• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 4 | Frühjahr 2017
  • S. 38

Maria Theresia und ihre Zeit im „Rosenkavalier“

Text: Richard Schmitz

In: Magazin Klassik, # 4 | Frühjahr 2017, Radio Klassik Stephansdom, S. 38 [Hörermagazin]

„Die Handlung spielt in Wien, in den ersten Jahren der Regierung der Kaiserin Maria Theresia“ (also etwa 1740-1750). So steht es im Klavierauszug und in vielen Opernführern. Einer näheren Prüfung hält diese Datierung allerdings nicht stand. Auch wenn man weiß, dass die österreichischen Erbfolgekriege nicht direkt Wien betroffen haben, scheint eine so gesicherte und heitere Stimmung, wie sie das Werk durchzieht, kaum vorstellbar zu sein. Da müssten doch der wechselvolle Ablauf, die Gebietsverluste und deren Wiedergewinnung die allgemeine Atmosphäre beeinflusst haben. Es spricht vieles dafür, dass die Herrschaft von Maria Theresia zum Zeitpunkt der Handlung der Oper schon gefestigt war. Da der Erbfolgekrieg 1749 und der Siebenjährige Krieg gegen Friedrich II. 1763 endeten, wird wohl erst dann eine gelöste Stimmung in Wien geherrscht haben.

Auch die Institution der Sittenpolizei kann kaum vor Einführung der Keuschheitskommission am 17. Juli 1752 gedacht werden und die Existenz eines Vorstands-Unterkommissarius ist kaum vor der Justiz- und Verwaltungsreform denkbar, die erst am 29. Dezember 1761 erlassen wurde. Da Vergehen gegen die Sittlichkeit streng bestraft wurden, ist es einer deutlich höher gestellten Person wie einer Marschallin vorbehalten, einen Kommissarius mit der Aussage zufrieden zu stellen: „Es war halt eine Farce und weiter nichts.“ 

Der Feldmarschall jagt im kroatischen Wald. Das kann sich ein hoher Militär sicher nur in Friedenszeiten leisten. Die Handlung sollte daher gegen Ende der Sechzigerjahre spielen. Da passt sie hin. Auch, dass Faninal seinen Reichtum der Versorgung der Armee, die in den Niederlanden steht, verdankt, spricht eher für Friedenszeiten. Sonst wäre er wohl mit Lieferungen in die Kriegsgebiete beschäftigt gewesen. 

Es verwundert aber, dass Hugo von Hofmannsthal hier ungenau war. Stimmen doch sonst viele Details. Sogar die Angabe des Baron Ochs, er sei seit fünf Uhr früh im Reisewagen gesessen, klingt logisch, wenn man vom kleinen Ort Lerchenau im niederösterreichischen Weinviertel ausgeht. Da hat die Reise in einer Kutsche wohl einige Stunden gedauert.

Lange hat mich die Frage beschäftigt, welches Getränk „Hippocras mit Ingwer“ bedeutet. Dass es ein Wermut-Getränk ist, wurde gerüchteweise immer wieder kolportiert. Das hat sich nun bestätigt. Auf einer Fahrt durch das Beaujolais fand ich in der mittelalterlichen Ortschaft Perouges einen Laden, der den Touristen Ypocras als Spezialität der Gegend anbot, natürlich mit Ingwer. Es ist ein übersüßter Digestiv auf Wermutbasis. Kein Wunder, dass Baron Ochs lieber Wein trinkt.

Es ist immer wieder ein Genuss, in diesem wunderbaren Libretto zu lesen und sich über den Inhalt Gedanken zu machen und die gescheiten Worte der Marschallin zu genießen.


radio klassik Stephansdom
Busreise: 26. Mai 2017

Mit Opernexperte Richard Schmitz nach Bratislava zu Simon Boccanegra mit Ferruccio Furlanetto.