• Foyer5
  • Landestheater Linz
  • # 20 | September/Oktober 2021
  • S. 30-31

Premierenfieber | Oper

Lachesis

Von der Selbstentmachtung des Menschen. Das Dilemma der künstlichen Intelligenz als spannender Science-Fiction Krimi und politisches Gegenwartstheater in einer Kammeroper.

Text: Katharina John

In: Foyer5, # 20 | September/Oktober 2021, Landestheater Linz, S. 30-31 [Publikumszeitschrift]

Es ist ein irrer Kosmos aus antiken und futuristischen Gestalten, Menschen, Giganten und Titanen, Hybriden und Robotern, dem wir in Marijn Simons und Hermann Schneiders Kammeroper Lachesis begegnen. Ganz im Zentrum ein streng gehütetes Geheimnis: die Embryos künstlich gezüchteter Wesen. Sie sind Forschungsgegenstand und -ergebnis der Arbeit von Hybris durchdrungener, verzückter Wissenschaftler*innen, die den Menschheitstraum von der Überwindung des Todes endlich Wirklichkeit werden lassen sollen.

Ironisch und spielerisch knüpft Schneider mit seiner dystopischen Opernhandlung eine beziehungsreiche Struktur, voller Reminiszenzen an antike Mythologie und Philosophie, popkulturelle Mythen des amerikanischen Kinos und Fragen der aktuellen Wissenschafts- und Ethikdiskurse an. In einer Zeit, in der immer mehr komplexe Aufgaben bereits von Algorithmen übernommen werden, fragt er lustvoll nach dem Risiko unseres Kontrollverlusts über die künstlich geschaffenen Intelligenzsysteme.

Wie Platon in seiner Politeia aufzeigt, hat sich in Lachesis die Entwicklung von der Demokratie zur Tyrannis bereits vollzogen. Auch das Höhlengleichnis des griechischen Philosophen steht hier Pate, wenn die Frage nach dem Wirklichkeitsgehalt des Wahrgenommenen gestellt wird. Wer erkennt die tatsächlichen Zusammenhänge der Welt, wer lebt nur in ihren Erscheinungen?

Den Göttern zu gleichen, ist für „die Wissenden“ nur noch ein kleiner Schritt. Jeden Makel menschlicher Existenz zu überwinden, sind sie mittlerweile mit technischen Hilfsmitteln in der Lage. Das große Ziel scheint in Reichweite.

Doch eines der künstlichen Wesen ist spurlos verschwunden. Von seiner Flucht zeugt nur die Aufnahme einer Überwachungskamera. Als Ermittler Phillip sich auf die Spuren des Verschollenen begibt, geraten Biologin Chloris und Kybernetikerin Potone unter Druck. Was geschah bei der Wiedersehensfeier von Chloris und Potone mit dem Krieger Haimon, der aus siebenjährigem unterseeischen Krieg zurückgekehrt und seither nicht wieder aufgetaucht ist? Sind synthetischer und Chemsex tatsächlich besser als analoger? Was hat es mit der Zahl Sieben auf sich und gelingt es Detektiv Phillip wirklich, Gott zu überwinden?


LACHESIS

KAMMEROPER IN EINEM AKT VON MARIJN SIMONS | TEXT VON HERMANN SCHNEIDER
AUFTRAGSWERK DES LANDESTHEATERS LINZ

In deutscher und englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Uraufführung 26. September 2021
BlackBox Musiktheater

Musikalische Leitung Ingmar Beck
Inszenierung Lukas Hemleb
Bühne Margherita Palli
Kostüme Sasha Nikolaeva
Video Luca Scarzella
Dramaturgie Katharina John

Mit Gotho Griesmeier (Potone), Matthäus Schmidlechner (Phillip), Christa Ratzenböck (Chloris), Michael Wagner (Haimon), Elías Morales Pérez (On)

Bruckner Orchester Linz

Lachesis ist der Name einer griechischen Göttin, die für die Zuteilung des Schicksals verantwortlich ist. Librettist Hermann Schneider und Komponist Marijn Simons befragen den Freiheitsbegriff in einem postdemokratischen Staatswesen und entwerfen dafür einen dystopischen Kosmos um einen künstlich produzierten Zukunftsmenschen. Lachesis ist Science-Fiction, Krimi und politisches Gegenwartstheater.

Weitere Vorstellungen
29. September, 2., 6., 9., 12. und 19. Oktober 2021
Einführungen jeweils um 19.30 Uhr

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