• Magazin Klassik
  • Radio Klassik Stephansdom
  • # 34 | Herbst 2024
  • S. 12-14

Bruckner: Bestätigung im Tod

Vorstellung und Realisierung

Text: Otto Biba

In: Magazin Klassik, # 34 | Herbst 2024, Radio Klassik Stephansdom, S. 12-14 [Hörermagazin]

Mit dem Selbstbewusstsein des erfolgreichen Aufsteigers hat Bruckner in Wien erstklassige Wohnadressen gewählt. Gesteigert wurde das Selbstbewusstsein von der Beamtenuniform mit Degen, die er als Mitglied der Hofmusikkapelle und somit Mitarbeiter des Obersthofmeisteramtes tragen durfte, ja zu tragen hatte. Bruckner in zwei Wohnpalais der Wiener Ringstraße logierend und in der Öffentlichkeit mit Uniform und Beamtensäbel auftretend: Darüber wurde hier schon berichtet.

Der im ganzen süddeutsch-österreichischen Raum verwendete Begriff von der „schönen Leich“, der stilvollen, würdigen Bestattung mit vielen Trauergästen, erhielt in der Wiener Ringstraßenepoche (und von da ausgehend auch außerhalb Wiens) eine zusätzliche Bedeutung: Auch die repräsentative Grabstätte wurde jetzt wichtig, denn selbst nach dem Tod wollte man beeindrucken. Die Neureichen – also Aufsteiger – die keine der Familientradition entstammenden Grüfte besaßen, suchten solche zu erwerben (was kaum möglich war) oder solche zu errichten, oft mit einer Gruftkapelle, um damit die traditionellen Grüfte noch zu übertrumpfen.

Auch Anton Bruckner suchte nach einer stilvollen, würdigen Bestattung, er hatte seine sehr persönliche Vorstellung davon und wollte sicher sein, dass diese nach seinem Tod realisiert wird. Demnach wollte er in der Krypta der Stiftskirche St. Florian, unter dem ersten oder hintersten Joch in einem frei stehenden Sarg beigesetzt werden, sozusagen in einem Raumabschnitt für sich, noch dazu unter der Orgel. Die Realisierung dieser Idee hatte Prälat Karl Moser vom Stift St. Florian 1884 zugesagt, freilich ohne formelle Vereinbarung. Im Jahr darauf kam es aber zu einer Verstimmung zwischen Bruckner und dem Stift, sodass Bruckner um seine Idee fürchtete. Deshalb vertraute er im Sommer 1885 P. Oddo Loidol vom Stift Kremsmünster während eines längeren dortigen Aufenthalts an, dass er in Steyr begraben sein wollte. In seinem Testament vom 10. November 1893 ordnete Bruckner den noch aufgrund der seinerzeit erhaltenen Zustimmung an, in St. Florian beigesetzt zu werden, und zwar einbalsamiert und in einem metallenen Doppelsarg, „deren innerer eine mit Glas verschlossene Einsicht auf das Angesicht gewährt“; der Doppelsarg sollte in der Gruft frei unter der Orgel stehen. Ganz sicher, ob dieser Wunsch respektiert wird, war er sich aber nicht, denn in einem Kodizill vom 25. September 1894 heißt es: „Für den Fall, als ich nicht in der Gruft der Stiftskirche in St. Florian beigesetzt werden könnte, so will ich nach meinem Tode im Friedhofe zu Steyr ruhen.“ Seine sterblichen Überreste sollten auch für die dortige Beisetzung einbalsamiert in einen „wie oben beschriebenen Sarg“ gelegt werden. Dieser Sarg sollte „in einer neu zu erbauenden, für immer währende Zeiten auf meinen Namen zu schreibenden Gruft im Arkadengange der Ostseite des Friedhofes beigesetzt werden“. Testament samt Kodizill erliegen im Archiv der Stadt und des Landes Wien im „Kundmachungsprotokoll des Obersthofmeisteramtes Seiner k. und k. Apostolischen Majestät“; Bruckner stand es nämlich als hochrangigem Hofbediensteten zu, dass die Verlassenschaftsaufnahme gebührenfrei durch das dem Obersthofmeisteramt zugeordnete Obersthofmarschallamt erfolgte und nicht durch den Stadtmagistrat. Das erwähnte Kodizill ist unterzeichnet von Bruckner sowie vom Linzer Domprediger Ludwig I. Bermanschläger, vom Steyrer Stadtpfarrer Theodor Gutschick und von Franz Bayer, Regens Chori in Steyr, als Zeugen. Der Erstellung des Kodizills müssen ausführliche Besprechungen vorangegangen sein. Der Stadtpfarrer hat auch das Stift St. Florian davon informiert, ohne für Bruckner eine formelle Zusage zu seinem Bestattungswunsch erhalten zu können. Ein Notizzettel des Prälaten, auf dem es auch um die Kosten geht, und die Annahme des Chorherren Johann B. Breselmayer, „dass Herrn Bruckners Herzenswunsch, in St. Florian sein Grab zu finden, auf keine Schwierigkeiten stoßen wird“, sollten Bruckner genügen. Das genügte ihm nicht, und so kam es zur Terstamentsergänzung mit einem Kodizill.

Der Wunsch einer neu zu erbauenden Gruft im Arkadengange an der Ostseite des Friedhofs verlangt eine erläuternde Interpretation. Der Friedhof wurde 1891/1892 erweitert. Im alten Friedhof gibt es rundum laufende Arkadengänge mit Grüften im Boden, die mit Steinplatten verschlossen sind. Dort kann man keine neue Gruft erbauen; es kann also nur um den neuen Friedhof gehen, der auch 2. Friedhof genannt wird. Dort gibt es an der Ostseite einen Arkadengang, teils mit schlichten Grüften wie im alten Teil des Friedhofs, teils mit kapellenartigen Ein- bzw. Anbauten (besonders auffallend die Arkadengrüfte 1, 1903 errichtet, und 27, 1919 errichtet), auf die wirklich die Formulierung des Kodizills von einer „neu zu erbauenden“ Gruft passen würde. Es ist fraglos anzunehmen, dass Bruckner an eine solche Art von Gruftkapelle gedacht hat, wenn auch stilistisch wohl etwas konservativer als die beiden genannten und ein bisschen jüngeren Beispiele. Nicht zu vergessen, 1894, als dieses Kodizill errichtet wurde, begann dieser Arkadengang erst mit achtzehn Grüften ausgestattet zu werden.

Die Beisetzung Anton Bruckners in der Stiftskirche St. Florian, seine erste Vorstellung von einer ungewöhnlichen und würdigen, auffälligen und sehr persönlichen Bestattung, war realisierbar. Sie war die posthume Bestätigung für den Aufstieg des Lehrers zum in der Musikwelt anerkannten Komponisten oder des Stiftsangestellten zum vom Stift auf einzigartige und unvergleichliche Weise ausgezeichneten Künstler. Steyr wäre keine Ersatzlösung gewesen, sondern war eine Alternative, die weniger den Künstler und noch mehr den sozialen Aufsteiger betont hätte, platziert unter Industriellen und bedeutenden Persönlichkeiten der freilich regionalen Wirtschaft, die wie er ihren Aufstieg geschafft haben.