Mit den Waffen einer Frau
Interview: Larissa Wieczorek
In: PROspekt, # 12 | März-August 2020, Theater Erfurt, S. 6-7 [Publikumszeitschrift]
In Mozarts Le nozze di Figaro spielt Sopranistin Margrethe Fredheim die Rolle der Gräfin Almaviva, einst Mündel des in Sevilla lebenden Dr. Bartolo, die nach drei Jahren Ehe mit dem Grafen genug davon hat, dass dieser anderen Frauen nachsteigt. Mit Dramaturgin Larissa Wieczorek sprach sie über ihre Rolle, das Sängerdasein und über starke Frauen.
Gerade hast du in deiner ersten Wagner-Partie debütiert. Parallel haben aber auch schon die Proben zu Figaro begonnen. Was bedeutet das für dich als Sängerin?
Eigentlich mag ich es, mehrere Stücke gleichzeitig zu machen. Es hilft, neue Inspiration zu finden. Aber es war viel Arbeit, eine Rolle wie die Gräfin im Figaro zu lernen, während ich gerade vor meinem großen Wagner-Debüt als Elsa in Lohengrin stand. Ich denke allerdings, es ist sehr gesund, beides gleichzeitig zu machen – eine gute Übung für mich und meine Stimme, denn man kann beides nicht ohne gute Gesangstechnik schaffen.
Sind Mozart und Wagner gesanglich nicht zwei verschiedene Welten?
Ich durfte beim Wagner nicht forcieren, nichts erzwingen und musste meine Stimme lyrisch-weich halten – so, dass sie immer noch gut zu Mozart passt. Ich versuche aber generell nicht, meinen Klang zu verstellen und „wagnerisch“ oder „mozartisch“ zu klingen, sondern singe immer ganz ehrlich mit meiner Stimme, meinem Instrument. Zugleich muss ich natürlich stilistische Traditionen beachten, die bei beiden unterschiedlich sind, aber das hat nichts mit der Gesangstechnik zu tun.
Vergleichst du manchmal beide Rollen?
In Rossinis Il barbiere di Siviglia musste und wollte auch Rosina, die inzwischen Gräfin ist, gerettet werden – so wie Elsa im Lohengrin. Alleine hätten es beide nicht geschafft, sich aus ihrer Situation zu befreien. Aber das ist ja nur die Vorgeschichte der Gräfin in Le nozze di Figaro. Elsa ist naiver und jünger. Die Gräfin hat schon viel mehr hinter sich, sie trägt die Enttäuschungen des Lebens mit sich herum. Andererseits haben beide einen Mann, der viele Geheimnisse hat ... (lacht) und sind beide unglücklich.
Gehört Le nozze di Figaro zu den Stücken, die du schon immer mal machen wolltest?
Unbedingt, ja! Schon allein die Ouvertüre ist genial! Und die Musik erzählt sehr viel über die Charaktere. Man kann eine Mozart-Arie singen und die Leute damit unglaublich berühren – insbesondere auch mit meinen beiden Arien „Dove sono“ und „Porgi amor“.
Vergleichst du auch dich selbst mit den Rollen, die du spielst?
Ja! Ich sehe fast immer Parallelen und versuche, das auf der Bühne zu nutzen. Ich habe eigentlich auch viel mit der Gräfin gemeinsam: dieses Misstrauen zu Männern (lacht). Nicht, dass ich die Männer hassen würde und total verbittert wäre, aber ich kenne das Gefühl, hintergangen zu werden.
Was für eine Frau ist diese Gräfin?
Sie ist sehr intelligent und kennt ihre Grenzen. Sie kann nicht einfach einen Koffer packen und gehen, weil ihr Mann sie betrügt. Heute ist das anders, aber das Gefühl, dass man als Frau einige Dinge einfach akzeptieren muss, kenne ich sehr gut. Die Gräfin löst das auf so eine Frauen-Art-und-Weise. Sie verkehrt die Rollen, führt dem Grafen vor Augen, was er tut. Sie verletzt vielleicht ein wenig sein Ego, aber nur gerade so, dass er einsieht, dass sein Verhalten nicht richtig war. So einsichtig würde er wohl nicht reagieren, wenn sie einfach mit ihm streiten oder damit drohen würde, ihn zu verlassen.
Le nozze di Figaro spielt drei Jahre nach dem Happy End von Il barbiere di Siviglia. Was glaubst du: Was geschah zwischen den beiden Stücken mit Rosina und ihrem Grafen Almaviva?
Das, was sehr, sehr oft passiert in Beziehungen: Wenn die Verliebtheit vorbei ist und man wirklich zusammenlebt, stellt man fest, dass das Leben eben doch kein Märchen ist. Die Spannung ist weg, und dann ist einem die Beziehung vielleicht einfach nicht mehr genug. Einer von beiden – oder vielleicht auch beide suchen die Spannung dann irgendwo anders und machen einander unglücklich …
Die Vorlage zu Mozarts Oper ist der zweite Teil einer Trilogie von Beaumarchais. Es gibt also eine Fortsetzung...
Ja, daher wissen wir, dass die Gräfin später ein Kind von Cherubino haben wird. Sie hat also auch ihren Spaß abseits der Beziehung und geht davon aus, dass sie das darf, weil der Graf sich genauso benimmt.
Macht es für dich eigentlich einen Unterschied, ob die Regie in den Händen eines Mannes oder einer Frau liegt?
Ich finde es sehr erfrischend und angenehm, wenn für eine Weile auch mal eine Frau die Chefin ist, und es freut mich sehr, dass wir diesmal mit einer Regisseurin arbeiten. Besonders, weil es in diesem Stück ja so sehr um die Frauen geht. Da hilft so eine Frauen-Sicht. Susanna und die Gräfin sind ja nicht nur Kammerzofe und Gräfin, sondern auch Freundinnen. Auch wenn die Gräfin weiß, dass der Graf scharf auf Susanna ist. Aber beide wissen: Sie müssen als Frauen zusammenstehen. Dieses Zusammenhalten gibt es ja bei den Männern, beim Grafen und Figaro zum Beispiel, nicht, die sind eifersüchtig aufeinander. Frauenpower! Ich habe ja auch den Traum, irgendwann mal in die Künstlerische Leitung einzusteigen. Vielleicht als Operndirektorin oder Casting-Chefin.
Du willst also nicht bis zum Ende deiner Karriere auf der Bühne stehen?
Ich hatte mich, bevor das mit dem Singen ernst wurde, schon für den Studiengang künstlerische Administration beworben, aber dann kam plötzlich die Möglichkeit, Gesang zu studieren. Außerdem hatte ich in Norwegen schon Erfahrungen mit der Planung und Durchführung von Konzerten gesammelt. Wenn ich in Zukunft mal nicht mehr singen kann oder will, möchte ich gerne in die Administration wechseln.
- Quelle:
- PROspekt
- Theater Erfurt
- # 12 | März-August 2020
- S. 6-7
PDF-Download
Artikelliste dieser Ausgabe