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  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 12 | Frühling 2019
  • S. 2-4

Wer war Stanisłav Moniuszko?

Text: Christoph Wellner

In: Magazin Klassik, # 12 | Frühling 2019, Radio Klassik Stephansdom, S. 2-4 [Hörermagazin]

Das Jahr 2019 ist in Polen offiziell zum Moniuszko-Jahr ausgerufen worden. Das Land feiert den 200. Geburtstag seines Nationalkomponisten. In Österreich wird man eher unverständiges Kopfschütteln bei der Erwähnung dieses Namens ernten. Chefredakteur Christoph Wellner startet einen Versuch, dies zu ändern. 

Mit einem Staatsakt im Rahmen einer konzertanten Aufführung der Oper Halka wurde am 5. Jänner 2019 das Moniuszko-Jahr im Teatr Wielki in Warschau feierlich eingeleitet. In Anwesenheit mehrerer Minister, des Warschauer Erzbischofs, zahlreicher hoher Vertreter aus Wirtschaft und Kultur sowie von Komponist Krzysztof Penderecki, erklang die italienische Fassung der polnischen Nationaloper unter der Leitung von Fabio Biondi.

Fabio Biondi hat gesagt, dass er sich in die Musik Moniuszkos verliebt hat. Was macht den Reiz der Halka, was den Reiz der Musik Moniuszkos aus?

Der Direktor des Teatr Wielki in Warschau (und ehemalige Kulturminister der Republik Polen) Waldemar Dąbrowski hält im Gespräch fest: „Es ist seine Fähigkeit der lebendigen Instrumentation. Die meisterhafte Orchestrierung in Verbindung mit hinreißenden Melodien ist einzigartig. Außerdem schenkt er immer wieder instrumentalen Einzelstimmen großartige Linien und streicht sie so aus dem Gesamtklang heraus!“

Stanisław Moniuszko wurde 1819 in Minsk – also im heutigen Weißrussland – in eine polnisch-armenische Adelsfamilie geboren. Sein musikalisches Talent wurde früh erkannt, er wurde in Warschau, Minsk und Berlin ausgebildet. 1848 wurde die Urfassung seiner ersten Oper Halka in Vilna uraufgeführt (noch ohne den großartigen Tenorpart!). Mit der triumphalen Uraufführung der finalen Version in vier Akten in Warschau zehn Jahre später, startete seine Karriere und ließ ihn in kürzester Zeit zum „Vater der polnischen Nationaloper“ werden. Weitere biographische Details finden sich auf der hervorragenden deutschen Wikipedia-Seite (die weit besser als die polnische ist, wie man in Polen sagt ...).

Das Œuvre Moniuszkos umfasst vor allem Opern, Operetten, geistliche Werke und an die 300 Lieder.

Wojciech Parchem ist unter der Leitung von Operndirektor Waldemar Dąbrowski für die Organisation des Moniuszko-Jahres in Polen zuständig. Auf die Frage, was die Hauptaufgabe des Moniuszko-Jahres sei, sagt er: „Wir wollen Stanisław Moniuszko in all seinen Facetten bekannt machen. Ziel ist es, seine Werke ehrlich und gut zu präsentieren! Nehmen Sie beispielsweise seine Lieder. Ein Großteil davon ist nicht bekannt. Wir wollen ihn zu „unserem“ Schubert machen!“

Am 5. Mai 2019 – dem Geburtstag Moniuszkos – soll es im ganzen Land Geburtstagsfeiern – Straßenfeste – geben. In den Schulen werden Stücke von Moniuszko einstudiert, kostenlose Arrangements werden für Blaskapellen angeboten und für Chöre wird es eine Ausgabe zum Kaufen geben.

Brettspiele werden konzipiert, Apps für Smartphones sind in Planung. Der Moniuszko-Gesangswettbewerb wird am 5. Mai 2019 zum 10. Mal stattfinden. Für September ist eine Uraufführung von Andrzej Kwieciński mit dem Titel „Moniuszko à Paris“ angesetzt. Es ist ein Auftragswerk des Teatr Wielki und wird im Rahmen des Warschauer Herbstes aufgeführt. Und gegen Jahresende gibt es das Finale eines Wettbewerbs unter dem Titel „12 Minuten“: Kurzopern mit der im Titel angegebenen Länge werden präsentiert. Einziges Kriterium – neben der Länge: das Werk muss in irgendeiner Form mit Moniuszko zu tun haben.

Polen ist auf das Moniuszko-Jahr gut vorbereitet. Wird es auch gelingen das Moniuszko-Paradoxon zu lösen? Wojciech Parchem: „Jeder Pole, jede Polin kennt den Namen Moniuszko. In jeder Stadt gibt es eine Straße, einen Park oder eine Schule. In der Zeit des Kommunismus wurden Moniuszko und sein Werk nicht mit der nötigen künstlerischen Ernsthaftigkeit gepflegt. Oftmals war es lästiges Pflichtprogramm. Daher gibt es aus dieser Generation viele Menschen mit wenig guten Assoziationen zu Moniuszko. Das soll sich jetzt wieder ändern.“

Dass die Identifikation mit der Musik von Stanisław Moniuszko heute propagandafrei funktioniert, konnte man bei der konzertanten, italienischen (!) Halka Anfang Jänner in Warschau erleben. Die von polnischer Nationalfolklore durchzogenen Instrumentaltänze wurden heftigst akklamiert und unter Standing Ovations als Zugabe eingefordert.

Bisher hat Österreich noch keine ausgeprägte Moniuszko-Tradition. Piotr Beczała als glühender Moniuszko-Fan ist aber drauf und dran das noch heuer – im Moniuszko-Jahr 2019 – zu ändern. radio klassik Stephansdom wird ihn dabei tatkräftigst unterstützen.

P.S.: Eigentlich war ja die Halka-Aufführung nicht der erste Akt des Jubiläumsjahres in Polen. Bereits am Nachmittag des 5. Jänner 2019 wurde der Warschauer Hauptbahnhof offiziell in Stanisław Moniuszko-Bahnhof umbenannt. Auf offener Bühne des Teatr Wielki scherzten Direktor Waldemar Dąbrowski und Kulturminister Piotr Gliński, was wohl Moniuszko mit einem Bahnhof verbindet. Antwort: Gleich viel wie den anderen Nationalkomponisten mit dem Lotnisko Chopina w Warszawie (Chopin-Flughafen Warschau).


Radiotipp

Halka in italienischer Fassung mit Fabio Biondi
2. März 2019 20.00–22.10 Uhr

Straszny dwór (Das Gespensterhaus)
27. April 2019 20.00–22.50 Uhr