewusst beschriebene Ryelandt sich so wenig um sein musikalisches Vermächtnis bemühte, findet sich in seinem Tagebuch: „Wenn Gott will, dass mein Werk eines Tages anerkannt wird, dann wird es so sein. Wenn nicht, was macht es aus? Die Aufgabe eines Künstlers besteht schließlich darin, etwas zu erschaffen, das ist alles.“ Eigentlich eine recht sympathische Ansicht!


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