• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 11 | Winter 2018/19
  • S. 41

Komponistenporträt

Elfrida Andrée

Die Pippi Langstrumpf der Musik

Text: Monika Jaroš

In: Magazin Klassik, # 11 | Winter 2018/19, Radio Klassik Stephansdom, S. 41 [Hörermagazin]

1945 wurde eine rothaarige sommersprossige Neunjährige auf die Welt losgelassen: Astrid Lindgrens Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Während diese literarische Revoluzzerin das Leben unzähliger Kinder auf den Kopf stellte, gab es in der schwedischen Musik eine nicht weniger revolutionäre (wenn auch nicht rothaarige) Vorläuferin von Pippi: Elfrida Andrée. 1841 geboren trotzte sie allen Widrigkeiten und richtete sich ihre eigene Villa Kunterbunt ein, in ihrem Fall: eine selbständige Existenz als Musikerin – in einem Schweden, in dem Frauen Erwerbstätigkeit bis auf wenige Ausnahmen untersagt war. 1861 wurde sie die erste hauptamtliche Organistin in ihrer Heimat, 1867 gelang ihr der Wechsel an die prestigeträchtige Kathedrale von Göteborg. Hier verbrachte die Schülerin Ludvig Normans und Niels Wilhelm Gades den Rest ihres überaus langen – sie wurde 87 Jahre alt – Lebens Orgel spielend und komponierend. Sie schrieb als erste Frau im skandinavischen Raum größere kammermusikalische und symphonische Werke, war die erste weibliche Pultchefin Schwedens (u. a. bei rund 800 von ihr für arme Bevölkerungsschichten organisierten „Folkskonserten“) und fand Aufnahme in die hiesige „Akademie der Künste“. So leicht man diese Liste an Errungenschaften jetzt auch überfliegen mag, einfach hatte sie es nie. Allein für die Erlaubnis ihren Lebensunterhalt als Organistin zu verdienen, musste eine Gesetzesänderung beantragt werden – und zwar beim schwedischen König. Andrée vergaß nie, wie schwierig jede einzelne Etappe ihrer beeindruckenden Karriere war; ihre Parole bis zum Schluss: „Die Erhebung der Frau“. Wen wundert’s, wenn sie in hochbetagtem Alter dann schon gerne einmal stundenlange Orgel-Marathons mit den gen Himmel gerichteten Worten beendete: „Paul, alter Junge – probier’ Du das mal!“ ... und damit keinen Geringeren meinte als Apostel Paulus, den bekanntermaßen nicht gerade frauenfreundlichsten Kirchenpolitiker aller Zeiten. Die vehemente Vertreterin der Frauenbewegung (sie setzte zum Beispiel Anfang der 1860er Jahre ihre Ausbildung zur Telegraphistin nur deshalb durch, um ihren Geschlechtsgenossinnen den Weg zu dieser brandneuen Berufssparte zu ebnen) blieb zumindest mit einem Werk stets im schwedischen Musikleben präsent: ihrer Zweiten Orgelsymphonie. Seit den 1980er Jahren erlebt auch ihr übriges Œuvre ein Revival. Aktuell ist für den 8.März 2019 eine konzertante Aufführung ihrer Oper „Fritjofs Saga“ von der Göteborg Opera geplant, die im schwedischen Radio live übertragen werden soll. Eine pure Alibi-Handlung am Weltfrauentag oder ein Zeichen dafür, dass sich Qualität eben doch durchzusetzen vermag? Man wird sehen. Bei Astrid Lindgren blieb Pippi immer ein Kind, aber wenn man sich eine erwachsene Version von dem kleinen selbstbewussten Fratz vorstellen wollte, dann wäre man wohl bei Elfrida Andrée goldrichtig.


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