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  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 17 | Sommer 2020
  • S. 9-11

Lilli Lehmann

Pädagogin, gefeierte Sängerin, Mäzenin und Mozart-Enthusiastin

Text: Christine Forstner

In: Magazin Klassik, # 17 | Sommer 2020, Radio Klassik Stephansdom, S. 9-11 [Hörermagazin]

Die deutsche Sopranistin Lilli Lehmann (1848-1929) war eine außergewöhnliche, vielseitige Persönlichkeit, eine Pionierin in ihrer Zeit, der die Stiftung Mozarteum und die Kulturstadt Salzburg sehr viel zu verdanken haben.

Lehmann war mit dem Tenor Paul Kalisch verheiratet, sie lebte in Berlin und hatte ab 1899 einen Sommersitz in Scharfling am Mondsee. 

Sie machte als Sängerin und Gesangspädagogin eine beachtenswerte internationale Karriere. Sie trat nicht nur in den großen Opernhäusern in Österreich, Deutschland, Frankreich, England, Schweden und Ungarn auf, sondern auch in den USA, wo sie mehrmals auf Tournee war. Sie sang unter Richard Wagner und Gustav Mahler und gehörte 1906/07 zu den ersten Sängerinnen, die populäre Grammophon-Aufnahmen gemacht haben. Im Laufe ihrer über 60-jährigen Karriere gestaltete sie rund 170 Rollen in 120 Opern.

Lilli Lehmann hatte zu Mozarts Werk von Anfang an eine besonders intensive Verbindung, die Sängerin debütierte 1865 in Prag als Erster Knabe in Mozarts Zauberflöte. Im Laufe ihrer Karriere sollte sie nicht nur in diesem für ihren Werdegang programmatischen Werk sämtliche Sopran-Rollen übernehmen, sondern auch eine enge Verbindung mit dem Œuvre und mit der Geburtsstadt von Mozart eingehen.

So hatte Lilli Lehmann in Salzburg prägenden Charakter für die „Salzburger Musikfeste“ der „Internationalen Stiftung Mozarteum“, die zwischen 1877 und 1910 in unregelmäßigen Abständen stattfanden und die als Vorläufer der Salzburger Festspiele gelten. 

Als auftretende Interpretin wurde sie ab dem Jahr 1901 zur treibenden Kraft der „Salzburger Musikfeste“ der Stiftung Mozarteum. 1901 brillierte sie in ihrer Paraderolle als Donna Anna in einer Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“ im Salzburger Stadttheater. 1904, beim „6. Salzburger Musikfest“, fand auf Lilli Lehmanns Anraten erstmals eine Aufführung von Mozarts c-Moll-Messe statt, die bis heute fixer Bestandteil der Salzburger Festspiele ist und jeden Sommer von der Stiftung Mozarteum in der Stifts - kirche St. Peter veranstaltet wird.

Neben ihrer Karriere als gefeierte Sängerin, führte sie – als eine der ersten Frauen überhaupt – auch Regie. So inszenierte sie für die Musikfeste der Internationale Stiftung Mozarteum 1906 und 1910 die beiden Mozart-Opern „Don Giovanni“ und „Die Zauberflöte“. Einige Klavierauszüge, in denen sie Regie-Anweisungen und Bühnenskizzen eingetragen hatte, schenkte Lilli Lehmann noch zu Lebzeiten der Stiftung Mozarteum. Sie werden in der Bibliotheca Mozartiana der Stiftung Mozarteum gemeinsam mit vielen anderen Mozart-Schätzen verwahrt.

Bei den letzten beiden Salzburger Musikfesten, die bereits Festspielcharakter hatten, fungierte sie auch als künstlerische Leiterin. Das 8. und letzte Musikfest 1910 war auf Wunsch Lehmanns ausschließlich der Musik Mozarts gewidmet.

In gesangspädagogischen Kreisen nimmt Lilli Lehmann dank ihres Nachschlagewerks „Meine Ge - sangskunst“ aus dem Jahr 1902 bis heute eine bedeutende Stellung ein. 1916 gründete Lilli Lehmann die Salzburger „Gesangskurse“, die zur Entstehung der Internationalen Sommerakademie der Universität Mozarteum führten, wobei sie ein besonderes Augenmerk auf die Interpretation von Mozarts Opern legte. Sie stiftete 1916 die „Lilli-Lehmann-Medaille“, mit der bis heute herausragende Gesangsstudierende der Universität Mozarteum von der Stiftung Mozarteum ausgezeichnet werden.

Lilli Lehmann stellte ihre Energie, ihren Einfluss und ihre internationalen Kontakte ganz in den Dienst der Stiftung Mozarteum, die sie dafür 1901 zu ihrem Ehrenmitglied machte. 1914 erhielt sie die erste Goldene Mozart-Medaille, 1916 wurde sie zur Ehrenpräsidentin der Mozart-Gemeinde ernannt.

Mit dem ihr eigenen Elan sammelte sie Spenden und organisierte Benefizkonzerte, sie unterstützte die Errichtung des Mozarteum-Gebäudes in der Schwarzstraße mit einer großzügigen Spende von 200.000 Kronen gegen eine geringe Leibrente.

Nur so war es möglich, dass das Mozarteum 1914 fertiggestellt werden konnte. Ohne ihr nachdrückliches Betreiben und ihrer finanziellen Unterstützung wäre es ebenfalls nicht möglich gewesen, dass die Stiftung Mozarteum 1917 – mitten im Ersten Weltkrieg – Mozarts Geburtshaus erwerben und so diese einmalige Gedenkstätte erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich machen konnte.

Lilli Lehmann prägte die kulturelle Entwicklung Salzburgs in der Zeit von 1901 bis 1928 entscheidend mit und avancierte über ihre künstlerischen Aktivitäten hinaus zu einer der wichtigsten Kulturförderinnen der Stadt. 1920 wurde sie als erste Frau zur Ehrenbürgerin von Salzburg ernannt.

Aber Lilli Lehmann war noch viel mehr als eine international gefeierte Sängerin, Pädagogin, Regisseurin und Mäzenin, sie war in vielen Bereichen eine Vorreiterin, sie hat für Tierrechte gekämpft, war Humanistin, Vegetarierin und in allem Feministin.

Vor kurzem konnte die Stiftung Mozarteum Salzburg ihre Lilli Lehmann-Sammlung um ganz bemerkenswerte Stücke er weitern. In dem Sommersitz, den sich die Sängerin mit ihrem Ehemann Paul Kalisch (ebenfalls Opernsänger) in Scharfling am Mondsee 1899 gebaut hatte, haben sich viele persönliche Gegenstände erhalten, welche die Stiftung Mozarteum mit Unterstützung der Mariann Steegmann Foundation erwerben konnte. Diese Sammlung umfasst zahlreiche Gemälde, Grafiken, Fotos, persönliche Gegenstände, Briefe und andere Dokumente von Lilli Lehmann, aber auch von ihrer Mutter, der Sängerin Maria Theresia Löw, ihrem Ehemann Paul Kalisch, ihrer Nichte Hedwig Helbig und vielen anderen.